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Gesellschaft

Die Schulpflege Pfäffikon räumt Fehler ein – und weicht Fragen aus

Nach dem Eklat rund um den Abgang eines schwulen Lehrers legt die Pfäffiker Schulpflege die Karten auf den Tisch.

Die Geschehnisse im Schulhaus Obermatt haben die Pfäffiker Bevölkerung in den letzten Monaten intensiv beschäftigt.

Foto: Simon Grässle

Die Schulpflege Pfäffikon räumt Fehler ein – und weicht Fragen aus

Forcierter Abgang eines schwulen Lehrers

Die Schulpflege Pfäffikon räumt in ihrem Abschlussbericht zum Fall Obermatt konkrete Fehler ein. Bei darüber hinausgehenden Fragen bleibt sie indessen Antworten schuldig.

Er war lange erwartet worden, nun liegt er in einer Zusammenfassung vor: der Abklärungsbericht der Schulpflege zur Aufarbeitung der Vorgänge rund um die Trennung von einem homosexuellen Lehrer im Pfäffiker Primarschulhaus Obermatt.

Dieser war von Eltern, die sich an seiner Sexualität störten, mit schweren Vorwürfen zu seinem Sexualkundeunterricht eingedeckt worden, die sich schnell als haltlos erwiesen. Nachdem die Schulleitung ihm zunächst noch den Rücken gestärkt hatte, forcierte sie, als die Situation immer weiter eskalierte, seinen Abgang.

Bereits an der Gemeindeversammlung vom 10. Juni hatte die Schulpflege viele Details zu diesem öffentlichkeitswirksamen Fall preisgegeben. Der finale Bericht enthält nun zwar Neuigkeiten in der Form von vorgeschlagenen Massnahmen zur Vermeidung künftiger Fälle. Doch bezüglich des konkreten Falls ist der Erkenntnisgewinn aus dem Dokument eher überschaubar.

Eine verfahrene Situation

Noch einmal ist von der verfahrenen Situation zu lesen, in der die Schulführung steckte. Wie sich der Druck durch die verschiedenen Gruppen kurz vor den Frühlingsferien kumulierte: die Eltern, die den Sexualkundeunterricht ablehnten, die Eltern, die den Lehrer unterstützten, und den Lehrkörper, der schliesslich ultimativ den Support seines Kollegen einforderte.

Wie sich so der zeitliche Druck aufbaute, der die Schulführung dazu zwang, zu entscheiden, weil sie eine Lösung für die Zeit nach den Sportferien finden musste. Und wie sie sich dabei von Kommunikationsagenturen, Anwälten und dem Volksschulamt Rat einholte.

Weiter wird auch der Umstand ins Feld geführt, dass die erst vor zwei Jahren eingeführte Führungsstruktur offenbar dazu führte, dass nicht klar war, welche Kompetenzen welche Gremien genau haben. Und dass die Klassenkonstellationen wegen verhaltensauffälliger Schüler und anspruchsvoller Eltern komplizierter werden, während gleichzeitig Querversetzungen in andere Klassen oft umstritten sind.

Tatsächlich wird der Verfahrensfehler der Schulführung, der bei diesem Fall schnell einmal im Fokus stand, minutiös erklärt: von den Details der Entscheidungsfindungen bis hin zu den Gründen zur widersprüchlichen Kommunikation im Nachgang.

Der Verfahrensfehler im Detail

So lässt sich herausschälen, dass der Leiter Bildung, Matthias Weckemann, und die Schulleiterin am 12. Februar an einer Sitzung mit einer Kommunikationsagentur zum Schluss kamen, dass man sich vom Lehrer einvernehmlich trennen will. Im Rahmen einer Kommunikationsplanung hat man ihm das noch am Abend per E-Mail mittgeteilt.

Dies, obschon ihnen am selben Tag das Volksschulamt und die Rechtsanwaltskanzlei Rudin Cantieni davon abgeraten hatten. Obschon der Lehrer krankgeschrieben war. Und obschon der inzwischen zurückgetretene Schulpräsident Hanspeter Hugentobler (EVP) nicht darüber im Bilde war.

Damit verletzten sie das rechtliche Gehör des Lehrers und missachteten Zuständigkeits- und Formvorschriften. Auch erfolgte die Information gegenüber dem Lehrerteam und der Elternschaft kurz darauf und ohne Rücksprache mit der Lehrperson.

Dies alles geschah letztlich auf der grundlegenden Einschätzung, dass man die Trennung als einzige Möglichkeit gesehen hatte, um die Situation zu klären. Was wiederum bedeutet, dass der Lehrer, gegen den nichts vorliegt, seinen Platz räumen musste und die querulanten Eltern faktisch ihr Ziel erreicht hatten.

Weiterführende Fragen bleiben unbeantwortet

Doch war das wirklich die einzige Lösung? Und ist sie akzeptabel? Schulvizepräsident Roger Klos (SVP), der am Tag der Veröffentlichung des Berichts unsere Fragen schriftlich beantwortete, ging darauf nicht ein.

Weiter stellt sich die Frage, ob der Verfahrensfehler angesichts des Reputations-, Vertrauens- und finanziellen Schadens nicht schwer genug wiegt, um personelle Konsequenzen in Betracht zu ziehen. Darauf geht die Schulpflege ebenfalls nicht ein.

Was die Homosexualität des Lehrers angeht, kommt der Bericht derweil zum Schluss, dass sie bei der Trennung keine Rolle gespielt habe. Doch kann die Sexualität des Lehrers als Triebfeder des Konflikts ausgeblendet werden?

«Zum immer noch vereinzelt geäusserten Vorwurf der Homophobie ist es uns sehr wichtig, nochmals in aller Deutlichkeit zu betonen, dass die Abklärung klar gezeigt hat, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nichts mit der Homosexualität der Lehrperson zu tun hatte», schreibt Klos.

Auch Fragen zum Signal, das eine solche Entscheidung aussendet, zum Stand des Vertrauens bei Eltern und Lehrpersonen oder zum weiteren Vorgehen bezüglich kritischer Eltern, die den Rücktritt der Verantwortlichen fordern, bleiben offen.

Generell bezieht sich die Schulpflege bei ihrer Stellungnahme auf den Inhalt des Berichts. Sie gesteht aufgrund dessen konkrete Fehler im Verfahren ein und ortet Verbesserungsbedarf (siehe Box). Zum Schluss verspricht Klos: «Die Schulpflege nimmt diesen Bericht ernst und wird Massnahmen beschliessen.»

Der Bericht und seine Implikationen für die Zukunft

Der Aufarbeitungsbericht, der vom Schulpflegemitglied Guido Santner (Grüne) als Abklärungsleiter und von einer Juristin der Anwaltskanzlei Rudin Cantieni begleitet wurde, beleuchtet nicht nur den aktuellen Fall. Er ortet auf dessen Basis Verbesserungsbedarf in zehn Themenbereichen und äussert diese in Fragen, Empfehlungen und Learnings.

1. Druck von Eltern

Wie können Lehrpersonen und Schulleitungen vom Druck entlastet und die Eltern gleichzeitig ernst genommen werden? Allenfalls mit Schulungen, Weiterbildungen und einem gemeinsam erarbeiteten Konzept zum Umgang mit schwierigen Situationen im schulischen Alltag?

2. Druck von Interessengruppen

Wie kann die Schule internem und externem Druck besser standhalten, sodass nichts unüberlegt und überhastet entschieden wird? Möglicherweise, indem gemeinsame Prozessabläufe für heikle Personalgeschäfte erarbeitet werden?

3. Zeitdruck innerhalb der Schule

Wie kann sichergestellt werden, dass sich die Schule genügend Zeit freischaufeln kann, um Probleme zu lösen?

4. Kommunikation

Bei einer Krise muss die Kommunikation sorgfältig und konsistent aufgebaut sowie mit allen Interessengruppen gepflegt werden.

5. Korrekte Abläufe bei personalrechtlichen Fällen

Es braucht klare Prozesse, Abläufe und Checklisten, damit jede Führungsperson weiss, welche Kompetenzen sie hat und welche Rolle sie einnehmen soll. Die Kompetenz zur Kündigung liegt bei der Schulpflege, und unter Umständen muss auch das Volksschulamt beigezogen werden.

6. Externe Berater

Es gilt klar abzugrenzen: Rechtsanwälte sollen nur im juristischen Bereich und Kommunikationsberater nur bei der Kommunikation Unterstützung bieten. Die Kommunikationsseite bringt Lösungen, die juristische Seite stellt sicher, dass alles korrekt abläuft. Bewegen sich die Berater ausserhalb ihres Spezialgebiets, muss dies vorsichtig angeschaut werden.

7. Feedback-Kultur

Feedback nicht nur von oben nach unten, sondern 360 Grad unter allen Beteiligten der Schule: Eltern, Kinder, Lehrpersonen, Schulleitungen, Schulpflege.

8. Kultur auf Leitungsebene

Nach der Einführung einer neuen Struktur mit einem Leiter Bildung vor zwei Jahren fehlt die Kultur der Zusammenarbeit. Wer diskutiert was mit wem? Klare Abgrenzungen und Kompetenzbereiche finden.

9. Kumulation von Ressorts beim Schulpflegepräsidium

Aktuell liegt die Verantwortung sowohl fürs Personal als auch für die Kommunikation beim Schulpräsidium. Die Zuteilung unter den Schulpflegemitgliedern sollte überprüft werden.

10. Kontakt der Schulpflege zu den Schuleinheiten

Bis vor zwei Jahren war jeder Schuleinheit ein Mitglied der Schulpflege zugeordnet, jetzt nicht mehr. So fehlt in Krisen das Vertrauensverhältnis. Dies könnte man wieder etablieren.

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