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Politik

Glück, Freiheit vs. Ruhe und Tierwohl

Trotz deutlichem Mehr schickt Rüti das Feuerwerksverbot an die Urne

Vielerorts hagelt es Feuerwerksverbote. Rüti ist noch nicht ganz soweit - will die gesamte Bevölkerung mit einbeziehen.

In Rüti hat sich an der Gemeindeversammlung ein Trend gezeigt. Dennoch wird erst an der Urne über ein Feuerwerksverbot entschieden. (Symbolbild)

Foto: Unsplash/Bearbeitung: Thomas Bacher

Trotz deutlichem Mehr schickt Rüti das Feuerwerksverbot an die Urne

Schluss mit lauten Böllern? An der Gemeindeversammlung in Rüti zeigte sich eine klare Tendenz hinsichtlich eines Feuerwerksverbots. Im Nachgang entschied man sich dann doch für eine Urnenabstimmung.

Die Freiheit des Einzelnen endet da, wo sie die Freiheit anderer beeinträchtigt – so viel zur Philosophie. Aber endet das persönliche Glück Einzelner auch da, wo es die Ruhe anderer stört? Wie in unzähligen anderen Gemeinden widmeten sich in Rüti die 234 Stimmberechtigten an der Gemeindeversammlung vom Montagabend der Frage, wie wichtig ihnen traditionelle Feuerwerke am 1. August oder zu Silvester sind. Oder eben, wie sehr diese sie stören und die Tiere verängstigen.

Inzwischen haben sieben Oberländer Gemeinden ein Verbot von lärmendem Feuerwerk verabschiedet. Für Rüti ist die Angelegenheit trotz eingereichter Einzelinitiative nicht vollkommen neu. Im Juni 2019 waren an einer Gemeindeversammlung bereits eine Initiative hinsichtlich der «Leitplanken beim Abbrennen von Feuerwerk» sowie der Gegenvorschlag «Genehmigungspflicht von Feuerwerk» des Gemeinderats behandelt worden. Damals lehnte die Versammlung anstelle der Initiative den Gegenvorschlag des Gemeinderats knapp ab. Während sechs Jahren lag die Sache auf Eis.

Deutliche Uneinigkeit

Die jetzige Initiantin Rosmarie Tschudi meinte zusammenfassend: «Denkt an die vielen Haustiere in Rüti und daran, dass, wenn wir kein Verbot bekommen, alle aus den umliegenden Gemeinden zu uns zum Böllern kommen.» Dass der Gemeinderat hinter ihr steht, betonte die Seniorin nochmals und erntete (obwohl an Gemeindeversammlungen untersagt) solch tosenden Applaus, dass beinahe die Kirche bebte.

Dafür betonte Andreas Hohl (FDP), Präsident der Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission (RGPK), mit Vehemenz, dass es sich bei Feuerwerken an Feiertagen um eine lange Tradition handle und ein Verbot falsch wäre. «Auch Gewitter bringen Tiere zum Zittern, die Umweltverschmutzung ist hinsichtlich des Feinstaubs so marginal, dass sie nicht einmal erwähnenswert ist.» Ohnehin könne die Polizei ein Verbot kaum umsetzen. «Ich könnte ganz legal mit einer Rakete in der Hand durchs Dorf spazieren, sie müssten mich beim Abbrennen erwischen», witzelte Hohl. Ein nicht umsetzbares Verbot sei ein sinnloses Verbot.

Ein jüngerer Votant blies nicht ins gleiche Horn, doch er nutzte den Stimmungsmoment und verlangte eine Urnenabstimmung. «Ich bin noch keine 30 Jahre alt, und wenn ich mir den Altersdurchschnitt dieser Versammlung ansehe, denke ich doch stark, dass die Jüngeren unterrepräsentiert sind.» Käme es zur Urnenabstimmung, könnten nicht 234, sondern 7762 Personen über die Initiative befinden.

Andere wiederum fassten sich mit ihren Stellungnahmen kurz, zum Beispiel: «Ihr wollt anscheinend alles verbieten wie das Rauchen, irgendwann brauchen wir eine Bewilligung zum Grillieren oder für die Luft zum Atmen.» Eine Befürworterin brachte ihrerseits die Versammlung zum Lachen, indem sie emotional und mit Humor schilderte, wie es sie aus dem Bett jage, wenn die Jungen die Böller in der nahe gelegenen Unterführung zündeten.

Am Schluss der Debatte stellte ein Familienvater eine generelle Frage zum gegenseitigen Umgang in der Gemeinde. «Ich mag keine Katzen, die hinterlassen ihre Spuren in meinem Garten.» Dennoch sei ihm bewusst, dass diese Tiere seinen Nachbarn wichtig seien. Also dürfe ihm und seinen Kindern doch wohl auch ein Feuerwerk am Herzen liegen. «Toleranz zu üben, ist eine Kunst.» Ansonsten würde irgendwann alles verboten, was Spass mache, nur weil es Einzelne stören könnte.

Die Abstimmung verlief mit doppelt so vielen Ja- zu Nein-Stimmen deutlich. Allerdings war da noch der Antrag zur Urnenabstimmung, der mit 81 Stimmen angenommen wurde. Somit wird erst im kommenden November klar, ob es auch in Rüti zu einem Verbot von lauten Feuerwerkskörpern kommt.

Braucht Rüti ein Parlament?

Vor dem Sommerapéro hatte Gemeindepräsidentin Yvonne Bürgin (Die Mitte) noch eine eingegangene Anfrage zu beantworten. Eine Rütnerin wollte wissen, weshalb die Gemeinde mit bald 13'000 Einwohnern kein Parlament einführt. An den Gemeindeversammlungen nehme nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung teil, was mit dem Interesse der Allgemeinheit kollidiere.

«Wie heute werden die Leute gern für ein einziges Traktandum mobilisiert, die nach der Abhandlung teils den Saal frühzeitig wieder verlassen.» Ein Parlament würde nach ihrer Meinung die Parteiarbeit sowie das Interesse daran stärken. Die Wirkung eines Parlaments zeige sich in einer Stadt wie Wetzikon deutlich.

Man sieht das Parlament Wetzikon von hinten.
Ob in Rüti eines Tages auch wie hier in Wetzikon in einem Parlament debattiert wird, steht noch in den Sternen. (Archiv)

Bürgin verwies auf die Mehrkosten. Ausserdem sei ein Parlament bei dieser Anzahl an Einwohnern noch nicht zielführend. Dies zeige ein Blick auf die 13 Gemeinden im Kanton, die über einen Parlamentsbetrieb verfügten. «Die kleinste Stadt ist Illnau-Effretikon mit 18'000 Einwohnern, durchschnittlich liegt die Anzahl jedoch um die 25'000.» Ohnehin hätten die Erfahrungen gezeigt, dass ein Parlamentsbetrieb wie beispielsweise in Wetzikon jährlich 400'000 bis 600'000 Franken verschlinge.

«Hinzu käme für uns ein erheblicher Mehraufwand seitens der Verwaltung und der Exekutive, der vor allem durch Vorstösse des Parlaments ausgelöst würde.» Die jetzigen Kosten der Versammlungsgemeinde lägen gerade einmal bei 100'000 Franken. «Ein Parlamentsbetrieb würde die Macht von der Gemeindeversammlung ins Parlament verschieben.» So bestehe die Gefahr einer weiteren Entfremdung der Bevölkerung von der lokalen Politik.

Ferner hat die Gemeindeversammlung …

… die Jahresrechnung 2024 mit einem Aufwand von 155,3 Millionen, einem Ertrag von 160,8 Millionen und einem daraus resultierenden Ertragsüberschuss von 5,5 Millionen Franken einstimmig bewilligt. Das derzeitige Eigenkapital liegt bei 132,4 Millionen Franken.

… den Geschäftsbericht 2024 ohne Gegenstimme angenommen.

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