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Serie: Regenerative Landwirtschaft, Teil 5

Die Weizenernte in Nänikon freut auch Storch, Bussard und Rotmilan

Dreieinhalb Stunden dauert es, bis 23,5 Tonnen Getreide gedroschen sind. Landwirt Denzler aus Nänikon ist zufrieden mit dem Ertrag.

Weizenernte in Nänikon: Der Weizen ist in diesem Jahr sehr gut gediehen.

Foto: Sandro Compagno

Die Weizenernte in Nänikon freut auch Storch, Bussard und Rotmilan

Serie: Regenerative Landwirtschaft, Teil 5

Ende September 2024 hatte Benjamin Denzler die Weizensaat ausgebracht. Knapp zehn Monate später ist Erntezeit; das Resultat ist mehr als zufriedenstellend.

Langsam zieht der Mähdrescher auf Benjamin Denzlers Weizenfeld in Nänikon seine Kreise. Auf 3,7 Hektaren steht der Weizen goldgelb. Dreieinhalb Stunden wird es dauern, bis Jules Müller das Getreide auf Denzlers Feld gedroschen hat. Insgesamt 23,5 Tonnen Ernte bringt Müller ein. Für ein Kilo Brot braucht man etwa 850 Gramm Weizen. Die Ernte auf dem Feld in Nänikon reicht also für mehr als 55’000 Pfünderli.

Da es Sonntagnachmittag und Beginn der Schulferienzeit ist, sitzt Müller nicht allein in seinem Claas-Mähdrescher. Neben dem Freudwiler winken drei Kinder aus dem Führerstand – es sind seine Enkel, die sichtlich ihren Spass haben.

Sie sind nicht die Einzigen, die sich an der Fahrt des Mähdreschers erfreuen. Im abgemähten Teil des Felds steht ein Storch, darüber kreisen Mäusebussarde und Rotmilane. Man könnte sagen, sie alle interessieren sich für die Biodiversität im Getreidefeld: Denn die Heuschrecken oder auch die Mäuse, die im Getreidefeld leben, werden durch die Ernte aufgeschreckt und verlieren jetzt ihren Schutz vor Fressfeinden.

Mit der Familie Müller aus Freudwil verbindet Benjamin Denzler mehr als nur die regelmässige Miete des für die Weizenernte unerlässlichen Gefährts. Jules Müllers Sohn Marcel bewirtschaftet seine «Ranch Fair Beef» seit 2018 nach regenerativen Prinzipien. Er war es, der Denzler zur Umstellung inspiriert hatte.

Regenerative Landwirtschaft

Seine Ursprünge hat das Konzept in den Vereinigten Staaten. Die Monokulturen im Mittleren Westen laugten die Böden aus, worauf die Erträge zurückgingen.

Entsprechend war es ein Amerikaner, der in den 1980er Jahren den Begriff «regenerative agriculture» prägte: Agrarpionier Robert Rodale entwickelte das Konzept als Reaktion auf die negativen Auswirkungen der intensiven Landwirtschaft, wie Bodenerosion oder Verlust der Bodenfruchtbarkeit und der Biodiversität.

Zu Beginn der 2000er Jahre wuchs das weltweite Interesse an regenerativen Konzepten, angetrieben durch die zunehmenden Herausforderungen des Klimawandels, der Verödung der Böden und des Rückgangs biologischer Vielfalt.

Ab 2010 begannen auch in der Schweiz erste Landwirtschaftsbetriebe, auf regenerative Landwirtschaft umzustellen. Eine einheitliche Definition dieses Konzepts existiert nicht. Als weltweit erste Behörde hat das Landwirtschaftsministerium von Kalifornien im Februar eine offizielle Definition festgelegt. Ob diese von den Europäern übernommen wird, ist offen.

Die Gesellschaft Regenerativ Schweiz bietet hierzulande Kurse an und vernetzt Landwirte. Sie nennt fünf Grundsätze der regenerativen Landwirtschaft:

Biodiversität in und über dem Boden

minimale Bodenstörung

dauernd durchwurzelter Boden

dauernd bedeckter Boden

Integration von Tieren

Wie viele Bauernhöfe in der Schweiz regenerativ wirtschaften, weiss niemand so ganz genau. Der renommierte Agrarjournalist und Herausgeber des Onlinemagazins «Countryside», Jürg Vollmer, schätzt, dass in der Schweiz rund 2000 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche regenerativ bewirtschaftet werden. Das sind 0,2 Prozent der gesamten Nutzfläche.

Mit der Marke Agricultura Regeneratio will ein gleichnamiger Verein die regenerative Landwirtschaft aus der Nische holen. Der Müesli-Hersteller Bio Familia beispielsweise arbeitet mit dem Verein zusammen.

Und: Regenerativ ist nicht gleichzusetzen mit biologisch. (sco)

Ein Grundprinzip der regenerativen Landwirtschaft ist die stetige Durchwurzelung des Bodens. Das geht einher mit der raschen Ansaat einer Gründüngung. Das ist eine in der regenerativen Landwirtschaft zentrale Methode der Bodenverbesserung, bei der Pflanzen gezielt angebaut und anschliessend in den Boden eingearbeitet oder als Mulch verwendet werden.

Rund 20 Zentimeter hoch stehen die Stoppeln, nachdem Jules Müller das Getreide gedroschen hat. Dazwischen sieht man den nackten Boden. Für den Laien sieht er ziemlich trocken aus. Denzler sieht das anders und zeigt es, indem er sein Taschenmesser nimmt und ein paar Zentimeter tief gräbt: Sofort wird der Humus dunkler, weil er Feuchtigkeit gespeichert hat. «Wenn der Weizen reift, zieht er kein Wasser mehr aus dem Boden», erklärt der Bauer. Hier kann die neue Gründüngung bestens gedeihen.

Weizenernte in Nänikon. Landwirt Beni Denzler stochert mit einem Taschenmesser im Boden und zeigt, dass er eine gute Feuchtigkeit besitzt.
Der Boden hat viel Feuchtigkeit gespeichert. Sobald er das Stroh zu Ballen gepresst hat, wird Benjamin Denzler die nächste Gründüngung säen.

Diese sät Denzler, sobald er das Stroh zu Ballen gepresst hat. Ziel ist, möglichst rasch wieder einen dichten Pflanzenteppich auf dem abgemähten Feld zu haben. Dieser Pflanzenteppich schützt den Boden, dient den darin lebenden Kleinstlebewesen wie Bakterien, Mikroalgen, Pilzen und Einzellern.

Im Oktober wird Denzler seine elf Milchkühe ins Feld treiben. Sie werden sich an den Pflanzen gütlich tun – und mit ihren Ausscheidungen zusätzlichen Dünger ausbringen.

Im Rahmen einer sechsteiligen Serie begleiten wir den Näniker Landwirt Benjamin Denzler im Laufe des Jahres 2025.

Denzler bewirtschaftet seinen Betrieb nach Methoden der regenerativen Landwirtschaft. In dieser Serie betrachten wir verschiedene Aspekte dieses Konzepts:

Bereits erschienen:

1. Teil: Was ist regenerative Landwirtschaft?

2. Teil: Säen in der Gründüngung

3. Teil: Maissaat ohne Pflug

4. Teil: Die Staffelkultur – ein Versuch

5. Teil: Weizenernte und Saat der Gründüngung

Vorgesehen:

6. Teil: Holistisches Weidemanagement

Da in der Landwirtschaft vieles von der Witterung und vom Klima abhängt, sind die Erscheinungsdaten der verschiedenen Beiträge noch nicht fixiert. (zo)

Die jetzt angesäte Gründüngung besteht aus 29 verschiedenen Pflanzenarten und wird eine sogenannte abfrierende Gründüngung sein. Das heisst, sie wird aus Pflanzen wie Sonnenblumen, Sorghum (eine Hirsenart), Hafer oder Rettich bestehen, die im Sommer rasch wachsen, den Winter aber nicht überleben. In diese Mischung wird Denzler später im Jahr noch überwinternde Gründüngung einsäen.

Damit bleibt der Boden stets bedeckt. Im kommenden Frühjahr schliesslich wird der Landwirt auf dem Feld in Nänikon im Zuge der Fruchtfolge Mais säen. Und hoffen, dass das Erntejahr 2026 so gut wird wie 2025.

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