Baugenossenschaft hat im Aatal übernommen
«S chli Aargau», so hiess die Arbeitersiedlung in Unter-Aathal vor rund 150 Jahren. Nach der Übernahme der Spinnerei durch die Firma Heinrich Kunz (Erben) 1873 kamen viele Arbeiterfamilien aus dem Aargau ins enge Aatal und bezogen in den Kosthäusern gegenüber der Fabrik Quartier. Dort wohnen durfte nur, wer auch in der Spinnerei vis-à-vis beschäftigt war.
Über 75’000 Quadratmeter
Viele Aargauer dürften zwar längst nicht mehr in den fünf Mehrfamilienhäusern sowie der ehemaligen, 1861 erstellten Fabrikantenvilla zuhause sein. In der Villa ist seit längerem die Firma Siber + Siber mit ihrer Mineraliensammlung eingemietet. Doch seit kurzem haben die heutigen Bewohner einen neuen Vermieter.

Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt haben die Mitglieder der Baugenossenschaft Frohheim Zürich mit einem Mehr von rund 80 Prozent dem Kauf der unter Denkmalschutz stehenden Liegenschaften samt Nebengebäuden, Umschwung und viel Wald zugestimmt. Das insgesamt 75’408 Quadratmeter grosse Grundstück hat für 13,15 Millionen Franken den Besitzer gewechselt.
Nicht strategische Liegenschaften
Verkäuferin ist die Arealentwicklerin Hiag, die vor elf Jahren diese Häuser wie auch fast das gesamte Aatal von der Spinnerei Streiff übernommen hatte. «Das ist für uns der beste Käufer», meint Béatrice Gollong, Leiterin Transaktionen bei der Hiag. Einerseits bewirtschafte die Baugenossenschaft Frohheim die Liegenschaften sehr nachhaltig und verantwortungsvoll weiter, andererseits sei die ganze Abwicklung reibungslos und zu fairen Konditionen verlaufen.

Die Hiag, die schweizweit ein Immobilienportfolio im Gesamtwert von 1,8 Milliarden Franken mit einer Gesamtfläche von 2,7 Millionen Quadratmeter bewirtschaftet, hat sich in den letzten Monaten von nicht strategischen Immobilien im Wert von rund 60 Millionen Franken getrennt. Mit dem Verkauf der Liegenschaften in Aigle, Basel, Biberist, Bremgarten und im Aatal sei bereits ein Grossteil des bis Ende 2022 geplanten Devestitionsvolumens realisiert.
Liquidität für Investitionen
Die neuen Mittel würden die Flexibilität und die unternehmerische Schlagkraft der Hiag stärken, meint Gollong. Nun könne in der Region der Fokus auf Investitionen gelegt werden. Solche stehen auf dem Areal Talwis beim Bahnhof Aathal sowie in den beiden Wetziker Komplexen Floos und Schönau (siehe nebenstehende Artikel) an.

Neben den Häusern in Unter-Aathal, zu denen auch die ehemalige Gasfabrik und erste Turnhalle Seegräbens gehört hat die Hiag auch das sogenannte Felsenhaus verkauft. Dieses Wohnhaus war 1880 von der Firma Heinrich Kunz in den Hang gebaut worden. «Letztlich ist das alles aber nur ein kleiner Teil unserer Immobilien in der Region gewesen. Wir haben nur eine Bereinigung innerhalb des gesamten Portfolios vorgenommen», unterstreicht Gollong. Der Standort Aathal gewinne für die Hiag mit den geplanten «substanziellen Investitionen» sogar noch an Bedeutung.
Stadtzürcher Genossenschaft
Für die neue Besitzerin bringt der Zukauf einen neuen Aussenposten ausserhalb der Stadt Zürich. Die Baugenossenschaft Frohheim Zürich ist eine gemeinnützige Institution, die in der Stadt Zürich und deren Agglomeration rund 1100 Wohnungen besitzt. In der Region verfügt sie auch über Siedlungen in Uster und Pfäffikon.

Die Genossenschaft hat sich zum Ziel gesetzt, «preis- und lebenswerten, umweltgerechten und auf zukünftige Bedürfnisse ausgerichteten Wohnraum ohne spekulative Hintergründe» zu schaffen und erhalten. In Aathal hätten sie nun Liegenschaften erworben, die in einem soliden Zustand seinen, halten die Verantwortlichen der Genossenschaft fest. «Die Wohnungen wurden gut unterhalten und sind teilweise renoviert.»
Zusätzliche Einnahmen für Gemeinde
Die Handänderung dürfte auch für die Gemeinde Seegräben einträglich sein. Zwar unterliegen genaue Angaben dem Steuergeheimnis. Doch im Finanz- und Aufgabenplan der Gemeinde findet sich fürs 2023 ein Hinweis. Aufgrund von «konkreten Grundlagen» seien dann ausserordentliche Grundstückgewinnsteuern zu erwarten. Statt der üblichen 180’000 Franken jährlich sind dann gleich 1,5 Millionen Franken vorgesehen. Nun könnte dieses Ereignis früher eingetreten sein.
Dieses Geld könnte helfen, den grossen Brückenschlag zwischen den Ortsteilen Sack und Dorf mitzufinanzieren. Für diesen sind im Investitionsprogramm zwischen 2023 und 2025 gut 3,4 Millionen Franken eingesetzt. Gesamthaft würde die Fussgänger- und Velobrücke zusammen mit dem Liftturm beim Bahnhof knapp 5 Millionen Franken kosten, wie vor zwei Jahren vorgerechnet worden war.
