Kanton will mehr Feuchtgebiete im Gossauerriet – Bauern sind skeptisch
Im Gossauerriet sollen 65 Hektaren Ackerland wieder zu Feuchtgebiet werden – für mehr Biodiversität. Landwirte fürchten aber, dass fruchtbarer Boden verloren geht.
Das Gossauerriet in der Ebene zwischen Mönchaltorf und Gossau war früher eine ausgedehnte Moorlandschaft. In den 1940er Jahren wurde das Moor trockengelegt, um es landwirtschaftlich nutzen zu können. Dies schuf wertvolle Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln.
Doch der Verlust von Moorfläche ging einher mit einem Verlust der Biodiversität. Der Kanton will deshalb einen Teil des Gebiets renaturieren – und im Gegenzug die Produktionsbedingungen für die Landwirtschaft verbessern.
Dies ist Teil der kantonalen Strategie für sogenannte Prioritäre Potenzialflächen für Feuchtgebiete (PPF). Im Gossauerriet hat der Kanton aber keine solchen Flächen bezeichnet, sondern eine Gesamtplanung angestossen.
Der Kanton will, dass auf bestimmten Flächen im Kanton wieder Feuchtgebiete entstehen können. Denn diese gehören zu den Hotspots der Biodiversität. Das entspricht dem gesetzlichen Auftrag, für den ökologischen Ausgleich zu sorgen.
Das Amt für Landschaft und Natur hat deshalb auf dem ganzen Kantonsgebiet insgesamt 1300 Hektaren Land als sogenannte Prioritäre Potenzialflächen für Feuchtgebiete (PPF) definiert. Auf ihnen darf nichts mehr geschehen, das ihr Potenzial einer Regeneration verschlechtern würde. Ausserdem gibt es keine Subventionen mehr für die Sanierung oder Erneuerung von Drainagen. Im Fokus der Strategie stehen unter anderem ehemalige Moorflächen, die durch Trockenlegung zu Ackerland wurden. (bes)
Konkret heisst das, dass für das ehemalige Moorgebiet ein notwendiger Bedarf für neue Feuchtgebiete definiert wurde. Im Gossauerriet sind das 65 Hektaren – rund ein Fünftel des ganzen Bereichs. Dort soll die Wiederherstellung des Feuchtgebiets Vorrang haben.
Biodiversität und Nahrungsmittelproduktion
Das Vorhaben hat bei seiner Vorstellung vor rund zwei Jahren kontroverse Diskussionen in Gang gesetzt, wie die Baudirektion mitteilt. Seitens der Landwirtschaft gab es damals spürbaren Widerstand.
Vor diesem Hintergrund hat das zuständige Amt für Landschaft und Natur entschieden, in einem ersten Schritt die fachlichen Grundlagen im Gebiet zu überprüfen. Dazu hat der Kanton mit Einverständnis der Grundeigentümer auf rund 80 Parzellen im Gossauerriet Erhebungen zur Bodenqualität und zum Zustand der Drainagen – das sind die Bodenentwässerungssysteme – durchgeführt.
Es hat sich laut der Mitteilung gezeigt, dass die Drainagen dank dem sorgfältigen Unterhalt durch die zuständigen Genossenschaften in einem guten Zustand und nur lokal sanierungsbedürftig sind. Die Böden sind damit weiterhin für die Nahrungsmittelproduktion geeignet. Aber nicht nur.
In der Gesamtbilanz bestätigt die Untersuchung, dass sich das Gossauerriet aus ökologischer Sicht auch gut eignet, um einen Teil der einstigen Feuchtgebiete wiederherzustellen.
Entscheid des Kantons sei verantwortungslos
Dass dafür Ackerland aufgegeben werden soll, bereitet Elmar Hüppi Sorgen. Der Landwirt aus Herschmettlen ist Präsident der IG Pro Kulturland. Die Gruppierung vertritt Landwirte, deren Land vom Kanton als prioritäre Potenzialfläche für Feuchtgebiete bezeichnet wurde. Hüppi gehört auch dazu, hat aber selber kein Land im Gossauerriet.
«Wir haben die Gesamtplanung begrüsst», betont Hüppi. Die Ergebnisse der Untersuchung haben ihn aber nicht überrascht. «Wir haben dem Kanton bereits vorher gesagt, dass die Drainagen und Böden im Gossauerriet in gutem Zustand sind», erklärt er.
«Das zeigt auf, dass die Bauern gut darauf schauen, sodass auch in Zukunft Ackerbau betrieben werden kann.» Auf einen Fünftel dieser Fläche zu verzichten, ist für Hüppi verantwortungslos.
Zielkonflikt ist da
«Der Erhalt der Biodiversität und die Nahrungsmittelproduktion sind beides wichtige öffentliche Aufgaben, was mitunter zu Zielkonflikten führt», schreibt der Kanton in einer Mitteilung. Der Kanton will deshalb auch die Bedürfnisse der Landwirte aufnehmen, beispielsweise mit Bodenauswertungen oder Anpassungen bei Wegen.
Für den Kanton gibt es aber keine Alternative zur Wiederherstellung von Feuchtgebieten. «Wir haben den Auftrag, den massiven Rückgang der Biodiversität zu bremsen und dafür geeignete neue Lebensräume zu schaffen», schreibt Katharina Weber von der Medienstelle der Baudirektion auf Anfrage. «Die Zeit drängt, weil sich der Biodiversitätsverlust in den letzten Jahren beschleunigt hat.»

Zwar habe die Gesamtplanung gezeigt, dass die Drainagen nur lokal sanierungsbedürftig seien. «Gleichzeitig hat sie aber auch bestätigt, dass sich das Gossauerriet aus ökologischer Sicht gut eignet, um einen Teil der einstigen Feuchtgebiete wiederherzustellen. Das sind wertvolle Erkenntnisse», betont Weber.
Im Gossauerriet eignen sich zudem mehr als die angestrebten 65 Hektaren für die Wiederherstellung des einstigen Feuchtgebiets. «Das bietet Flexibilität, und diese wollen wir nutzen, um unter Einbezug der Grundeigentümerinnen und -eigentümer gute Lösungen zu finden.»
Angst vor mehr Einschränkungen
Niemand werde dabei zur Aufgabe von Land im Sinne einer Enteignung gezwungen. Zum genaueren Vorgehen kann sich Weber aber auch noch nicht äussern. Dieses werde bis Anfang nächsten Jahrs entwickelt.
Dass der Kanton Landwirte zwingt, ihr Land aufzugeben, daran glaubt Landwirt Elmar Hüppi im Moment nicht. Aber er hat Angst vor grösseren Einschränkungen bei der Bewirtschaftung. «Und was in 10 oder 15 Jahren passiert, wissen wir ohnehin nicht.»
Am meisten Sorgen bereitet dem Herschmettler dabei, wie bei der Wiederherstellung von Feuchtgebieten vorgegangen wird. «Denn das Land wird nicht einfach sich selber überlassen und könnte dann dereinst wieder zu Ackerland werden», erklärt er.
Denn dieses ist nährstoffreich, Feuchtgebiete sind es nicht. Um also Gebiete zu regenerieren, muss der nährstoffreiche Boden abgetragen werden – in der Fachsprache Abhumusierung genannt. «Dieses Land ist dann für die Landwirtschaft für immer verloren – und dagegen werden wir uns mit Kräften wehren.»