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Wirtschaft

Serie: Regenerative Landwirtschaft, Teil 4

So will Landwirt Denzler auf seinem Feld in Nänikon zweimal ernten

Fruchtfolge einmal anders. Auf einem Feld in Nänikon wachsen Gerste und Soja (fast) gleichzeitig. Was dahintersteckt.

Nur noch die gelben Stoppeln erinnern an die Gerste, die Benjamin Denzler vor wenigen Tagen gedroschen hat. Dazwischen hatte er im April Soja gepflanzt, die jetzt gedeihen kann.

Foto: Sandro Compagno

So will Landwirt Denzler auf seinem Feld in Nänikon zweimal ernten

Serie: Regenerative Landwirtschaft, Teil 4

Die regenerative Landwirtschaft will die Bodenstruktur verbessern. Das klingt «grün», hat aber auch finanzielle Gründe. Benjamin Denzler wagt einen Versuch.

«Die Fruchtfolge ist die zeitliche Abfolge verschiedener Kulturpflanzen auf einem Feld. Eine geregelte Fruchtfolge beugt Schädlingen und Krankheiten vor. Sie hilft, Erosion und Bodenverdichtung zu vermeiden. Ausserdem verringert sie Versickerung und Abschwemmung von Düngern und Pflanzenschutzmitteln.» So steht es auf der Website des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW).

Es ist die Gegenthese zur Monokultur und eine Anbaumethode, nach der die Mehrheit der Schweizer Landwirte arbeitet. Verschiedene Kulturpflanzen werden in einer bestimmten Reihenfolge auf derselben Fläche angebaut, um Bodengesundheit und Ernteerträge zu optimieren. 

Getreide, Ölsaaten, Hülsenfrüchte

So pflanzen Ackerbauern beispielsweise im ersten Jahr einer Fruchtfolge Getreide auf einem Feld (Weizen oder Gerste). Im Jahr darauf sind es Ölsaaten wie Raps. Im dritten Jahr folgen Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen oder Soja, dann wieder Getreide, Mais oder Rüben. Folgt zwischen der Ernte und der Aussaat der neuen Kultur eine längere Pause, wird eine Gründüngung ausgesät, um den Boden zu bedecken, Unkrautwuchs zu unterdrücken und zusätzliche Nährstoffe einzubringen.

Wieso aber nicht gleichzeitig Getreide und Hülsenfrüchte pflanzen, zweimal im Jahr ernten und trotzdem den Regeln der Fruchtfolge gehorchen? Diese Frage hat sich Benjamin Denzler gestellt. Der Landwirt aus Nänikon bewirtschaftet seinen Hof nach Grundsätzen der regenerativen Landwirtschaft und führt derzeit einen entsprechenden Versuch durch.

Im Rahmen einer sechsteiligen Serie begleiten wir den Näniker Landwirt Benjamin Denzler im Laufe des Jahres 2025.

Denzler bewirtschaftet seinen Betrieb nach Methoden der regenerativen Landwirtschaft. In dieser Serie betrachten wir verschiedene Aspekte dieses Konzepts:

Bereits erschienen:

1. Teil: Was ist regenerative Landwirtschaft?

2. Teil: Säen in der Gründüngung

3. Teil: Maissaat ohne Pflug

4. Teil: Die Staffelkultur – ein Versuch

Vorgesehen:

5. Teil: Weizenernte und Saat der Gründüngung

6. Teil: Holistisches Weidemanagement

Da in der Landwirtschaft vieles von der Witterung und vom Klima abhängt, sind die Erscheinungsdaten der verschiedenen Beiträge noch nicht fixiert. (zo)

Staffelkultur nennt sich das Anbausystem, bei dem mehrere Pflanzen zeitlich und räumlich versetzt auf derselben Fläche angebaut werden. Dabei wird die zweite Kultur ausgesät, bevor die erste geerntet wird.

Denzler kauert in seinem Feld in Nänikon. Zwischen jeweils zwei Reihen gelben Strohs wachsen kleine, grüne Pflanzen der Sonne entgegen. Das Stroh stammt von der Gerste, die er im Oktober 2024 gesät hatte. Er brachte das Saatgut in jeweils zwei Reihen mit knapp 20 Zentimeter Abstand aus. Zwischen diesen Doppelreihen pflanzte er am 12. April dieses Jahrs Sojabohnen.

Ein Feld in Niederuster: Man sieht Stoppeln von gemähter und gedroschener Gerste und dazwischen junge, grüne Sojapflanzen.
Zwischen den gelben Stoppeln der Gerste können jetzt die Sojapflanzen wachsen.

«Damals war die Gerste etwa so hoch wie die Sojapflanzen jetzt – einfach in Grün», sagt Denzler. Doch dann, mit den höheren Temperaturen und den längeren Tagen, schoss die Gerste förmlich in die Höhe. Gleichzeitig trieben die Sojabohnen aus.

Anfang Juli war es so weit: Die Gerste konnte geerntet und gedroschen werden. Einerseits war das Getreide reif, auf der anderen Seite stand die Soja schon rund 40 bis 50 Zentimeter hoch. Hätte er mit der Ernte der Gerste länger zugewartet, hätte der Mähdrescher die jungen Sojapflanzen beschädigt.

50 Kilogramm Gerste pro Are (das sind 10 auf 10 Meter) erntete Denzler im Juli, das entspricht rund 80 Prozent des normalen Ertrags. Damit sei er sehr zufrieden, sagt der Landwirt und rechnet vor: «Wenn ich mit der Soja eine ähnliche Quote erreiche, habe ich mit etwas höherem Arbeitsaufwand 160 Prozent des erwartbaren Jahresertrags auf diesem Feld geerntet.»

Ziel der regenerativen Landwirtschaft ist die Verbesserung der Bodenqualität, indem Kleinstlebewesen wie Bakterien, Mikroalgen, Pilze und Einzeller geschont werden. Das ist kein Selbstzweck. Die gesunden Böden sollen zu höheren Erträgen führen und weniger Hilfsstoffe benötigen. Denzler: «Es geht nicht nur darum, den Humus zu regenerieren, sondern auch das bäuerliche Einkommen.»

Regenerative Landwirtschaft

Seine Ursprünge hat das Konzept in den Vereinigten Staaten. Die Monokulturen im Mittleren Westen laugten die Böden aus, worauf die Erträge zurückgingen.

Entsprechend war es ein Amerikaner, der in den 1980er Jahren den Begriff «regenerative agriculture» prägte: Agrarpionier Robert Rodale entwickelte das Konzept als Reaktion auf die negativen Auswirkungen der intensiven Landwirtschaft, wie Bodenerosion oder Verlust der Bodenfruchtbarkeit und der Biodiversität.

Zu Beginn der 2000er Jahre wuchs das weltweite Interesse an regenerativen Konzepten, angetrieben durch die zunehmenden Herausforderungen des Klimawandels, der Verödung der Böden und des Rückgangs biologischer Vielfalt.

Ab 2010 begannen auch in der Schweiz erste Landwirtschaftsbetriebe, auf regenerative Landwirtschaft umzustellen. Eine einheitliche Definition dieses Konzepts existiert nicht. Als weltweit erste Behörde hat das Landwirtschaftsministerium von Kalifornien im Februar eine offizielle Definition festgelegt. Ob diese von den Europäern übernommen wird, ist offen.

Die Gesellschaft Regenerativ Schweiz bietet hierzulande Kurse an und vernetzt Landwirte. Sie nennt fünf Grundsätze der regenerativen Landwirtschaft:

Biodiversität in und über dem Boden

minimale Bodenstörung

dauernd durchwurzelter Boden

dauernd bedeckter Boden

Integration von Tieren

Wie viele Bauernhöfe in der Schweiz regenerativ wirtschaften, weiss niemand so ganz genau. Der renommierte Agrarjournalist und Herausgeber des Onlinemagazins «Countryside», Jürg Vollmer, schätzt, dass in der Schweiz rund 2000 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche regenerativ bewirtschaftet werden. Das sind 0,2 Prozent der gesamten Nutzfläche.

Mit der Marke Agricultura Regeneratio will ein gleichnamiger Verein die regenerative Landwirtschaft aus der Nische holen. Der Müesli-Hersteller Bio Familia beispielsweise arbeitet mit dem Verein zusammen.

Und: Regenerativ ist nicht gleichzusetzen mit biologisch. (sco)

Denzler erklärt, wieso die Staffelkultur zur Verbesserung der Humusqualität beiträgt: «Sobald ein Getreide blüht, stoppt die Wurzelexsudation. Die Gerste gibt dann keine Wurzelexsudate mehr an den Boden und die darin lebenden Mikroorganismen ab.» Da aber die Soja bereits wächst, wenn die Gerste blüht, übernimmt sie diesen Part, führt dem Bodenleben Nährstoffe zu und hält den regenerativen Prozess am Laufen.

Das Wort «Wurzelexsudation» verlangt nach einer Erklärung: Es bezeichnet die Abgabe einer Vielzahl organischer Verbindungen durch die Pflanzenwurzel. Das können Zucker, Aminosäuren, Hormone und Vitamine sein. Diese Exsudate stellen schnell verfügbare Nährstoffe für die Mikroorganismen im Boden dar und verbessern die Humusqualität.

Denzlers Böden werden dank der Staffelkultur besser. Ob es auch seine Ertragsrechnung wird, das weiss der 32-Jährige im September oder spätestens im Oktober. Dann ist die Soja erntereif. Die Chancen stehen nicht schlecht; das warme Wetter und die regelmässigen Niederschläge haben bisher hervorragende Bedingungen geboten: «Und wenn es nicht klappt wie geplant, hatte ich immerhin einen spannenden Versuch und kann nächstes Jahr etwas anderes ausprobieren.»

Es summt und brummt im Buchweizenfeld

Neben dem Feld mit der Staffelkultur steht derzeit der Buchweizen in voller Blüte. Im zweiten Teil unserer Serie hatten wir Benjamin Denzler im Mai dabei begleitet, wie er das Feld bestellt hatte. Im sogenannten Planting-Green-Verfahren säte er den Buchweizen in eine Gründüngung aus Roggen, Erbsen und Ackerbohnen. Mit einer Walze knickte er diese Pflanzen um und drückte sie platt, während er gleichzeitig die Samen des Buchweizens ausbrachte.

Ein Traktor fährt in ein Feld, in dem mannshoher Roggen steht.
Mit einer Walze vorn am Traktor werden der Roggen, die Erbsen und die Ackerbohnen umgeknickt, hinten am Traktor hängt die Sämaschine für den Buchweizen.

Sieben Wochen später ist der Buchweizen gut gediehen. Die mittlerweile kniehohen Pflanzen stehen in voller Blüte. Das freut auch zahlreiche Insekten, die hier Nahrung finden. Honigbienen, Hummeln, Wildbienen, Schwebfliegen und zahlreiche Falter bedienen sich am reichhaltigen Buffet. «Buchweizen ist gut für die Biodiversität, weil er auch in späteren Sommermonaten noch blüht, wenn andere Nektarquellen knapp werden», erklärt Benjamin Denzler.

Buchweizen gehört zur Familie der Knöterichgewächse und ist mit Sauerampfer und Rhabarber verwandt, nicht jedoch mit Weizen. Das sogenannte Pseudogetreide enthält von Natur aus kein Gluten und ist eine gute Alternative für Menschen mit Zöliakie oder Glutenunverträglichkeit. Seine Ernte wird Benjamin Denzler ins Puschlav verkaufen, wo sie zu Pizzoccheri verarbeitet wird. (sco)

Ein Landwirt steht in einem Feld mit blühendem Buchweizen.
Gleich neben dem Feld mit der Staffelkultur blüht der Buchweizen – und sorgt für ein emsiges Summen von Insekten aller Art.

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