Das emotionale Ringen um Stimmen an der Gläubigerversammlung des GZO
Forsch, direkt oder respektlos?
An der Gläubigerversammlung des GZO Spitals Wetzikon prallten die Welten der Mitarbeitenden und der Investoren aufeinander. Entsprechend geladen war die Stimmung: Das waren die entscheidenden Momente.
Was bleibt nach der Gläubigerversammlung des GZO Spitals Wetzikon? Es sind nicht nur Entscheide wie die Bestätigung der bisherigen Sachwalter oder die Einsetzung eines Ausschusses, der Ersteren zur Seite gestellt wird.
Vielmehr hallt der Ton einer hitzig, scharf und emotional geführten Debatte nach, die über mehrere Stunden andauerte. Ein Ton, der sich nicht leicht in Worte fassen und wiedergeben lässt. Zumal noch vor Sitzungsbeginn nichts darauf hingedeutet hatte.
Spital oder Profit?
Gegen 13 Uhr trudeln die Gläubiger langsam beim Stadthofsaal Uster ein. Darunter auszumachen sind Mitarbeitende, Lieferanten, Zuweiser, Vertreter der Aktionärsgemeinden, Finanz- und Anleihegläubiger.
Zu Letzteren gehört auch Gregor Greber, der Teil der GZO Creditor Group ist. Eine lautstarke Gruppe, die über das vergangene Jahr regelmässig mit eigenen Vorstellungen, wie das Spital gerettet werden müsste, in Erscheinung getreten ist. Der Investor zeigt sich vor der Versammlung noch hoffnungsvoll, dass die «richtigen Entscheide» getroffen werden.
Hintergrund ist das Sanierungskonzept, welches nicht den Vorstellungen dieser Gläubiger entspricht. Neben einer Aktienkapitalerhöhung von 50 Millionen Franken durch die Gemeinden ist ihnen besonders der Schuldenschnitt ein Dorn im Auge. Denn die Gläubiger müssten nach aktuellem Stand auf bis zu 70 Prozent des Geldes verzichten – zu viel für die GZO Creditor Group.
Am Montagnachmittag äussern sich andere Gläubiger differenzierter. «Das Spital soll überleben und der Betrieb langfristig funktionieren», sagt ein Vermögensverwalter, der gleich mehrere Gläubiger vertritt. Selbstverständlich hoffe er ebenso, dass mehr Geld zurückfliessen werde.
Der Investor, der ignoriert und spricht
Die Gespräche im Vorfeld wirken noch gelassen. Doch der Schein trügt. Kaum eröffnet Sachwalterin Brigitte Umbach-Spahn nach 14 Uhr die Versammlung, entfacht sich ein Pingpong an Emotionen. Eigentlich wollte Umbach-Spahn Schritt für Schritt durch die formalen Elemente der Versammlung führen, da meldet sich prompt Gregor Greber zu Wort.
Die Sachwalterin greift ein, bittet ihn, sich wieder hinzusetzen. Die Debatte sollte erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Der Investor ignoriert die Aufforderung, spricht ungeniert weiter. Umbach-Spahn erhält durch Zurufe aus dem Publikum Unterstützung. Greber bleibt hartnäckig, versucht dennoch, sein Anliegen zu platzieren. Widerwillig nimmt er nach mehreren Redeversuchen trotzdem Platz. Der Ton für die restlichen Stunden ist gesetzt.
Ruhe kehrt keine ein. Als es darum geht, ob die Medien der Versammlung beiwohnen dürfen, einigen sich die Gläubiger auf eine Bedingung: Ihre Namen dürfen – falls gewünscht – nicht veröffentlicht werden.
Dann ergreift Matthias Courvoisier mit scharfem Unterton das Wort. Er ist Rechtsanwalt bei der Anwaltskanzlei Baker McKenzie – einer der grössten Kanzleien weltweit, mit mehr als 4700 Rechtsanwälten in 74 Büros und einem globalen Umsatz von 2,9 Milliarden US-Dollar. Courvoisier vertritt den Investmentfonds Clearway Capital.
Auch dessen CEO Gianluca Ferrari ist selbst vor Ort. Eine Überraschung. Allerdings wird er sich die ganze Zeit nicht zu Wort melden, sondern lässt den Anwalt für sich sprechen: «Ich habe Sie nicht schreiben sehen. Ich bitte Sie, das ins Protokoll aufzunehmen. Das ist wichtig.» Es ist nicht das letzte Mal, dass Vertreter der Anleihegläubiger diese Forderung platzieren.
50 Millionen Franken – «ein Witz»
Nach umfassenden Informationen zur aktuellen Situation nutzt Greber die Gunst der Stunde, um sein Plädoyer zu vollenden. Er äussert Kritik am Sanierungskonzept und am Schuldenschnitt, an der Arbeit der Verantwortlichen und den Aktionärsgemeinden. Letzteren wirft er vor, sich am Spital bereichern zu wollen und die Gläubiger abzuservieren. Für die Rede erntet Greber aus seinen Reihen Applaus.
Der Wetziker Stadtpräsident Pascal Bassu (SP) lässt diesen Angriff aber nicht auf sich sitzen. «Die Gemeinden verfolgen keine geheime Agenda, unterlassen Sie solche Äusserungen.» Lautes Klatschen ertönt im Saal.
Kurz darauf kontert ein Vertreter der GZO Creditor Group: «Die 50 Millionen Franken, welche die Gemeinden mit der Aktienkapitalerhöhung einschiessen, sind kein Beitrag. Das ist ein Witz.» Man gebe den Gläubigern lediglich einen Teil jenes Geldes zurück, das sie selbst eingespeist hätten. «Das ist eine Beleidigung.»
Bassu entgegnet, dass die Aktienkapitalerhöhung für die Gemeinden jährlich hohe Kosten zur Folge habe. Denn sie müssten extra Kredite aufnehmen und dafür Zinsen bezahlen. «Wir wollen vom Spital auch keinen Franken Dividende erhalten.»
Mitarbeitende versus Anleihegläubiger
Zu den Gläubigern gehören auch viele Mitarbeitende. Die Gelegenheit, ihren Unmut den Anleihegläubigern gegenüber kundzutun, lassen sie sich nicht nehmen. Die Anleger würden nur den Wert ihrer Titel maximieren wollen, referierte ein Mitarbeiter, der seit 2009 im GZO arbeitet: «Sie setzen sich nicht für die Bevölkerung ein, nicht für die Menschen, die hier leben, nicht für die Region.» Wieder resultiert grosser Beifall.
Während dieses Argument die Investoren kaltlässt, hinterfragt Matthias Courvoisier von Clearway Capital die Motivation der Angestellten, an der Versammlung teilzunehmen. «Was hat das Spital unternommen, um Mitarbeitende zu mobilisieren? Wurden Versprechungen gemacht, oder wurden sie unter Druck gesetzt? Werden die Mitarbeitenden frei abstimmen?» Der Hintergrund der Frage: Bei den Abstimmungen über die Anträge zählen die Kopfstimmen – und nicht die Höhe des vertretenen Kapitals.
Die Departementsleiterin der Chirurgie ergreift das Wort und entkräftet die subtile Unterstellung. Courvoisier fällt ihr direkt ins Wort: Die Fragen hätten sich an die Spitalleitung gerichtet. Die Anspannung im Saal ist förmlich spürbar. Sie löst sich erst, als der Spitaldirektor persönlich bestätigt, dass die anwesenden Mitarbeitenden aus freien Stücken anwesend seien.
Zerrüttetes Verhältnis
Die Abstimmungsergebnisse widerspiegeln letztlich die emotionale Achterbahnfahrt. Die beiden zuständigen Sachwalter bleiben im Amt, hinzu kommt ein fünfköpfiger Gläubigerausschuss. Vor Ort zeigen sich einige Gläubiger erleichtert. «Ich bin froh, dass die ‹Rechtsverdreher› die Versammlung nicht von ihren Anliegen überzeugen konnten. Es ist ein Witz, was sie hier abgeliefert haben.» Und doch sind es deutlich über 100 Befürworter, die sich auf die Seite einer kleinen, aber lauten Gruppe von Anleihegläubigern stellen.
Die Fronten bleiben damit verhärtet, ein konstruktiver Austausch zwischen Spital und Anleihegläubigern ist entsprechend schwierig. Diese Beobachtung machen einige Teilnehmer. «Es ist wie ein zerbrochener Teller, den man versucht zusammenzuleimen.»
Ein weiterer Anleihegläubiger ergänzt: «Wie man hier miteinander arbeitet, ist eine Katastrophe.» Es sei wichtig, dass die grossen Gläubiger das Sanierungskonzept unterstützten, andernfalls laufe man unweigerlich in den Konkurs. Dieser Tenor ist besonders aus den Reihen der Anleihegläubiger zu vernehmen. Sie haben im Frühling 2026, wenn über den Nachlassvertrag und somit auch über die Zukunft des Spitals abgestimmt wird, ein höheres Gewicht. Beispielsweise gegenüber den Mitarbeitenden, die an diesem Nachmittag noch in der Mehrzahl sind. Im Frühjahr zählt also nicht jede einzelne Stimme pro Kopf, sondern wieder das vertretene Kapital.
Etwas Hoffnung löst hingegen der neue Gläubigerausschuss aus. Dessen Vertreterinnen und Vertreter werden nun die Schärfung des Sanierungskonzepts eng begleiten. Für das GZO ist das auch eine Chance, den Puls der Gläubiger zu spüren und Anpassungen vorzunehmen.