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Politik

Vor der Richtplan-Debatte

Bei Parkplatzabbau und günstigem Wohnraum überrascht dieser SVP-Pragmatiker

Wenn am Montag im Parlament Uster über den Richtplan debattiert wird, will Ulrich Schmid, dass die Politik mehr an die Bevölkerung denkt. Ein Treffen mit einem Mann, der nicht immer ganz in die SVP zu passen scheint.

Ulrich Schmid ist Ustermer Gemeinderat und Präsident der Oberstufenschulpflege Nänikon-Greifensee.

Foto: Simon Grässle

Bei Parkplatzabbau und günstigem Wohnraum überrascht dieser SVP-Pragmatiker

Wenn am Montag im Parlament Uster über den Richtplan debattiert wird, will Ulrich Schmid, dass die Politik mehr an die Bevölkerung denkt. Ein Treffen mit einem Mann, der nicht immer ganz in die SVP zu passen scheint.

«Alle Parlamentarier sollten von ihrer Parteilinie einen Schritt zurück machen und an die gesamte Bevölkerung von Uster denken.»

Dieser Satz, gesprochen von Ulrich – oder einfach nur Ueli – Schmid, einem SVP-Politiker, lässt aufhorchen. Erst recht, wenn er im Vorfeld der politisch aufgeladenen Richtplandebatte im Ustermer Parlament fällt.

Richtplan wird besprochen

Nach mehrfachen Verzögerungen ist es jetzt nämlich endlich so weit: Am Montag diskutieren die Ustermer Gemeinderäte das rund 1400 Seiten umfassende Dossier, das die künftige Entwicklung des Stadtgebiets in den Themenfeldern Siedlung, Landschaft, Mobilität sowie öffentliche Bauten und Anlagen definiert. Es geht um Wachstum, Verdichtung, Grünräume, aber auch günstigen Wohnraum, Tempolimiten, Klimaschutz – kurz: um die Zukunft der Stadt. Die Überarbeitung des inzwischen veralteten Richtplans aus dem Jahr 1989 wurde bereits vor neun Jahren mit der Ausarbeitung des Stadtentwicklungskonzepts (Stek) angestossen.

Nun, gut ein halbes Jahr vor den nächsten Gemeindewahlen, dürfte die bevorstehende Debatte vor allem eines sein: politisch aufgeladen. So gibt es auf der einen Seite die bürgerlich dominierte Kommission für Planung und Bau (KPB), in der über gut 250 Anträge diskutiert, beraten und entschieden wurde. Auf der anderen Seite das eher links geprägte Parlament, das versuchen dürfte, viele Entscheide der Kommission wieder nach seinem Gusto zu kippen.

Am 1. September debattiert der Ustermer Gemeinderat über den neuen Richtplan – die Weichenstellung für die nächsten 20 Jahre. Nach 13 Sitzungen hat die bürgerlich dominierte Kommission für Planung und Bau (KPB) die Vorlage des Stadtrats stark verändert. Nun prallen im eher links-grünen Parlament die Weltanschauungen aufeinander. Es geht um nicht weniger als die künftige Entwicklung und damit Identität der Stadt.

Im Zentrum steht der Verkehr. Die KPB will Tempo 30 aufweichen und dem Autoverkehr wieder mehr Gewicht geben. Die links-grüne Seite dürfte für eine konsequente Priorisierung von Velo und ÖV kämpfen. Auch beim Wohnen ist man sich uneins. Anträge für einen festen Anteil an preisgünstigem Wohnraum bei Neueinzonungen wurden von der KPB-Mehrheit als «Planwirtschaft» abgelehnt – ein Affront für SP und Grüne. Emotional wird es bei der Heusser-Staub-Wiese: Soll sie zur allgemeinen Grünfläche werden oder als Fussballplatz für die Vereine erhalten bleiben?

Die Debatte verspricht Hochspannung. Bei 97 strittigen Änderungsanträgen wird um die künftige Seele Usters gerungen: liberales Wachstum oder stärker regulierte Lebensqualität? Der Ausgang ist völlig offen.

Offen ist auch, ob der Richtplan bereits am 1. September festgesetzt werden kann oder eine zweite Sitzung, die schon für den 22. September angesetzt ist, notwendig ist.

Wer der Debatte lauschen will, kann dies im Gemeinderatssaal des Stadthauses tun. Die Sitzung ist öffentlich. Sie beginnt bereits um 18 Uhr und könnte voraussichtlich bis 23.45 Uhr dauern. (erh)

Wie passt es da ins Bild, dass mit Ueli Schmid ein Vertreter jener Partei, die oft für ihre strikte Linie bekannt ist, zum Umdenken aufruft?

Ustermer durch und durch

Der 61-Jährige mit dem kurzen Schnauz und dem schütteren, leicht orangen Haar sitzt für die SVP im Parlament, ist seit Mai sogar Fraktionspräsident. Schmid wächst in einfachen Verhältnissen im Oberland auf, absolviert die Ausbildung zum Elektroniker, schlägt zunächst eine militärische Laufbahn bis zum Oberstleutnant ein. Irgendwann folgt der Umzug, das Niederlassen in Nänikon, wo er nunmehr seit rund 30 Jahren zu Hause ist. Schmid sagt: «Ich fühle mich als Näniker und damit auch als Ustermer.»

Und doch hat sich Schmid für den Zusammenschluss der Ustermer Aussenwachten Nänikon und Werrikon mit Greifensee eingesetzt, womit auch er irgendwann zum Greifenseer geworden wäre. Kein Widerspruch? «Nein, denn für mich ist das ganze nordöstlich am Greifensee gelegene Gebiet ein Ballungsgebiet, dem wir gemeinsam Sorge tragen müssen. Da Nänikon und Greifensee bereits zusammengewachsen sind, wäre ein Zusammenschluss ein erster Schritt für ein einfacheres Zusammenleben gewesen.»

Als verheirateter Vater zweier erwachsener Söhne beginnt seine politische Laufbahn zunächst hier in Nänikon. 2014 wird er als Parteiloser in die Schulpflege der Oberstufenschule Nänikon-Greifensee gewählt. «Ich kann nicht herumsitzen, ich muss etwas machen, mich einbringen, muss helfen und kann nicht Nein sagen. Das Schulumfeld fand ich eine spannende Alternative.» Vier Jahre später folgt der nächste Schritt. Schmid wird im zweiten Wahlgang mit einem hauchdünnen Vorsprung von lediglich acht Stimmen zum Präsidenten der Schulpflege gewählt – bevor er sich 2022 für einen Parteiwechsel zur SVP entscheidet, noch mit der ehemaligen CVP im Rücken.

Sich einsetzen für die Grenzbereinigung

So hat der Wirtschaftsinformatiker, der neben seinen Ämtern noch 100 Prozent bei der Sanitas Versicherung als Leiter Informationssicherheit (CISO) arbeitet, ab 2018 auch das wichtige Dossier der Grenzbereinigung zwischen der Oberstufenschule Nänikon-Greifensee und der Sekundarschule Uster auf dem Tisch. Denn das Oberstufenschulhaus Wüeri, das auf dem Boden der Politischen Gemeinde Uster steht, wird auch von Schülern aus Greifensee besucht.

Das kantonale Gemeindegesetz sieht allerdings vor, dass die Grenzen der Schulgemeinden mit denjenigen der Politischen Gemeinden übereinstimmen müssen. Nach Streitigkeiten bis vors Bundesgericht erfolgt Anfang dieses Jahrs endlich der Durchbruch, und Schmid kann gemeinsam mit seinem Kollegen Benno Scherrer (GLP), dem Präsidenten der Sekundarschule Uster, Pläne für die Grenzbereinigung sowie auch einen Zeitplan präsentieren.

Und so brütete Schmid im Sommer nicht nur über Richtplananträgen, sondern auch Verträgen für die neue schulische Zusammenarbeit.

Er steht für Ordnung und Struktur

«Ich schlafe momentan sicher etwas weniger als auch schon, vielleicht so fünf bis sechs Stunden», sagt Schmid. Aber zum Glück sei er noch körperlich absolut gesund, merke, wie ihm das Training aus seinem früheren Leben als Radquerfahrer oder auch der militärische Drill entgegenkämen.

Überhaupt habe ihn das Militär stark geprägt: Struktur, Ordnung, Klarheit, Direktheit seien Eigenschaften, die ihn auszeichneten. Das sagt auch Thomas Altenburger, der seit drei Jahren in der Schulpflege mit ihm zusammenarbeitet. «Ueli Schmid ist immer eins a organisiert und sehr strukturiert.» Überhaupt sei Schmid ein Pragmatiker, ein Macher, der sich auch nicht zu schade sei, selbst anzupacken. «Er kann fordernd sein, und sein militärischer Background ist sicher spürbar. Handkehrum kann man sich stets auf ihn verlassen», sagt der parteilose Vizepräsident der Schulpflege.

«Ueli Schmid will stets das Beste für die Menschen», sagt sein Parteipräsident Daniel Schnyder über ihn. Nur um gleich nachzuschieben: «Darüber vergisst er manchmal die strategischen Leitplanken.»

«Manchmal geht es nicht ohne Vorschriften»

Doch das Verb vergessen greift vielleicht zu kurz. «Mir geht es in der Politik um ein Geben und Nehmen, so bin ich aufgewachsen und erzogen worden», sagt Schmid. Wenn es in seiner Partei und der Fraktion einzelne Exponenten gebe, die sich partout gegen jeden Parkplatzabbau, gegen jeglichen günstigen Wohnraum, gegen alle Temporeduktionen wehrten, sei ihm das zu «engsichtig». «Die SVP ist eine Partei, die sich gegen überbordende Vorschriften wehrt. Aber manchmal geht es einfach nicht ohne.» Natürlich sei auch er aufs Auto angewiesen, wolle in der Stadt parkieren: «Nur helfen Parkplätze einfach nicht dabei, eine Stadt abzukühlen. Das tun nun einfach mal nur Bäume.»

Im Gespräch mit dem Vollblutpolitiker, der zwischendurch von sich immer wieder in der dritten Person als «der Schmid» spricht, wird deutlich, hier will jemand verkrustete Parteiideologien aufbrechen. «Ich bin nicht überall für Tempo 30, überhaupt nicht, der Verkehr auf den Hauptachsen muss in einer immer stärker wachsenden Stadt fliessen. Aber warum nicht dort das Tempo reduzieren, wo die Lärmbelastung wirklich zu hoch ist, wo viele Kinder unterwegs sind?»

Wieder und wieder betont Schmid: Er wolle für alle Ustermerinnen und Ustermer da sein. «Was ich am schulischen Umfeld so schätze, ist die Tatsache, dass die Partei hier völlig egal ist. Wir sind für die Kinder da. Und so sollte es meiner Meinung nach auch in der Politik sein.» Stichwort günstiger Wohnraum: Auch in der SVP gebe es Leute, die am Existenzminimum lebten und auf solchen angewiesen seien. «So wie es handkehrum auch in der SP Vermögende gibt.»

Dass er mit seiner Haltung und seinen Ansichten als Fraktionspräsident vielleicht anders ticke als sein Vorgänger, habe er durchaus schon gemerkt. Und so sagt auch Daniel Schnyder: «Er hat ein gesamtheitliches Denken für die Bevölkerung und entscheidet weniger parteipolitisch. Im Vergleich zu vorher ist er nun in einer grösseren Fraktion, in der verschiedene Charaktere zusammenkommen. Diese gilt es zusammenzuhalten und zu einem gemeinsam getragenen Entscheid hinzuführen.»

Der nicht vergessene Parteiwechsel

So ganz angekommen scheint Schmid also noch nicht. Was vielleicht auch kein Wunder ist. Denn noch zu Beginn seiner Zeit im Ustermer Gemeinderat, in den er 2020 nachrutscht, ist er Mitglied der Mitte-Partei. Bei der Erneuerungswahl 2022 verhilft er der ehemaligen CVP zu einem Sitzgewinn. Nur um ein halbes Jahr später zur SVP zu wechseln. Die Gründe blieben damals vage, die Kommunikation zweifelhaft und, wie Schmid im Rückblick sich eingestehen muss, alles andere als «geradeaus» – die Charaktereigenschaft, für die er eigentlich stehe.

Schmid, der sich im Sitzungszimmer des Schulhauses Wüeri an diese Episode zurückerinnert, macht deutlich: «Ja, ich habe damals Fehler gemacht, die ich heute so nicht mehr machen würde.» Bei den Gründen seines von aussen überraschenden Parteiwechsels, der vielen im Parlament noch immer in Erinnerung geblieben ist, will der 61-Jährige nach wie vor nicht ins Detail gehen. Deutlich wird, es ging um Wertschätzung, ums Anpacken, ums Kollegiale, um zwischenmenschliches Verhalten in einer schwierigen Lebensphase, als sein Vater gestorben war.

Stellt sich die Frage, ob jemand wie Schmid, der sagt, dass Politik wieder lokaler und weniger parteiideologisch werden müsse, überhaupt eine Partei braucht? Ein Stirnrunzeln, ein längeres Zögern und Nachdenken: «Diese Gedanken hatte ich mir durchaus auch schon gemacht.» Allerdings, um wirklich mitbestimmen und gestalten zu können, «muss man schon in einer Partei sein». Zumal er sich doch sehr gut aufgehoben fühle in der SVP: «Ein bisschen hemdsärmlig, unkompliziert, anpackend, geradeaus, Mut zur Lücke haben, ungleiche Meinungen diskutieren, danach ein Bierchen trinken. Das passt für mich.»

Und letztlich weiss man auch in der SVP, was man am eigenen Fraktionspräsidenten hat. «Ueli Schmid hat klare Vorstellungen, er weiss, was er will, und arbeitet stets auf ein Ziel hin», sagt Daniel Schnyder.

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