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Wirtschaft

Gartenbauer hält Einzug

Das halbe Aatal hat den Besitzer gewechselt

Einst gehörte fast das ganze Aatal nur einer Firma. Nun hat ein Ustermer Unternehmer den alten Dorfkern gekauft.

Alle Liegenschaften rechts von der Zürichstrasse durchs Aatal hat die Arealentwicklerin Hiag nun verkauft. Die Neue Spinnerei links von der Strasse sowie das ganze Areal beim Bahnhof will die Immobilienfirma aber behalten.

Archivfoto: Simon Grässle

Das halbe Aatal hat den Besitzer gewechselt

Gartenbauer hält Einzug

Vor vier Jahren erfolgte der erste Schritt, nun hat die Arealentwicklerin Hiag reihenweise weitere Liegenschaften im Aatal verkauft.

Wer mit dem Auto durchs Aatal fährt, der dürfte den meisten Gebäuden links und rechts kaum Beachtung schenken. Es wechseln sich alte Industriegebäude aus der längst vergessenen Hochzeit der Spinnereien und Wohnhäuser in losen Abständen ab. Was nur die wenigsten wissen dürften: Die meisten Liegenschaften hier gehören – oder vielmehr gehörten bis vor Kurzem – vor allem einer Firma: der Hiag.

Verkäufe in Wetzikon und Seegräben

2010 hatte sie die Liegenschaften der einstigen Spinnerei Streiff AG übernommen. Dazu gehörten die meisten Fabriken und Häuser im Aatal (in der Grafik rot eingezeichnet). Doch das Grossunternehmen mit einem Immobilienportfolio von über zwei Milliarden Franken schweizweit hatte längerfristig an einem guten Teil seines Besitzes in Seegräben und Wetzikon wenig Interesse.

Als Erstes stiess die Hiag 2021 die unter Schutz stehende ehemalige Arbeitersiedlung in Unteraathal (Nummer 1 in der Grafik) an die Zürcher Baugenossenschaft Frohheim ab. Das insgesamt 75’408 Quadratmeter grosse Grundstück wechselte für 13,15 Millionen Franken den Besitzer.

2024 folgten weitere Häuser in Aathal und in Wetzikon. Dazu gehörten Liegenschaften in den Weierwiesen und der Cherschiben (Nummer 10) zwischen Aathal und Wetzikon sowie an der Halden- und der Usterstrasse in Wetzikon. Dort verkaufte die Hiag auch die 1378 erstmals urkundlich erwähnte Stegenmühle. Erst vor wenigen Jahren hatte die Immobilienfirma die neun Wohnungen in diesem historischen Gebäude saniert.

Alles in allem löste die Arealentwicklerin für diese Tranche rund 24 Millionen Franken aus den Verkäufen an Private und andere Immobilienfirmen. Das lag «deutlich über den letzten bilanzierten Werten», wie die Firma in ihrem Geschäftsbericht 2024 festhält.   

«Im Rahmen unserer Portfoliostrategie konzentrieren wir uns auf Standorte mit langfristigem Entwicklungspotenzial. Dazu gehört auch, dass wir uns in einzelnen Fällen von kleineren Liegenschaften trennen, bei denen keine weiterführende Wertschöpfung absehbar ist», erklärt auf Anfrage Mediensprecherin Laura Roth das Vorgehen der Hiag.   

Doch damit ist noch nicht Schluss gewesen. Im ersten Halbjahr 2025 stiess die Hiag auch noch den ehemaligen Bauernhof (Nummer 4) in Aathal, diverse Häuser an der Aretshaldenstrasse (Nummer 6) – von Hiag-CEO Marco Feusi als «Lebkuchenhäuschen» bezeichnet –, das einstige Mädchenheim (Nummer 8) samt Bewirtschafterhaus (Nummer 7) sowie die ehemalige Spinnerei Flos (Nummer 11) eingangs Wetzikons ab. Noch Mitte 2024 wollte der CEO eigentlich diese Immobilien im Bestand halten. Allerdings braucht die Firma auch Geld, um die grossen Investitionen in der ganzen Schweiz mitzufinanzieren. So kamen hier nochmals über 13 Millionen Franken zusammen. Damit liegt der Bruttogewinn über 25 Prozent.     

Wie es weitergeht

Nach Abschluss der letzten «Bereinigungen» im Portfolio wird die Hiag damit in Aathal nur noch die Liegenschaften südlich der Zürichstrasse besitzen. Neben den noch unbebauten Flächen beim Bahnhof Aathal ist dies vor allem die einstige Spinnerei.

Neue Spinnerei wieder mit Restaurant

«Es ist geplant, dass die Hiag mit der Bestandsliegenschaft Neue Spinnerei Aathal treu bleibt», hält Roth fest. Im grossen Komplex (Nummer 3) sind unter anderem die Discounter Otto’s und Migros Outlet eingemietet.

Nach einem Jahr Unterbruch soll auch wieder Leben in das seit letztem Oktober geschlossene Restaurant kommen. «Es wird wieder einen Gastronomen geben, der ein Restaurant mit einem feinen Steak-Angebot betreiben wird», schwärmt Roth.

Szenarien für Talwis-Areal

Noch nicht klar ist, wie es beim Bahnhof Aathal auf dem Areal Talwis (Nummer 2) weitergeht. Nach mehreren gescheiterten Anläufen für eine Grossüberbauung, die reine Gewerbe- und Verkaufsnutzungen vorsahen, werden nun verschiedene Nutzungsszenarien geprüft, die im Rahmen des bewilligten Gestaltungsplans dort möglich sind. Wohnungen werden dabei auch erwogen.

Die Hiag begrüsst jedenfalls die geplante Fussgänger- und Velobrücke übers Tal samt Liftanschluss zum Bahnhof. Sollte die Bevölkerung diesem Projekt zustimmen, «wird die Hiag zu gegebener Zeit über einen allfälligen Beitrag diskutieren». Dabei müsse «ebenso ein Mehrwert für die Liegenschaften der Hiag resultieren», schiebt Roth nach.

Erneuter Anlauf im Wetziker Flos

Endlich vorwärtsgehen wird es nach dem Besitzerwechsel auch mit der Sanierung der einstigen Spinnerei Flos (Nummer 11). Schon Ende 2021 hatte die Hiag angekündigt, dass das unter Schutz stehende Fabrikensemble aufgemöbelt werden soll. Doch dazu ist es nicht gekommen. Stattdessen haben die neuen Besitzer im Juli ein Baugesuch eingereicht. Die historische Baute gehört jetzt der Flos AG, hinter der wiederum die Eigentümer der Gossauer Moser Holzbau AG stehen.

Ansicht des Fabrikensembles Floos ausgangs Wetzikons an der Zürcherstrasse.
Das Fabrikensemble Flos ausgangs Wetzikons an der Zürcherstrasse wird nun von den neuen Eigentümern saniert.

Im Ensemble soll es künftig noch sechs zusätzliche Wohnungen geben. Diese werden anstelle von Ateliers errichtet. Geheizt werden soll künftig über Fernwärme. Und zudem soll die Zahl der Parkplätze auf fast 100 verdoppelt werden.

Neue Verwendung für einstigen Bauernhof

Änderungen wird der Besitzerwechsel auch in Aathal bringen. Bis auf die ehemalige Mühle (Nummer 5), die an einen Privaten verkauft worden ist, und das sich schon lange in Privatbesitz befindende Wohnhaus der Familie Streiff (Nummer 9) hat Oliver Egli alles nördlich der Zürichstrasse erworben. «Über einen Makler bin ich auf das ganze Areal aufmerksam gemacht geworden», erklärt der Eigentümer des Ustermer Unternehmens Egli Gartenbau AG. «Das eigentliche Filetstück sind für mich die 4500 Quadratmeter des einstigen Bauernhofs.»

Zum Areal gehören auch die Parkplätze zur Zürichstrasse hin, die alte Scheune und ein grosser Stall. «Auf diesem Gelände kann ich eine weitere Aussenstelle meiner Gartenbaufirma einrichten», hält Egli fest. Der Werkhof samt Baumschule an der Sulzbacherstrasse bei der Ustermer Aussenwacht Sulzbach kommt platzmässig an den Anschlag. Zudem muss er einen zugemieteten Lagerplatz in Bubikon auf Mitte 2026 verlassen.

Wohnhäuser mittelfristig für Firmenangestellte

Das einstige Bauernhaus (Nummer 4) in Aathal ist seit vergangenem Jahr an die Stadt Wetzikon vermietet. Sie hat darin Asylbewerber untergebracht. Dieser Vertrag läuft noch bis Ende 2028. Mit dem Kauf von halb Aathal sieht Egli aber noch einen weiteren Synergieeffekt für seine Firma. So könne er mittelfristig in diesem Bauernhaus wie auch in den weiteren Häuschen (Nummer 6) an der Aretshaldenstrasse Firmenangestellte unterbringen. Von den 140 Beschäftigten seiner Firma seien viele auf günstigen Wohnraum angewiesen.

«Zum Beispiel auf die Häuschen wären meine Leute sicher scharf.» Denn sie könnten die Gebäude als Handwerker gut selbst unterhalten. Die jetzigen Mieter sollen aber vorerst in diesen Häusern bleiben. Den laufenden Unterhalt könne er problemlos mit Angestellten sicherstellen. «Dadurch wird alles günstiger, und ich muss die Arbeiten nicht teuer an auswärtige Firmen delegieren», meint Egli.

Einstiges Bewirtschafterhaus bleibt Gartenvilla

Die Gartenvilla samt dem einstigen Bewirtschafterhaus (Nummer 7) werde weiterhin an seinen Cousin vermietet bleiben. Sein Onkel Ueli Egli und dessen beiden Söhne, die eine Gartenbaufirma in Rapperswil-Jona betreiben, haben 2014 den Garten des ehemaligen Wohnhauses in eine Ausstellung umgestaltet. Dieses Gelände ist für Oliver Egli eigentlich nur Beifang.

Im ehemaligen Mädchenheim wird wieder gewohnt

Auch das optisch prägnanteste Gebäude, das sogenannte Mädchenheim (Nummer 8), kam erst ganz zum Schluss auf Oliver Eglis Einkaufsliste. Das hohe, quer im Tal liegende Fabrikgebäude diente lange als Spinnerei. 1946 wurde es zur Unterkunft für junge Spinnereiangestellte umgebaut. Zudem kam dort die Firmenkantine zu liegen.     

Heute wohnt im obersten Stock weiterhin eine Künstlergemeinschaft, darunter einige Filmemacher. «Mit diesen habe ich soeben den Mietvertrag verlängert», sagt der neue Besitzer. Der zweite Stock ist an die Gemeinde Seegräben vermietet, die dort Asylbewerber – vor allem Ukrainerinnen – untergebracht hat. Der dritte Stock wurde vor Kurzem noch von der Hiag im Rohbau umgebaut. Dort hat Egli nun Einzelzimmer eingerichtet, die alle bereits vermietet sind.

Einzig die Zukunft des Parterres mit Küche und zwei Sälen ist noch offen. Er habe verschiedene Ideen, doch einige habe er bereits aufgeben müssen. So sei eine Umnutzung für Wohnen nicht möglich, da insbesondere der grosse Saal zu lärmbelastet sei. «Dort wieder ein Restaurant einzurichten, scheint mir wenig erfolgversprechend. Ein rentabler Betrieb gelang auch in der Vergangenheit nicht.» Auch das Restaurant gegenüber im Hiag-Gebäude habe ja schliessen müssen.  

Da abgesehen vom Parterre im Mädchenheim alle seiner neuen Liegenschaften vermietet seien, seien die laufenden Einnahmen garantiert. «So muss ich auch keine Schnellschüsse bei den Investitionen machen.» Grundsätzlich sei er bereit, so viel Geld zu investieren, wie es brauche, «um etwas Schlaues» zu machen. Das könnten zusammen mit Investoren auch bis zu 50 Millionen Franken sein. «Ich habe sehr gerne schöne, gepflegte Sachen. Das Quartier soll langfristig verschönert werden», betont Egli. Das sei schon bei seinen anderen Liegenschaften der Fall.

Baugesuche für erste Etappe auf dem Wetziker Schönau-Areal

Eigentlich wollte die Hiag im Herbst 2024 die Baugesuche für die erste Etappe auf dem Schönau-Areal in Wetzikon einreichen. Nun sollte dieser Schritt in diesem Herbst erfolgen, wie Hiag-Sprecherin Laura Roth festhält. Vorgesehen sind rund 80 Wohnungen zur Miete und im Stockwerkeigentum. «Sofern der Zeitplan eingehalten wird, sollten die Bauarbeiten frühestens Anfang 2026 beginnen.»

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