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Politik

Trotz offener Finanzierungsfrage

Kanton hält am Zeitplan für die Bahnunterführung in Uster fest

Uster braucht eine neue Unterführung, doch niemand will die 55 Millionen Franken dafür bezahlen. Kanton, SBB und Bund schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Jetzt soll ein offizielles Verfahren endlich Klarheit schaffen.

Der Bahnübergang an der Winterthurerstrasse ist häufiger geschlossen als offen. Eine geplante Unterführung soll künftig den Verkehrsfluss entlasten.

Foto: Mano Reichling

Kanton hält am Zeitplan für die Bahnunterführung in Uster fest

Trotz offener Finanzierungsfrage

Uster braucht eine neue Unterführung, doch niemand will die 55 Millionen Franken dafür bezahlen. Kanton, SBB und Bund schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Jetzt soll ein offizielles Verfahren endlich Klarheit schaffen.

Die Stadt Uster will den Stau am Bahnübergang an der Winterthurerstrasse mit dem Neubau einer Unterführung entschärfen. Kostenpunkt: 55 Millionen Franken. Doch wer zahlt? Der Kanton zeigt auf die SBB. Die SBB verweisen aufs Bundesamt für Verkehr (BAV). Und das BAV? Laut diesem soll der Kanton zahlen. Ergebnis: Jeder zeigt auf den anderen. Bezahlen will niemand.

Der Kanton Zürich kann seine umfangreichen Investitionen derzeit nicht aus eigenen Mitteln finanzieren. Deshalb hat der Regierungsrat im August beschlossen, einige Bauvorhaben zu stoppen oder zu verschieben. Die geplante Bahnunterführung in Uster wurde vorerst nicht in die Planungsperiode 2026 bis 2029 aufgenommen. Eine Nachfrage bei der Baudirektion zeigt jedoch: Das hat keinen Einfluss auf den Zeitplan des Projekts. Die Arbeiten an der Unterführung sollen immer noch, wie ursprünglich geplant, 2029 starten. Einzig die Finanzierung bleibt weiterhin ungeklärt.

Die Vorgeschichte

Im November letzten Jahrs präsentierten der Kanton Zürich und die SBB das Vorprojekt zur Umgestaltung der Winterthurerstrasse in Uster. Geplant ist, den bestehenden Bahnübergang durch eine Unterführung zu ersetzen, vor allem wegen des künftigen Doppelspurausbaus zwischen Uster und Aathal.

Schon vor diesem Ausbau war die lange Wartezeit an der Schranke ein Dauerthema. Bereits 2012 sprach sich eine Mehrheit von 60 Prozent der Ustermer Bevölkerung für eine Unterführung aus.

Mit dem Doppelspurausbau will die SBB Engpässe im Zürcher S-Bahn-Netz beseitigen und den Fahrplan verdichten.

Das hat direkte Folgen für den Strassenverkehr: Heute sind die Schranken an der Winterthurerstrasse bis zu 34 Minuten pro Stunde geschlossen, nach dem Ausbau würden es durchschnittlich 38 Minuten und 30 Sekunden sein.

Die Kosten für die Unterführung mit beidseitigem Rad- und Gehweg wurden 2024 auf rund 42 Millionen Franken geschätzt, mit zusätzlicher Busspur auf etwa 50 Millionen. Aktuell ist von 55 Millionen Franken die Rede, übernehmen wollen die Kosten weder die SBB, der Kanton noch das BAV.

Doch welche Argumente führen die drei Parteien an, um sich ihrer Finanzierungsverantwortung zu entziehen?

Die grosse Frage der Kostenteilung

Eine einfache Antwort darauf gibt es nicht, dafür aber umso mehr Fingerzeigen in alle Richtungen.

Aus Sicht des Kantons Zürich liegt die Verantwortung klar bei den SBB. Die geplante Taktverdichtung auf der Strecke Uster–Aathal führe zu deutlich längeren Schliesszeiten am Bahnübergang. Daher müsste die SBB als Verursacherin der Verkehrsprobleme einen grossen Teil der Kosten tragen.

Die SBB hingegen sehen sich nicht in der Pflicht. Sie verweisen auf das BAV, denn dieses sei Auftraggeber des Doppelspurausbaus zwischen Uster und Aathal. Damit sei sie auch zuständig für die Finanzierung der neuen Unterführung in Uster.

Das BAV wiederum beruft sich auf das Eisenbahngesetz, konkret auf Artikel 26b. Demnach muss der Strasseneigentümer – in diesem Fall der Kanton – für die Kosten aufkommen, wenn die Massnahmen primär den Bedürfnissen des Strassenverkehrs dienen.

Artikel 26b des Eisenbahngesetztes:

Muss ein Niveauübergang durch eine Über- oder Unterführung ersetzt oder infolge Verlegung der Strasse aufgehoben werden, so trägt die Kosten aller Änderungen an der Bahn- und Strassenanlage der Strasseneigentümer, wenn die Änderung vorwiegend durch die Bedürfnisse des Strassenverkehrs bedingt ist.

Doch die verlängerten Schliesszeiten seien laut BAV keine Situation, die zwingend eine Unterführung erfordere. Vielmehr handle es sich um ein lokales Anliegen, das auf Wunsch der Stadt Uster realisiert werden solle.

Warum zahlt die Stadt Uster nicht selbst? Stefan Feldmann, Abteilungsvorsteher Bau, erklärt, die Stadt sehe sich nicht in der Pflicht zur Finanzierung der Unterführung an der Winterthurerstrasse und sei in den Verhandlungen zwischen Kanton und SBB nicht direkt involviert. «Deshalb kann ich auch nicht sagen, warum es bisher keine Einigung zwischen den beiden Parteien gibt.» Die Verantwortung für das übergeordnete Strassennetz liege beim Kanton, während die Stadt nur für kommunale Aufgaben zuständig sei, führt Feldmann weiter aus.

Der Verkehr muss die Bahngleise an irgendeiner Stelle queren können.

Stefan Feldmann, Abteilungsvorsteher Bau

Der Kanton teile die Haltung der Stadt Uster und halte eine Unterführung an der Winterthurerstrasse für nötig, sagt Feldmann. Er gehe deshalb davon aus, dass der Kanton die Kosten übernimmt, falls er als Strasseneigentümer zuständig sei. Gleiches gelte für die SBB, falls sie als Verursacherin der Verkehrsprobleme in der Pflicht stehe. Einen Plan B gebe es nicht, betont Feldmann: «Der Verkehr muss die Bahngleise an irgendeiner Stelle queren können.»

Gesuch zur Klärung eingereicht

Um Verzögerungen im Projekt zu vermeiden, hat der Regierungsrat im September 2023 beschlossen, die Planungskosten für die Unterführung – rund 1,6 Millionen Franken – vorerst selbst zu übernehmen. Diese Vorfinanzierung bedeutet jedoch nicht, dass der Kanton damit die endgültige Kostenverteilung anerkennt.

Bis heute konnten sich der Kanton Zürich, die SBB und das BAV nicht darauf einigen, wer wie viel zur geplanten Unterführung in Uster zahlen soll. Um diese Streitfrage endgültig zu klären, hat der Regierungsrat im Mai das kantonale Tiefbauamt beauftragt, ein offizielles Verfahren beim BAV einzuleiten. Das Gesuch wurde diesen August beim BAV eingereicht, was von diesem auch bestätigt wird. Ziel ist es, die Zuständigkeit für die Finanzierung verbindlich festlegen zu lassen.

Wann mit einem Entscheid zum Gesuch gerechnet werden kann, ist noch offen. So teilt es Michael Müller, Mediensprecher des BAV, mit. «Zurzeit findet der erste Schriftenwechsel statt», sagt Müller. Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, könne er keine weiteren Informationen zum Verfahren geben.

Wie bestimmt das BAV, wer für die Kosten aufkommt?

Die Kosten für neue oder geänderte Bahn- und Strassenkreuzungen regelt das BAV, wenn sich die Beteiligten nicht anders einigen können. Bei einer neuen Kreuzung bezahlt meist derjenige, der den neuen Verkehrsweg baut. Bei Änderungen trägt derjenige die Kosten, der die Änderung braucht oder verursacht. Grundsätzlich gilt: Bahn und Strasse sind gleich wichtig, wer eine Änderung verursacht, zahlt dafür, und wer von der Änderung profitiert, soll sich auch an den Kosten beteiligen.

Diese Regelungen stützen sich auf die gesetzliche Grundlage des Eisenbahngesetzes. Das Interessante dabei ist, dass sowohl die SBB, das BAV als auch der Kanton jeweils einen Artikel aus dem Eisenbahngesetz anführen können, um zu begründen, weshalb sie nicht für die Finanzierung verantwortlich sind.

Genauere Informationen sind auf der Website der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu finden. (tin)

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