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Politik

Bezirksrat übt scharfe Kritik

Schule Pfäffikon hat Lehrer nicht vor übergriffigen Eltern geschützt

Anstatt einen Lehrer von haltlosen Anschuldigungen von Eltern zu schützen, forcierte die Schule Pfäffikon seinen Abgang. Der Bezirksrat verurteilt die Vorgänge – und hat klare Empfehlungen.

Die Verantwortlichen der Schule Pfäffikon hätten Lehrer Daniel Brunner besser vor übergriffigen Eltern schützen müssen.

Fotos: Christian Merz/Simon Grässle

Schule Pfäffikon hat Lehrer nicht vor übergriffigen Eltern geschützt

Anstatt einen Lehrer vor haltlosen Anschuldigungen von renitenten Eltern zu schützen, forcierte die Schule Pfäffikon dessen Abgang. Der Bezirksrat verurteilt die Vorgänge scharf – und spricht klare Empfehlungen aus.

Es war eine folgenschwere E-Mail, verschickt um 22.49 Uhr: «Nach sorgfältiger Abwägung sind wir zum Schluss gekommen, dass die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dir und uns nicht mehr gegeben ist. Wir sehen uns deshalb gezwungen, das Arbeitsverhältnis mit dir aufzulösen.»

Geschrieben hat die E-Mail die Schulleiterin des Schulhauses Obermatt in Pfäffikon. Adressat: Lehrer Daniel Brunner, der eigentlich anders heisst. Er war zu diesem Zeitpunkt im Februar 2024 krankgeschrieben.

Der Grund: Der schwule Primarlehrer war ins Kreuzfeuer von wertkonservativen Eltern geraten. Sie deckten ihn mit Vorwürfen zu seinem Sexualkundeunterricht ein. Die Eltern wollten ihre Kinder gar nicht mehr in den Unterricht schicken, es kam zu tumultartigen Szenen im Schulhaus.

Die Anschuldigungen erwiesen sich als haltlos – den Rückhalt seiner Vorgesetzten verlor der Lehrer trotzdem. Brunner willigte schliesslich einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses in gegenseitigem Einvernehmen ein.

Bereits im Frühling 2024, kurz nachdem wir den Fall publik gemacht hatten, räumte die Schulpflege ein, dass das Vorgehen nicht korrekt war.

Die Schulpflege hielt zwar daran fest, dass die Homosexualität des Lehrers nicht in Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stand. In ihrer Aufarbeitung kam die Behörde jedoch zum Schluss, dass die Verantwortlichen ihre Kompetenzen überschritten hatten.

So erfolgte die E-Mail während der Krankschreibung, dem Lehrer wurde kein rechtliches Gehör gewährt, und die Zuständigkeitsvorschriften wurden missachtet, da die Schulpflege nicht involviert war. Ausserdem war es falsch, die Lehrerkollegen und die Eltern im Anschluss über den Abgang des Lehrers zu informieren – ohne dessen Einverständnis.

Kein Fehlverhalten der Lehrperson

Nun hat sich auch der Bezirksrat Pfäffikon im Rahmen einer Aufsichtsbeschwerde mit den Vorfällen in der Schule Pfäffikon auseinandergesetzt – und geht mit der Schule hart ins Gericht. Er kommt zum Schluss, dass bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses Hinweise auf klare Rechtsverletzungen vorliegen. Ebenso ortet er darin eine Gefährdung der ordnungsgemässen Führungs- und Verwaltungstätigkeit der Schule.

Es herrschte laut Bezirksrat Unkenntnis über rechtliche Vorgaben und personalrechtliche Vorgänge. «Die Krise ist entstanden, weil man zu wenig transparent war und Kommunikationsdefizite hatte», hält Bezirksratspräsident Erkan Metschli-Roth (GLP) fest. «Sie ist nicht entstanden durch Fehlverhalten der Lehrperson.»

Für ihn steht fest: Die Schulführung ist vor dem Druck der Eltern eingeknickt. «Die Schule hätte sich vor den Lehrer stellen und keinen Millimeter vom Lehrplan 21 und von der inklusiven Bildung abweichen sollen.» Die Verantwortlichen haben damit ihre Fürsorgepflicht als Arbeitgeber verletzt – was der Bezirksrat nun rügt.

Schule hätte gegen Eltern vorgehen müssen

Metschli-Roth kritisiert dabei, wie die Schule mit den Eltern umgegangen ist. Sie sei zu konziliant gewesen, habe zu lange den Dialog gesucht. «In diesem Fall war das die falsche Methode.» Für ihn ist klar, dass man in diesem Fall hätte den juristischen Weg beschreiten und die Eltern anzeigen sollen.

Denn Eltern haben nicht das Recht, ihr Kind nicht in die Schule zu schicken, und können auch nicht einfach den Sexualkundeunterricht boykottieren. Die Schulpflicht gilt auch hier.

Die Aussage von Metschli-Roth über Konsequenzen für die renitenten Eltern kommt überraschend. Denn die Schulpflege stellte sich bisher auf den Standpunkt, dass der Bezirksrat beziehungsweise der Statthalter der Schule von einer Anzeige gegen die Eltern abgeraten hatte.

Brisant: Einen Ratschlag, sich auf den Dialog mit den Eltern zu konzentrieren und auf rechtliche Schritte zu verzichten, hat es laut Metschli-Roth nie gegeben – weder von ihm noch von den zuständigen Amtsstellen. Eine Nachfrage zu diesem Widerspruch lässt Schulpräsidentin Nicole Keller (FDP) unbeantwortet.

Bezirksrat entlastet Hugentobler

Obwohl der Bezirksrat das Vorgehen der Schule rügt, kommt auch er zum Schluss: Die Homosexualität des Lehrers war nicht die Motivation für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses «Die Verantwortlichen der Schule sind weder homophob noch xenophob», hält Metschli-Roth fest. «Sie haben aber auf die falsche Methodik gesetzt.»

Dabei nimmt der Bezirksratspräsident auch den ehemaligen Schulpräsidenten Hanspeter Hugentobler (EVP) in Schutz. Dieser habe sich auf die Seite des Rechts gestellt. Der Fehler sei in der operativen Ebene geschehen – nicht in der politischen.

Für die Schulpflege wogen die begangenen Fehler ihrer Mitarbeitenden offenbar nicht schwer genug, um personelle Konsequenzen zu ziehen. Sie nahm die Verantwortlichen gar in Schutz. Die Fehler seien in einer Drucksituation entstanden, mit dem Ziel, eine öffentliche Eskalation zu verhindern.

Die Frage, ob die Schulpflege nach der Rüge des Bezirksrats weiterhin keine personellen Konsequenzen zieht, lässt Schulpräsidentin Nicole Keller unbeantwortet. «Wir können aus rechtlichen Gründen keine Auskunft zu personellen Fragen geben, weil sonst Persönlichkeitsrechte verletzt werden.»

Konsequenzen zog als einziger Kellers Vorgänger Hanspeter Hugentobler. Nach grossem öffentlichem Druck trat er im Mai vergangenen Jahrs zurück – offiziell aus gesundheitlichen Gründen.

«Darf und sollte es nie geben»

Noch vor seinem Rücktritt kündigte Hugentobler eine Aufarbeitung der Vorkommnisse im Schulhaus Obermatt an. Im vergangenen Sommer veröffentlichte die Schulpflege eine Zusammenfassung der internen Aufarbeitung. Dieser Bericht enthält Empfehlungen, wie die Schule künftig schwierigen Situationen begegnen will.

Für den Bezirksrat sind die vorgeschlagenen Massnahmen «adäquat und zielführend». Er verlangt von der Schule jedoch, ihn über die Umsetzung zu informieren, bis Ende Oktober muss ein Bericht vorliegen.

Zu den vorgeschlagenen Massnahmen gehören beispielsweise eine Schulung über Abläufe bei personalrechtlichen Fällen oder die Ausarbeitung eines Konzepts über den Umgang mit schwierigen Eltern.

«Es muss klar sein, wer was macht. Man darf nicht aneinander vorbeireden», sagt Metschli-Roth. Ebenso empfiehlt der Bezirksratspräsident, schneller und entschiedener den rechtlichen Weg gegen fehlbare Eltern zu beschreiten.

Über den Stand der Dinge nimmt Schulpräsidentin Keller zurzeit nur zurückhaltend Stellung. Bis im Herbst sollen «Überprüfung und Dokumentation der personalrechtlichen Kernprozesse» abgeschlossen sein.

Ebenso hat die Schule ein Projekt lanciert, das die Belastung des Schulpersonals in Druck- und Konfliktsituationen bei der Zusammenarbeit mit den Eltern entschärfen soll. Dazu werden im laufenden Schuljahr verschiedene Massnahmen umgesetzt – da dieses Projekt noch andauert, kann Keller noch nicht konkreter Auskunft geben. Die Schulpflege wird den Bezirksrat Ende Oktober über den Stand der Dinge informieren.

Dem Bezirksratspräsidenten – der übrigens selbst das Schulhaus Obermatt besuchte – ist es ein grosses Anliegen, dass dort wieder «konstruktive Ruhe» einkehrt. «Die Vorgänge im Schulhaus Obermatt darf und sollte es nie geben.»

Diesem Wunsch nach Ruhe schliesst sich auch die Schulpflege an: Sie ist laut einer Mitteilung überzeugt, dass die eingeleiteten Massnahmen dazu beitragen, das Vertrauen der Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie der Öffentlichkeit zu stärken.

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