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Politik

Abstimmung Oberstufe Nänikon-Greifensee

Greifensee und Uster einigen sich im Schulstreit

Der Knäuel um die Zukunft der Oberstufenschulgemeinde Nänikon-Greifensee ist entwirrt. Doch die gefundene Lösung wird für die beiden Orte teurer.

Die beiden Schulpräsidenten demonstrieren Einigkeit bei der Aufsplittung der Oberstufenschulgemeinde Nänikon-Greifensee: links Ulrich Schmid (SVP) von der Oberstufenschulgemeinde Nänikon-Greifensee und rechts Benno Scherrer (GLP) von der Sekundarschulpflege Uster.

Foto: Christian Brändli

Greifensee und Uster einigen sich im Schulstreit

Abstimmung über Oberstufe Nänikon-Greifensee

Eine Schulgemeinde soll aufgesplittet werden, und 250 Schüler sollen davon nichts merken: Uster und Greifensee haben einen Weg gefunden, wie es mit dem Sekundarschulhaus Wüeri in Nänikon weitergehen kann. Nun müssen die Stimmberechtigten ihren Segen dazu geben.

Ein kleiner, neuer Passus im Zürcher Gemeindegesetz bescherte der Oberstufenschulgemeinde Nänikon-Greifensee (OSNG) grosse Probleme: Sie darf es seit Anfang 2018 eigentlich gar nicht mehr geben. Das Gesetz verlangt, dass das Gebiet von Schulgemeinden deckungsgleich mit jenem der Politischen Gemeinde sein muss.

Das ist – schon allein der Name sagt es – bei der OSNG nicht der Fall. Die Sekundarschüler aus Greifensee sowie jene aus den beiden Ustermer Aussenwachten Nänikon und Werrikon besuchen alle das gleiche Schulhaus Wüeri, das in Nänikon und damit auf Ustermer Gebiet liegt.

Lange hat sich die Schulpflege der OSNG mit rechtlichen Mitteln vergeblich gegen das Ende ihrer Schulgemeinde zur Wehr gesetzt. Der Bezirksrat drohte damit, die Gebietsaufteilung selbst vorzunehmen, sollten die betroffenen Schulgemeinden – also die Sekundarschulgemeinde Uster (SSU) und die OSNG – keine Lösung vorlegen.

Die Verantwortlichen der OSNG mussten schliesslich einsehen, dass weiterer Widerstand zwecklos ist. Und statt eine externe «Lösung» aufgedrückt zu erhalten, nahmen sie im September 2023 einen neuen Anlauf. Seither haben die Schulpflegen der OSNG und der SSU mehrere Varianten geprüft.

Daraus resultierte schliesslich eine Bestvariante. Wie die beiden zuständigen Schulpräsidenten, Ulrich Schmid (SVP) von der OSNG sowie Benno Scherrer (GLP) von der SSU, im Gespräch betonen, ist diese «einvernehmlich» gefunden worden.

Worüber wird abgestimmt?

Am 8. März 2026 werden die Stimmberechtigten der OSNG und der SSU – konkret die Stimmberechtigten von Uster und Greifensee – gleichzeitig an der Urne über die Gebietsänderung befinden. Die heutige OSNG wird auf das Gebiet der Gemeinde Greifensee reduziert und zur Sekundarschulgemeinde Greifensee (SSG). Das Gebiet der SSU wird um die Ustermer Aussenwachten Nänikon und Werrikon erweitert. Beide Schulgemeinden entsprechen dann dem Gebiet der Politischen Gemeinden. Damit ist dem Gesetz Genüge getan.

Karte mit dem Gebiet der Oberstufenschulgemeinde Nänikon-Greifensee heute: Gelb eingezeichnet das Territorium mit Greifensee und den beiden Ustermer Aussenwachten Werrikon und Nänikon.
So präsentiert sich das Gebiet der Oberstufenschulgemeinde Nänikon-Greifensee heute: gelb eingezeichnet das Territorium mit Greifensee und den beiden Ustermer Aussenwachten Werrikon und Nänikon.
Und so sollen die Gebiete der Sekundarschulgemeinden nach der Aufsplittung aussehen: Gelb das Gebiet der Sekundarschule Greifensee und rot jenes der Sekundarschule Uster. Diese sind dann deckungsgleich mit den Grenzen der beiden politischen Gemeinden.
Und so sollen die Gebiete der Sekundarschulgemeinden nach der Aufsplittung aussehen: gelb das Gebiet der Sekundarschule Greifensee und rot jenes der Sekundarschule Uster. Diese sind dann deckungsgleich mit den Grenzen der beiden Politischen Gemeinden.

Doch die Abstimmungsvorlage umfasst insgesamt drei Verträge. Neben der Gebietsänderung muss in einem «Anstaltsvertrag» separat geregelt werden, wie das Schulhaus Wüeri unterhalten wird. Und vor allem muss festgelegt werden, wer für den schulischen Betrieb zuständig ist. Sichergestellt werden soll auch, dass wie heute alle Kinder aus Nänikon, Werrikon und Greifensee dort weiterhin unterrichtet werden können. Das wird in einem «Anschlussvertrag» festgeschrieben. Oberstes Ziel der nun präsentierten einvernehmlichen Lösung ist nämlich, dass sich für die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrerschaft möglichst nichts ändert.   

Über die drei Verträge wird im Paket abgestimmt. Das heisst, dass es nur eine Fragestellung geben wird, die mit Ja oder Nein beantwortet wird. Die drei Einzelverträge treten nur in Kraft, wenn die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der OSNG sowie der SSU die Vorlage in einer gleichlautenden Abstimmung gutheissen. Bei einer Zustimmung kann die Lösung auf den 1. Januar 2027 umgesetzt werden.

Was passiert mit dem Schulhaus?

Die Lösung für die gesamte Schulanlage Wüeri in Nänikon ist die Bildung einer sogenannten Anstalt. An dieser werden die neue SSG sowie die schon bestehende, aber dann um Nänikon und Werrikon erweiterte SSU beteiligt sein. Das Kapital dieser «Anstalt» beträgt rund 2,5 Millionen Franken und stammt aus dem bisherigen Vermögen der OSNG.

Der SSG werden 65 Prozent der Anstalt gehören, die SSU erhält 35 Prozent. Wie die beiden Schulpräsidenten betonen, entspricht dieses Verhältnis den bisher einerseits von den Steuerzahlern aus Greifensee, andererseits von denjenigen aus Nänikon und Werrikon eingebrachten Finanzen. Ausserdem spiegelt dieser Schlüssel auch die Schüleranteile wider.   

Geführt wird die Anstalt von einem Vorstand. Beide Gemeinden können je zwei Personen als dessen Mitglieder ernennen. Schmid hält fest, dass das vor allem Personen mit Kompetenz in Bau- und Finanzfragen sein sollen. Schliesslich wird dieser Vorstand für die Verwaltung der Schulhausliegenschaft verantwortlich sein. In den Schulbetrieb dagegen ist er nicht involviert.

Für alle wichtigen Entscheidungen braucht dieser Vorstand aber die Zustimmung beider Trägergemeinden. Dies gilt insbesondere für die Genehmigung von Bauprojekten, der Budgets und der Jahresrechnung. Die paritätische Zusammensetzung des Gremiums ist für Scherrer zentral, auch wenn die SSG den höheren Kapitalanteil hat: «Schliesslich braucht es für das Funktionieren des ganzen Konstrukts beide Sekundarschulgemeinden gemeinsam.»

Nicht zur Infrastruktur gehören wird das Mobiliar, das für den Schulbetrieb notwendig ist. Dies wird Aufgabe der Schulleitung sein. Die Installation einer Klimaanlage beispielsweise wird klar in die Kompetenz des Anstaltsvorstands fallen, die Beschaffung von Stühlen dagegen gehört zum Schulbetrieb. Im Detail wird es aber jeweils zu klären sein, wer wofür zuständig ist. «An einem neuen Backofen darf es sicher nicht scheitern», meint Scherrer mit einem Schmunzeln.

Und das mit der Klimaanlage sollte ohnehin schon geklärt sein. So werden in den beiden Trakten A und B sieben Zimmer im obersten Stock im nächsten Jahr für je 10'000 Franken eine Klimaanlage erhalten.

Zurzeit werden dort die Fenster, das Dach und die Heizung für rund zwei Millionen Franken erneuert. Eine weitere grössere Investition soll zudem noch von der jetzigen OSNG beschlossen werden. Im Juni 2026 wird die Schulgemeinde über die Aufstockung des Trakts C um mindestens ein Stockwerk mit drei Schulzimmern befinden. Dieses Vorhaben soll auf das Schuljahr 2028/2029 hin umgesetzt sein.     

Was heisst die Neuorganisation für die Schüler?

Der Schulbetrieb wird von der zukünftigen SSG geführt. Für die Sekundarschülerinnen und -schüler sowie die Lehrerschaft werde es «keine erkennbaren Änderungen geben», unterstreichen die beiden Schulpräsidenten. Die Schüler aus Nänikon und Werrikon können somit weiterhin das Schulhaus Wüeri bei ihren heutigen Lehrpersonen besuchen. Die SSU bezahlt für sie ein Schulgeld an die zukünftige SSG. Geregelt wird das im Anschlussvertrag, der für mindestens zwölf Jahre gültig sein wird.

Im Schuljahr 2023/2024 haben 175 Schüler aus Greifensee und 73 aus Nänikon und Werrikon das Wüeri besucht. Ulrich Schmid rechnet damit, dass dieses Verhältnis auch künftig so bleiben dürfte. Die Gesamtzahl wird aber ansteigen, unter anderem wegen der Überbauung des Unholz-Areals in Greifensee. Das Wachstum ist auch der Grund für die geplante Aufstockung des Trakts C.

Für das Jahr 2024 ist als Beispiel errechnet worden, wie hoch das Schulgeld sein würde. Pro Schülerin oder Schüler wären dies knapp 20’000 Franken. Hochgerechnet für die 73 Schüler aus Nänikon und Werrikon wären dies gut 1,4 Millionen Franken gewesen, die Uster an die Sekundarschule Greifensee zahlen müsste. Hinzu käme noch ein Infrastrukturbeitrag pro Schüler von gut 2000 Franken. Alles in allem müsste Uster also rund 1,5 Millionen Franken zahlen.

Explizit nicht Teil der Vollkostenrechnung sind die Schulgelder für externe Sonderschulung, die Kunst- und Sportschulen und Musikschulen sowie Beiträge fürs Berufsvorbereitungsjahr. Diese Auslagen sind von der Sekundarschulgemeinde zu tragen, in der die jeweiligen Kinder wohnen.

Was heisst die Neuorganisation für die Eltern?

Die Eltern der Sekundarschüler aus Nänikon und Werrikon sind denjenigen aus Greifensee gleichgestellt. Sie haben die gleichen Rechte bei der Elternmitwirkung und erhalten alle Informationen der SSG. Der grosse Unterschied wird aber sein, dass sie an den künftigen Gemeindeversammlungen der SSG kein Stimmrecht mehr haben. Doch sie werden jeweils als Gäste eingeladen.

Ob viele dieser Einladung folgen werden, ist aber fraglich. So ist der Aufmarsch zu den bisherigen Versammlungen der OSNG eher dürftig gewesen. Wie Ulrich Schmid schätzt, erscheinen im Normalfall zwischen 25 und 35 Stimmberechtigte – die Mitglieder der Schulpflege und der Rechnungsprüfungskommission inklusive.  

Was heisst die Neuorganisation für die Steuerzahler?

Die Kosten für den Unterhalt der Schulhausliegenschaft Wüeri bleiben im Wesentlichen unverändert. Sie werden über den Infrastrukturbeitrag auf die SSU und die zukünftige SSG aufgeteilt.

Und doch wird die Neuorganisation für alle Steuerzahler in Nänikon, Werrikon und Greifensee ins Geld gehen. Die Näniker und Werriker werden neu den Steuersatz der SSU zahlen müssen. Und der liegt mit 18 Prozent um 2 Prozentpunkte höher als der aktuelle der OSNG. Wie Benno Scherrer festhält, wird die Gebietsänderung keine direkten Auswirkungen auf den Steuerfuss der SSU haben. Für den Grossteil der Ustermer wird sich damit finanziell nichts ändern.

Anders sieht das für die Greifenseer aus. Bisher «profitieren» sie davon, dass sie einen Anteil an den Steuereinnahmen der auf dem Gebiet der OSNG ansässigen Unternehmen erhalten. Steuern von Unternehmen führen bei Schulgemeinden zu einem positiven Effekt. Sie zahlen zwar Steuern, verursachen aber keinen Aufwand, weil sie keine Leistungen im Schulbereich beziehen.

Mit der Gebietsänderung fallen aber die vielen in Nänikon und Werrikon ansässigen Firmen aus der Rechnung. Deren Steuereinnahmen werden der künftigen SSG fehlen. Wie die beiden Schulpräsidenten betonen, ist das «eine unmittelbare Folge des kantonalen Gemeindegesetzes» und die Konsequenz somit systembedingt. «Sie tritt auf jeden Fall ein, selbst wenn die Gebietsänderung nicht einvernehmlich mit dieser Vorlage umgesetzt wird, sondern durch eine Anordnung des Bezirksrats.»

Ulrich Schmid rechnet damit, dass die Greifenseer sogar noch etwas mehr als die zusätzlichen 2 Prozentpunkte wie in Nänikon für ihre Sekundarschulgemeinde zahlen werden.

Wie beurteilen die Schulpräsidenten die Lösung?

«Endlich haben wir eine gute, stimmige und tragfähige Lösung gefunden», sagt SSU-Präsident Benno Scherrer. «Sie ist nur auf den ersten Blick kompliziert. Vielmehr ist sie sehr praxisorientiert.» Dem pflichtet OSNG-Präsident Ulrich Schmid bei. «Ich finde die Lösung richtig cool, eine eigentliche Win-win-Situation.»

Die beiden Schulpräsidenten Benno Scherrer (GLP, links) von der Sekundarschule Uster und Ulrich Schmid (SVP) von der Oberstufe Nänikon-Greifensee vor der Uhr auf dem Areal des Schulhauses Wüeri.
Die Zeit für die Neuorganisation der Sekundarschulen von Uster und Greifensee sei reif, finden die beiden Schulpräsidenten Benno Scherrer (links) und Ulrich Schmid.

Ob die Greifenseer Behörden und Parteien das auch so sehen, wird sich weisen. Das Problem sei, dass in Greifensee noch andere wichtige, kostspielige Vorhaben anstünden. Diesen könnte die absehbar «teurere» SSG in die Quere kommen. Anders sieht es in Uster aus. Scherrer hat bisher gute Rückmeldungen von den politischen Akteuren erhalten.

Wie sehen die weiteren Schritte aus?

Der Start der neuen Sekundarschulgemeinde Greifensee per Anfang 2027 soll auch mit dem Amtsbeginn der neuen Schulpflegen synchronisiert werden. Deshalb wird es gesonderte Wahltermine geben.

Zunächst aber wird informiert: Am 2. Oktober findet um 19 Uhr im Singsaal des Schulhauses Wüeri eine Veranstaltung statt, an welcher das ganze Vorhaben im Detail vorgestellt wird.

Die weiteren Eckpunkte sind:

  • 27. Oktober 2025 Behandlung der Vorlage im Gemeinderat Uster
  • 30. Oktober 2025 ausserordentliche Schulgemeindeversammlung der OSNG
  • 8. März 2026 Urnenabstimmung in Uster und Greifensee
  • 27. September 2026 Wahl der Schulpflegen der Sekundarschulgemeinde Uster und der Sekundarschulgemeinde Greifensee
  • 1. Januar 2027 Amtsantritt der neuen Schulpflegen

Was passiert bei einem Nein?

Lehnen die Stimmberechtigten der OSNG oder der SSU die Vorlage ab, ist die einvernehmliche Gebietsänderung gescheitert. Dann ist laut den beiden Schulpräsidenten zu erwarten, dass der Bezirksrat Uster das übergeordnete kantonale Recht durchsetzt und die Gebietsänderung anordnet.

Die betroffenen Schulgemeinden können dabei nicht mitbestimmen. Bei einem solchen Entscheid würde das Eigentum an der Schulliegenschaft Wüeri einer der beiden Schulgemeinden zugeteilt. Die Gemeinden könnten einzig den Rechtsweg ergreifen, «was mit langwierigen Prozessen verbunden wäre», halten die Schulpräsidenten fest.

Was geschieht nach einem Ja?

Die Neuorganisation tritt per 1. Januar 2027 in Kraft. Die zwei Sekundarschulpräsidenten gehen aber davon aus, dass die «Lebensdauer» der beiden selbständigen Sekundarschulgemeinden nicht sehr lange sein dürfte. So streben die Politischen Gemeinden Uster und Greifensee je die Schaffung einer Einheitsgemeinde an. Mit der Aufsplittung der OSNG ist dann nämlich die Voraussetzung dafür gegeben, gibt es doch nur noch die Grenzen der Politischen Gemeinden.

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