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Justiz

Schulgemeinde Nänikon-Greifensee verliert vor Bundesgericht

Ein Schulhaus, das der Gemeinde Greifensee gehört, auf Ustermer Boden steht und von Schülern beider Orte besucht wird. Das ist gesetzlich nicht erlaubt und soll gelöst werden.

Oberstufenschulhaus Wüeri: Die Sekundarschule liegt auf Ustermer Boden, wird aber von vielen Kindern aus Greifensee besucht. (Archiv)

Foto: Züriost

Schulgemeinde Nänikon-Greifensee verliert vor Bundesgericht

Bezirksrat Uster nicht befangen

Ein Sekundarschulhaus mit Schülern aus zwei Gemeinden. Rechtens ist das seit 2022 nicht mehr, doch in Nänikon nach wie vor der Fall. Um den Grenzstreit zu bereinigen, darf der Bezirksrat Uster entscheiden – das sagt das Bundesgericht.

Es ist kompliziert. Kompliziert zwischen Greifensee und Nänikon und dem Rest der Stadt Uster. Während zuletzt die Initiative zur Prüfung eines Gemeindewechsels der beiden Ustermer Aussenwachten Werrikon und Nänikon zu Greifensee zustande gekommen ist und gleichzeitig im Ustermer Parlament nach einem parteiübergreifenden Postulat die Fusion zwischen Uster und der Gemeinde Greifensee geprüft wird, schwelt im Hintergrund der nach wie vor nicht bereinigte Grenzstreit zwischen der Oberstufenschulgemeinde Nänikon-Greifensee und der Stadt Uster. Und in dieser komplizierten Angelegenheit hat jetzt das Bundesgericht ein Urteil gesprochen. Doch der Reihe nach.

Darum gehts

Oberstufenschülerinnen und Oberstufenschüler, die in Greifensee wohnen, besuchen das Sekundarschulhaus Wüeri in Nänikon – ein Schulhaus, das auf Ustermer Boden liegt, aber der Oberstufenschulgemeinde Nänikon-Greifensee gehört. Rund zwei Drittel der total 200 Schulkinder stammen aus Greifensee. Die gemeinsame Oberstufe kann dabei auf eine lange, über 125-jährige Tradition und Geschichte zurückblicken. Die Gründe hierfür lesen sich auf der Website der Oberstufenschule wie folgt:

Nänikon und Werrikon orientieren sich geografisch und sozialräumlich viel stärker an Greifensee als an Uster. Die Kinder und Jugendlichen von Nänikon, Werrikon und Greifensee besuchen mehrheitlich dieselben Vereine und verbringen gemeinsam ihre Freizeit. Die Sekundarschule Nänikon-Greifensee trägt dieser Einheit Rechnung.

Allerdings ist die Situation nicht rechtskonform. Denn Schulgemeinden, so will es das Zürcher Gemeindegesetz, müssen mit dem Gebiet einer oder mehrerer Politischer Gemeinden übereinstimmen. Dass ein Ortsteil zu einer benachbarten Schulgemeinde gehört, wird nicht akzeptiert. Für die Anpassungen gewährte der Kantonsrat eine Frist von vier Jahren, die Ende 2021 ablief.

Das ist bisher passiert

  • Das neue Zürcher Gemeindegesetz wird erlassen, das die Deckungshoheit von Schulgmeinden und Politischen Gemeinden verlangt. Ein Paragraf, der die Zwangsauflösung von Schulgemeinden vorsieht, wird zwei Jahre später vom Bundesgericht als verfassungswidrig taxiert und aus dem Gesetz gestrichen. Weiterhin gilt jedoch der Paragraf, der Gemeinden zu einer Anpassung anhält.

    2015

  • Das neue Zürcher Gemeindegesetz tritt in Kraft und verlangt die territoriale Übereinstimmung von Politischen und Schulgemeinden bis zum 1. Januar 2022. Der Oberstufenschulgemeinde Nänikon-Greifensee droht die Zwangsauflösung.

    2018

  • Erstmals schaltet sich der Bezirksrat Uster ein. Er sagt: «Es kann nicht geduldet werden, dass sich eine Schulgemeinde um die gesetzlichen Vorschriften foutiert. Der Bezirksrat kann die Haltung der Oberstufenschulgemeinde Nänikon-Greifensee nicht akzeptieren.» Denn diese will ihre Form noch immer erhalten.

    Februar 2021

  • Der Bezirksrat Uster eröffnet ein aufsichtsrechtliches Verfahren, um die vom Gemeindegesetz geforderte Grenzbereinigung vorzunehmen, falls keine einvernehmliche Lösung gefunden werden kann.

    April 2021

  • Der Bezirksrat Uster erteilt einer Kanzlei den Auftrag zur Erstellung eines juristischen Gutachtens. Dieses soll elf Fragen zur Vereinbarkeit mit der Verfassung des Kantons Zürich sowie gesetzlichen Grundlagen des aufsichtsrechtlichen Verfahrens klären.

    Mai 2021

  • Es ziehen immer dunklere Wolken auf am Horizont. So droht der Bezirksrat den beiden Schulgemeinden damit, ihre Gemeindeordnungen anzupassen, sollte nicht bis Dezember ein von den Stimmberechtigten beider Gemeinden an der Urne beschlossene Grenzbereinigung vorliegen. Die Oberstufenschulgemeinde Nänikon-Greifensee erhebt dagegen beim Regierungsrat Rekurs, der allerdings auf diesen nicht eintritt.

    Juli 2021

  • Jetzt liegt das Rechtsgutachten vor. Dieses wird den am Verfahren beteiligten Schulgemeinden zur Kenntnisnahme zugestellt.

    September 2021

  • Ulrich Schmid (SVP), Präsident der Oberstufenschulpflege Nänikon-Greifensee, platziert beim Bezirksrat ein Ausstandsbegehren. Er argumentiert, die Behörde habe zu wenig Distanz und sei befangen, um über die Grenzbereinigung zu entscheiden. Ein anderer Bezirksrat solle als Ersatzbehörde bestimmt werden.

    November 2021

  • Der Regierungsrat weist das Begehren von Schmid ab. Dagegen erhebt die Oberstufenschulgemeinde Nänikon-Greifensee Beschwerde beim Verwaltungsgericht.

    Juli 2022

  • Auch das Zürcher Verwaltungsgericht weist die Beschwerde ab.

    Oktober 2022

  • Doch die Oberstufenschulgemeinde gibt nicht auf. Sie geht den Weg durch alle Institutionen und legt Beschwerde bei der höchsten juristischen Instanz ein: dem Bundesgericht. Auch dort beantragt sie, dass der Bezirksrat Uster in den Ausstand versetzt werden solle. Zudem verlangt sie mit aufschiebender Wirkung, dass das aufsichtsrechtliche Verfahren zur Grenzbereinigung während des Prozesses nicht fortzuführen sei. Letzteres Gesuch wird vom Bundesgericht gutgeheissen.

    Dezember 2022

Das hat das Bundesgericht entschieden

Die Beschwerde der Oberstufenschulgemeinde Nänikon-Greifensee wird abgewiesen. Das Bundesgericht stützt damit den Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts als Vorinstanz. Der Bezirksrat Uster war und ist nicht befangen, um das aufsichtsrechtliche Verfahren zur Grenzbereinigung zwischen den Sekundarschulgemeinden Uster und Nänikon-Greifensee zu eröffnen und zu führen.

Aus Sicht der Oberstufenschule hätte der Bezirksrat in den Ausstand treten müssen, weil er sich den gesamten Fall mittels des Rechtsgutachtens von privater Seite «vorlösen» lassen wollte. Dieses Gutachten hätte zur Befangenheit des Bezirksrats geführt, weil er das Gutachten bereits zur Kenntnis genommen habe. Damit würde willentlich oder unwillentlich die Rechtsfindung beeinflusst.

Dem hielt bereits das Verwaltungsgericht entgegen, dass der Bezirksrat das Rechtsgutachten zwar nicht hätte einholen dürfen. Doch dies ist laut Bundesgericht «kein Verfahrensfehler, der besonders schwer wiegt und auf eine gravierende Amtspflichtverletzung hinausläuft». Damit könne auch keine Befangenheit begründet werden, sodass der Bezirksrat in den Ausstand hätte treten müssen.

Gemäss Bundesgericht ist zudem nicht erkennbar, dass der Bezirksrat sich nicht in der Lage sah oder nicht willens war, die sich stellenden Rechtsfragen selber zu beurteilen. Es könne zudem von einer Behörde erwartet werden, dass sie mit Aktenstücken, die nicht berücksichtigt werden dürften, umgehen und die nötige innere Distanz dazu einnehmen könne.

Das bedeutet der Entscheid

Zwei Jahre nachdem die Übergangsfrist des Kantons zur Bereinigung der Hoheitsgebiete von Politischen und Schulgemeinden verstrichen ist, ist man in Greifensee und Uster keinen Schritt weiter. Auch wenn in den letzten Jahren Gespräche über einen Zweckverband zur Erfüllung des Gesetzes und zur Rettung der Oberstufenschule Nänikon-Greifensee zwischen den beiden Parteien geführt wurden, so ist aus diesen keine Lösung hervorgegangen.

Natürlich würde ein Wechsel der beiden Ustermer Aussenwachten Nänikon und Werrikon zu Greifensee, wie er vom Komitee Pro 8606 im letzten Jahr mit einer Volksinitiative angestossen wurde, eine Lösung für die Schulthematik bedeuten. Allerdings sagte bereits im März 2023 Ueli Schmid (SVP), Präsident der Oberstufenschule Nänikon-Greifensee, gegenüber dieser Redaktion: «So lange können wir nicht warten.»

Wie lange der Bezirksrat Uster noch warten kann, wird sich zeigen. Klar ist allerdings, dass er die aufsichtsrechtliche Instanz ist und bleibt, die in der Angelegenheit urteilen und entscheiden wird.

Dabei will der Bezirksrat, der den Entscheid zur Kenntnis genommen hat und zufrieden mit dem Ausgang ist, dort anknüpfen, wo man 2021 aufgehört hat. «Wir haben den Gemeinden schon damals die von uns ins Auge gefassten Massnahmen geschickt, zu welchen sie Stellung nehmen konnten», erklärt Bezirksratspräsident Marcel Tanner am Telefon. «Falls sich die Gemeinden nicht einigen, werden wir die Grenzbereinigung aufsichtsrechtlich beschliessen.»

Dieser Beschluss sähe vor, dass die Schulgemeinden deckungsgleich sind mit ihren Politische Gemeinden. Dort, wo eine politische Grenze endet, endet auch die Zuständigkeit der Schule. Es würde allerdings auch eine Regelung als Übergangslösung verfügt werden, so Tanner, dass die Schülerinnen und Schüler aus Nänikon und Werrikon weiterhin in Nänikon zur Schule gehen könnten. Dafür müsste Uster Greifensee allerdings finanziell entschädigen, denn das Schulhaus Wüeri gehört der Oberstufenschulgemeinde.

Nur könnte gegen diesen Beschluss von der Oberstufenschule Nänikon-Greifensee wiederum Beschwerde eingelegt werden. «Und das ganze Spiel mit Beschwerde an den Regierungsrat, das Verwaltungsgericht und das Bundesgericht begänne von Neuem.» Das gelte es zu verhindern.

«Wir wissen, dass Gespräche zwischen den Sekundarschulen stattgefunden haben. Jetzt wollen wir herausfinden, wo diese stehen und was vorgesehen ist.» Denn eine einvernehmliche Lösung sei besser, als wenn der Bezirksrat beschliessen müsse. «Die Gemeinden wären freier in ihrer Regelung, könnten mehr ins Detail gehen», erklärt Tanner. «Von Anfang an haben wir gesagt und signalisiert, dass wir eine einvernehmliche Lösung vorziehen.»

Deshalb sei man jetzt vonseiten des Bezirksrats auch auf keinen Zeitplan fixiert. «Natürlich wollen wir nicht wieder zwei Jahre zuwarten. Es braucht einen Zeitplan, ja, aber dieser muss realistisch sein.» So komme es jetzt auf die Gemeinden an.

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