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Wirtschaft

Serie: Regenerative Landwirtschaft, Teil 3

In Nänikon achtet ein junger Bauer besonders auf den Erhalt seiner Äcker

Was an der Oberfläche gleich erscheint, kann tiefgreifende Unterschiede machen – vor allem für das fragile Leben unter der Erde.

Mit diesem Pflug an seinem Traktor behandelt Beni Denzler aus Nänikon seinen Boden behutsamer.

Foto: Simon Grässle

In Nänikon achtet ein junger Bauer besonders auf den Erhalt seiner Äcker

Serie: Regenerative Landwirtschaft, Teil 3

Ein Pflug ist ein Pflug. Ein Acker ist ein Acker. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn wie ein Boden bearbeitet wird, hat grosse Auswirkungen – insbesondere auf das empfindliche Ökosystem im Erdreich.

Um die Trockenheit hat sich der 32-jährige Landwirt Benjamin Denzler noch nie ernsthafte Sorgen gemacht. Im Oberland regne es, trotz gewissen Dürreperioden, allgemein noch immer genug. «Zu nasse Bedingungen sind für mich viel häufiger ein Problem.» Was ihn in der Vergangenheit dafür umso mehr zu denken gab, war die beeinträchtigte Gesundheit und die allzu hohe Beanspruchung seines Bodens.

Genau deshalb begann der junge Bauer vor rund fünf Jahren über den «Tellerrand» hinauszudenken und kam mit dem Konzept der regenerativen Landwirtschaft in Berührung. Seitdem er den Hof seiner Eltern vor eineinhalb Jahren übernahm, hat er sich dieser Methodik ganz verschrieben.

Seine Ursprünge hat das Konzept in den Vereinigten Staaten. Die Monokulturen im Mittleren Westen laugten die Böden aus, worauf die Erträge zurückgingen.

Entsprechend war es ein Amerikaner, der in den 1980er Jahren den Begriff «regenerative agriculture» prägte: Agrarpionier Robert Rodale entwickelte das Konzept als Reaktion auf die negativen Auswirkungen der intensiven Landwirtschaft, wie Bodenerosion, Verlust der Bodenfruchtbarkeit und der Biodiversität.

Zu Beginn der 2000er Jahre wuchs das weltweite Interesse an regenerativen Konzepten, angetrieben durch die zunehmenden Herausforderungen des Klimawandels, der Verödung der Böden und des Rückgangs biologischer Vielfalt.

Ab 2010 begannen auch in der Schweiz erste Landwirtschaftsbetriebe, auf regenerative Landwirtschaft umzustellen. Eine einheitliche Definition dieses Konzepts existiert nicht. Als weltweit erste Behörde hat das Landwirtschaftsministerium von Kalifornien im Februar eine offizielle Definition festgelegt. Ob diese von den Europäern übernommen wird, ist offen.

Die Gesellschaft Regenerativ Schweiz bietet hierzulande Kurse an und vernetzt Landwirte. Sie nennt fünf Grundsätze der regenerativen Landwirtschaft:

- Biodiversität in und über dem Boden
- Minimale Bodenstörung
- Dauernd durchwurzelter Boden
- Dauernd bedeckter Boden
- Integration von Tieren

Wie viele Bauernhöfe in der Schweiz regenerativ wirtschaften, weiss niemand so ganz genau. Der renommierte Agrarjournalist und Herausgeber des Online-Magazins «Countryside», Jürg Vollmer, schätzt, dass in der Schweiz rund 2000 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche regenerativ bewirtschaftet werden. Das sind 0,2 Prozent der gesamten Nutzfläche.

Mit der Marke «Agricultura Regeneratio» will ein gleichnamiger Verein die regenerative Landwirtschaft aus der Nische holen. Der Müesli-Hersteller Bio Familia beispielsweise arbeitet mit dem Verein zusammen.

Und: Regenerativ ist nicht gleichzusetzen mit biologisch.(zo)

Mit dieser verhindert er eine Verödung der Böden und den Rückgang der biologischen Vielfalt. «Mit dem Pflug geht ein Landwirt jedes Mal tief in den Boden und greift in den Lebensraum von Bakterien, Mikroalgen, Pilzen und Einzeller ein», weiss Denzler.

Dabei sind genau diese Lebewesen und Mikroorganismen von ungemeiner Wichtigkeit, um die natürliche Struktur des Bodens und dessen Gesundheit zu erhalten.

Zumindest auf seinen eigenen 18 Hektaren Ackerland, direkt neben der Oberlandautobahn bei Nänikon, will der Landwirt diese Strukturen mit einem schonungsvolleren Anbau erhalten. Denzler baut Weizen, Buchweizen und Raps als Lebensmittel an.

Für Schweine und Hühner produziert er Eiweisserbsen, Gersten, Soja und Mais. Seine eigenen elf Milchkühe kommen dabei ebenfalls nicht zu kurz. Ihr Futter wächst auf den Wiesen, Weiden und als Zwischenfrüchte auf den Ackerflächen.

Ganz ohne Herbizide geht es nicht

An einem sonnigen Vormittag im Mai ist ein Acker zwischen dem Wald und der Oberlandautobahn bereit für die Saat. Es ist der erste Mais, den Denzler hier seit fünf Jahren sät. Um die Raben, die sich gerne über die Maiskörner hermachen, muss er sich hier nicht mehr sorgen. Die Körner sind durch eine Korit-Beize geschützt.

Im Rahmen einer sechsteiligen Serie begleiten wir den Näniker Landwirt Benjamin Denzler in den nächsten Monaten.

Denzler bewirtschaftet seinen Betrieb nach Methoden der regenerativen Landwirtschaft. In dieser Serie betrachten wir verschiedene Aspekte dieses Konzepts:

Bereits erschienen:

1. Teil: Was ist regerative Landwirtschaft

2. Teil: Säen in der Gründüngung

3. Teil: Mais-Saat ohne Pflug

Vorgesehen:

4. Teil: Die Staffelkultur – ein Versuch

5. Teil: Saat der Gründüngung und Ernte von Weizen und Raps

6. Teil: Holistisches Weidemanagement

Da in der Landwirtschaft vieles von der Witterung und vom Klima abhängt, sind die Erscheinungsdaten der verschiedenen Beiträge noch nicht fixiert. (zo)

Der innovative Bauer hat diesen Acker mit einem speziellen Grubber, einem sogenannten Untergrundlockerer, vorbereitet. Zwar greift dieser auch 23 Zentimeter tief in den Boden ein, jedoch lockert er nur alle 75 Zentimeter einen schmalen Streifen. Der grösste Teil der Bodenoberfläche bleibt unberührt.

Da die Gründüngung schlecht entwickelt war und sich auch Unkräuter zeigten, musste Denzler diese zuvor mit einem Herbizid abtöten. «Wenn möglich verzichte ich wie im Buchweizen gerne darauf. Ich bin aber oftmals auf Herbizide angewiesen, denn ich will auch schöne Kulturen und einen guten Ertrag.»

Denzlers Methode trägt zur Erhaltung der Bodenfeuchtigkeit und reduzierten Beanspruchung des Bodens bei. Beim Blick auf die gewaltigen Pneus des Traktors könnte man meinen, der Bauer hätte einen Platten. «Ich fahre bewusst nur mit 0,6 Bar Luftdruck in den Reifen, denn so vergrössert sich die Aufstandsfläche, und es gibt einen geringeren Bodendruck.» Zum Vergleich: Ein Autoreifen sollte 2,5 bis 3 Bar Luftdruck enthalten.

Tatsächlich steuern muss Denzler seinen Traktor nicht. Ein GPS-Autopilot weist dem motorisierten Koloss den genauen Weg über den Acker, damit der Mais exakt in die zuvor gelockerten Streifen abgelegt wird. Einzig die jeweiligen 180-Grad-Wendungen am Ende des Felds vollzieht der Landwirt selbst.

Die Sämaschine ist genau kalibriert. Pro Quadratmeter fallen in Doppelreihen links und rechts vom gelockerten Streifen jeweils neun Körner in den Boden.

Ein Bauer füllt Maiskörner in einen Kübel.
Ab und an muss Benjamin Denzler etwas Mais nachfüllen. Die Mengen sind fast aufs Korn genau berechnet.

Genauso automatisiert verläuft das Versprühen eines mit Wasser verdünnten Gemischs aus Huminsäuren und Düngemittel. «Insgesamt verteile ich bei der Saat so 190 Liter direkt in den Saatschlitz, während zur selben Zeit die Körner gesät werden.»

Dadurch soll die Jugendentwicklung und das Wurzelwachstum gefördert werden. Mais braucht zum Wachsen viel Wärme, durch die reduzierte Bodenbearbeitung erwärmt sich der Boden jedoch viel langsamer. «Wenn ich pflügen würde, würde sich der Mais am Anfang viel schneller entwickeln, das probiere ich mit dem Flüssigdünger etwas zu kompensieren.»

Vollumfänglicher Gewinn

Neben dem minimen Eingriff in seinen Boden greift Denzler auf ein weiteres Detail zurück. Auf seinem Acker ist ein beträchtlicher Teil der Erde noch mit Gras bedeckt. Dieses entfernt er vor der Saat mit Absicht nicht. «Solange der Mais noch klein ist, schützt das Gras den Boden vor Starkregen, der Boden kann so kaum verschlämmen.» Später würden Regenwürmer und andere Bodenlebewesen das Gras fressen und so von allein abbauen.

Im Oktober darf Denzler mit einer beträchtlichen Ernte rechnen. «Sicher sein kann ich mir jedoch erst, wenn die Ernte abgeschlossen ist.» Zwar können die Böden durch die gesteigerte Resilienz Extremwetter besser verkraften, wobei die Witterung immer noch einen grossen Einfluss auf das Wachstum hat.

So, wie im letzten Jahr, als der sehr nasse Frühling eine schlechte Getreidequalität sowie ein schlechter Ertrag zur Folge hatte. «Bei solchen Witterungsverhältnissen kommt es auf das Anbausystem nicht mehr an.» Trotzdem führen seine gesünderen Böden auf kurz oder lang zu stabileren Erträgen. Geht es dem Boden gut, geht es dem Landwirt gut.

Ein Landwirtschaftsfeld mit grünem Gras.
Dieser Acker ist im Vergleich zu den gängigen Äcker noch fast vollständig mit Gras überwachsen.

Zudem koste ihn seine alternative Herangehensweise nicht mehr Arbeitszeit. «Ich bin weniger auf dem Traktor, beobachte das Feld dafür umso mehr», wie Denzler betont. Der Verzicht aufs Pflügen bringe aber neue, teils unerwartete Probleme mit sich.

So haben sich im letzten nassen Jahr die Schnecken stark vermehrt. «Mit dem Pflug hätte ich sie bekämpft. Ohne hatte ich jedoch ertragsrelevante Schäden im frisch ausgesäten Raps.» Deshalb müsse er jetzt den frisch gesäten Mais gut beobachten, um rechtzeitig reagieren zu können.

Definitionsproblem

Der Zürcher Bauerverband (ZBV) steht der regenerativen Landwirtschaft generell positiv gegenüber. Steffen Hagenbucher vom Team Umwelt betont allerdings, dass der Fachbegriff der regenerativen Landwirtschaft mit einem Definitionsproblem ringt: «Es gibt keine klare Definition, was man unter regenerativer Landwirtschaft in der Praxis eigentlich zu verstehen hat.»

Als Prinzip gilt ein schonender Umgang mit dem Boden. Wobei Hagenbucher erklärt: «Dies entspricht in der Regel bereits der guten landwirtschaftlichen Praxis.» Wer sich in der Region genauer umschaue, werde erkennen, dass Pflügen verglichen mit den Fünfzigerjahren seltener geworden ist. In bestimmten Fällen sei dies jedoch weiterhin nötig, beispielsweise zur Bekämpfung von Unkräutern, was wiederum den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziere.

So würden viele Betriebe, bewusst oder unbewusst, Elemente der regenerativen Landwirtschaft praktizieren. Zudem würde eine schonende Bodenbearbeitung auch durch einen Produktionssystembeitrag gefördert, als Teil der Direktzahlungen. Hagenbucher unterstreicht: «Eine pfluglose Bodenbearbeitung eignet sich nicht auf allen Flächen, aber ein genereller Trend ist definitiv zu erkennen.»

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