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Keine Sonderbewilligung für den Hasenstrick

Dürnten verbannt auch das Silvesterfeuerwerk

Das Silvesterfeuerwerk in Dürnten fällt dem Verbot zum Opfer – und macht deutlich, wie schwierig es für Gemeinden ist, bei Ausnahmen eine klare Linie zu ziehen.

Keine «besondere Veranstaltung»: Die Gemeinde Dürnten erteilt dem Silvesterfeuerwerk auf dem Hasenstrick keine Sonderbewilligung. (Symbolbild)

Foto: Unsplash

Keine Sonderbewilligung für den «Hasenstrick»

Das Silvesterfeuerwerk in Dürnten fällt dem Feuerwerksverbot zum Opfer – dies macht deutlich, wie schwierig es für Gemeinden ist, bei Ausnahmen eine klare Linie zu ziehen.

Janosch Bär zeuselt gerne. Doch nicht im kleinen Rahmen: Der Ustermer ist ausgebildeter Pyrotechniker und arbeitet auf höchstem Sicherheitsniveau mit lizenziertem und kontrolliertem Material. Klassisches Feuerwerk, geräuscharme Pyroshows, Feuerwerk auf Showbühnen – all das gehört zu seinem Repertoire.

Er ist es auch, der jeweils das grosse Silvesterfeuerwerk auf dem Hasenstrick in Dürnten veranstaltet. Ein Spektakel, das gemäss seiner Aussage jeweils zwischen 300 und 500 Schaulustige anlockt – und letztes Jahr wohl zum letzten Mal in der bekannten Form stattgefunden hat.

Denn: Seit dem 9. Februar ist lärmendes Feuerwerk auf dem Gemeindegebiet verboten; das hat die Bevölkerung an der Urne so entschieden. Zwar sieht das neue Reglement theoretisch Ausnahmen für «besondere Veranstaltungen» vor, doch nach Einschätzung der Gemeinde Dürnten fällt das Silvesterfeuerwerk auf dem Hasenstrick nicht unter diese Kategorie. Das geht aus dem E-Mail-Verkehr zwischen der Gemeinde und Janosch Bär hervor, der dieser Redaktion vorliegt.

So heisst es darin: «Ausnahmebewilligungen für das Abbrennen von Feuerwerk werden ausschliesslich für Veranstaltungen, an denen ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, erteilt. Bei der Veranstaltung beim Landgasthof Hasenstrick sehen wir das öffentliche Interesse nicht gegeben.»

Man sieht die Luftaufnahme eines Restaurants.
Auf dem Hasenstrick gibt es dieses Jahr kein Feuerwerk zum Jahreswechsel. (Archiv)

Lukas Schollenberger ist der Abteilungsleiter Schutz und Sicherheit der Gemeinde Dürnten und für die Feuerwerksthematik zuständig. Er führt aus: «Im Kern handelt es sich hierbei um eine Veranstaltung für zahlende Gäste, die im Gasthof einkehren – es ist kein Event für die Allgemeinheit, dem ein überwiegendes öffentliches Interesse zugrunde liegt.»

Dass auch Schaulustige kommen, ohne einzukehren, ändert daran laut Schollenberger nichts. «Das reicht nicht, um als besondere Veranstaltung zu gelten», sagt er.

«Ein Schritt in die falsche Richtung»

Ein herber Schlag für Janosch Bär – und seiner Meinung nach ein Fehlentscheid. Er ist sich sicher, dass das Interesse an einem öffentlichen Silvesterfeuerwerk dieses Jahr sogar gestiegen wäre, weil private Feuerwerke verboten sind. «Man darf selbst nichts mehr ablassen, also geht man auf den Hasenstrick, um sich das Spektakel anzuschauen», so seine Schlussfolgerung.

Er ist überzeugt, dass viele Dürntnerinnen und Dürntner das Silvesterfeuerwerk vermissen werden. Einem Grossteil der Bevölkerung sei vermutlich nicht bewusst gewesen, dass man mit der Zustimmung zum allgemeinen Verbot auch professionelle Feuerwerke verunmögliche. «Dass wir Profis eingeschränkt werden, ist ein Schritt in die falsche Richtung», sagt der Pyrotechniker.

Theoretisch einfach, praktisch herausfordernd

Dürnten ist nicht die einzige Gemeinde in der Region, die sich mit einem Verbot für lautes Feuerwerk und dessen Folgen auseinandersetzt. In Bubikon gilt ein solches Verbot bereits seit vergangenem Sommer, in Gossau seit diesem März. In Mönchaltorf, Wangen-Brüttisellen, Schwerzenbach und Fällanden wurde ein Verbot an den Gemeindeversammlungen im Juni beschlossen.

In Uster ist eine parlamentarische Initiative hängig, und in Wetzikon wird das Thema im Rahmen der überarbeiteten Polizeiverordnung behandelt. In Maur, Dübendorf und Volketswil wurden Einzelinitiativen eingereicht. In Bauma und Rüti wird im November über ein Feuerwerksverbot an der Urne abgestimmt. In Wald wiederum hat der Gemeinderat von der Gemeindeversammlung den Auftrag erhalten, eine Umsetzungsvorlage für ein Verbot auszuarbeiten, über die zu einem späteren Zeitpunkt nochmals abgestimmt wird.

Die Gründe gleichen sich vielerorts: Umwelt- und Lärmbelastung, Feinstaub, Abfall. Die Entwicklung zeigt deutlich – Feuerwerk verliert an Rückhalt. Und doch bringt der Umgang mit Verboten und Sonderbewilligungen viele Gemeinden ins Stolpern. Denn auch wenn auf dem Papier klar ist, wer wann noch Raketen steigen lassen darf, ist das in der Praxis nicht immer so einfach.

Das zeigen der aktuelle Fall in Dürnten und auch ein Beispiel aus Bubikon. Jedes Jahr findet dort beim Gasthof Löwen ein traditionelles Silvesterfeuerwerk statt. Zuletzt beantragten die Betreiber eine Sonderbewilligung und erhielten diese auch. Doch es kam anders: Die Sonderbewilligung stiess auf so viel Missgunst aus der Bevölkerung, dass die Betreiber schliesslich vom Feuerwerk absahen.

Öffentliches Kopfschütteln über eine genehmigte Bewilligung: ein Szenario, das Dürnten vermeiden möchte. So verweist Schollenberger auf die Zahl 1577. «So viele Dürntnerinnen und Dürntner haben sich im vergangenen Februar für ein Feuerwerksverbot in ihrer Gemeinde ausgesprochen. Diesen geäusserten Willen müssen wir berücksichtigen.»

Wenn die Gemeinde nach einem solchen Abstimmungsresultat das Silvesterfeuerwerk auf dem Hasenstrick bewilligt, sendet dies ein falsches Signal. «An der Gemeindeversammlung wurde deutlich, dass der Bevölkerung bewusst ist: Das angenommene Verbot gilt auch für Feuerwerke wie jenes auf dem Hasenstrick.» Eine Bewilligung stiesse vermutlich auf wenig Verständnis, so Schollenberger.

Keine klare Definition von «öffentlichem Interesse»

So stellt sich die Frage: Unter welchen Bedingungen darf überhaupt noch Feuerwerk gezündet werden? Und ab wann ist eine Veranstaltung von öffentlichem Interesse? Letzteres ist in jenen Gemeinden, die lärmendes Feuerwerk grundsätzlich verbieten, die Voraussetzung für eine Sonderbewilligung.

Die kleine Umfrage in den Gemeinden zeigt: Einen klaren Leitfaden, ab wann ein Anlass als öffentlich und damit bewilligungsfähig gilt, haben die Behörden kaum. «Wir führen keine Liste mit konkreten Anlässen, an denen Feuerwerk erlaubt ist. Jede Anfrage wird einzeln geprüft», sagt Schollenberger von der Gemeinde Dürnten.

In Bubikon tönt es ähnlich. Der Anlass muss im öffentlichen Interesse liegen – doch was genau darunter fällt, ist nicht näher geregelt. Unter welchen Bedingungen die Gemeinde eine Ausnahmebewilligung erteilen würde, könne derzeit nicht gesagt werden. «Jede Anfrage muss individuell beurteilt werden», sagt Gemeindeschreiber Urs Tanner. Jede Einwohnerin und jeder Einwohner sei berechtigt, eine solche zu stellen.

In Gossau, wo das Verbot per 1. März eingeführt wurde, liegen noch keine Erfahrungen vor. Am 1. August werde sich die erste Gelegenheit dafür bieten, sagt Gemeindeschreiber Thomas-Peter Binder.

Auch in dieser Gemeinde muss der Anlass von öffentlichem Interesse sein, um eine Sonderbewilligung zu beantragen. Einen abschliessenden Kriterienkatalog dafür gebe es nicht. Binder: «Private Veranstalterinnen und Veranstalter – etwa im Rahmen eines Geburtstagsfests – sind grundsätzlich ausgeschlossen.»

Ähnliche Gesuche gleich zu behandeln und nachvollziehbare Entscheide zu treffen, sei eine Herausforderung. «Deshalb wird die Bewilligungspraxis bewusst zurückhaltend und restriktiv gehandhabt», so Binder weiter.

Die Gemeinde Gossau werde künftig im Sinne einer Vorbildfunktion keine – und wenn, nur in äusserst seltenen und gut begründeten Fällen – Feuerwerke veranstalten.

Frust über fehlende Kompromissbereitschaft

Während in anderen Gemeinden die neuen Feuerwerksverbote zwar beschlossen, aber noch kaum erprobt sind, ist der Fall bezüglich des Silvesterfeuerwerks in Dürnten klar entschieden – sehr zum Bedauern von Pyrotechniker Janosch Bär und den Verantwortlichen des «Hasenstricks».

Bär ist enttäuscht, dass seine Bemühungen um eine gemeinsame Lösung mit der Gemeinde Dürnten auf taube Ohren stiessen – obwohl er zu Kompromissen bereit gewesen wäre. So legte er der Gemeinde eine Liste von geräuschärmeren Alternativen vor, mit der Bitte um erneute Prüfung. Doch auch das überzeugte die Gemeinde nicht; einzig das Abbrennen eines geräuscharmen Vulkans wäre gestattet.

Bär kritisiert die Handhabung des neuen Gesetzes in Dürnten. Dieses bezieht sich wörtlich auf «lärmendes Feuerwerk», womit gemäss der Gemeinde Artikel gemeint sind, die beim «Abbrennen oder Abfeuern einen hörbaren Knall oder laute Schläge verursachen».

Das sei eine schwammige Formulierung, findet der Pyrotechniker. «Jetzt liegt es im Ermessen der Gemeinde, wann etwas als laut, hörbar oder lärmig gilt.» Rhetorisch fragt er: «Ist eine Tischbombe demnach auch illegal?»

Klare Haltung der Gemeinde

Schollenberger von der Gemeinde Dürnten verweist auf die Lärmschutzverordnung, die auch bei Feuerwerkskörpern zur Anwendung kommt. Diese besagt, dass «die Bevölkerung durch Lärm in ihrem Wohlbefinden nicht erheblich gestört werden darf».

Lasse jemand eine Tischbombe in den eigenen vier Wänden ab, gebe es keinen lauten Knall, und niemand fühle sich dadurch belästigt. «Lässt man hingegen eine Rakete in den Himmel steigen, kann sich dieser niemand entziehen. Die Bevölkerung und die Tierwelt sind dem Lärm ausgesetzt, ob sie wollen oder nicht», so Schollenberger.

Man sieht einen jungen Mann mit Feuerwerkskörpern in den Händen.
Pyrotechniker Janosch Bär ist enttäuscht, dass das Silvesterfeuerwerk auch in den Rahmen des Feuerwerksverbots fällt. (Archiv)

Für Janosch Bär wie auch den Gasthof ist die Situation ernüchternd. Mustafa Baskapan, Geschäftsführer vom «Hasenstrick», ist enttäuscht über die Entscheidung der Gemeinde. «Das Feuerwerk bei uns ist seit Jahren eine Tradition, für Restaurantgäste und sonstige Besuchende – es gehörte einfach zum Silvester in Dürnten.»

Er habe jeweils viel Geld in den Anlass investiert, ohne dass dieser wirklich rentabel für ihn gewesen sei. «Uns ging es immer darum, den Einwohnenden und sonstigen Nachbarn ein schönes Erlebnis zu bieten.»

Bär und Baskapan sind auf der Suche nach Alternativen. Ob Bär den Auftrag selbst ausführen wird, ist fraglich. «Das tut weh. Es geht um rund einen Viertel meines Jahresumsatzes.»

Den Fokus umzulegen, zum Beispiel auf Feuershows, ist für ihn keine Option. «Ich bin Pyrotechniker, kein Artist. Ich kann zwar einige Feuertricks – das Feuerwerk ist und bleibt aber meine Leidenschaft.»

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