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Politik

Widerstand aus Gossau gegen Moor-Pläne des Kantons

Um die Biodiversität zu fördern, will der Kanton Zürich 100 Hektaren Land im Gemeindegebiet Gossau zur Nasswiese machen. Das passt den betroffenen Landwirten nicht. Nun haben sie eine Interessensgruppe gegründet, um gegen die Pläne vorzugehen.

Die IG Pro Kulturland wehrt sich gegen die Pläne des Kantons, Ackerflächen in Nasswiesen zu überführen., Wo heute noch Futter angebaut wird, wäre eine Moorlandschaft. Das sei existenzbedrohend, so die IG:

Archivfoto: Seraina Boner

Widerstand aus Gossau gegen Moor-Pläne des Kantons

Die Bauern des Kantons Zürich und vor allem aus der Region Gossau sind unzufrieden. Das Amt für Landschaft und Natur des Kantons Zürich (ALN) will  bestehende Nutzflächen im Namen der Biodiversität zu Feuchtgebieten umwandeln.

Deshalb hat das Amt auf dem ganzen Kantonsgebiet insgesamt 1300 Hektaren Land als sogenannte «prioritäre Potenzialflächen für Feuchtgebiete» (PPF) definiert; über 100 Hektaren davon liegen im Gemeindegebiet Gossau.

Für die Betroffenen heisst das konkret, dass bestehende Acker in Nasswiesen überführt und somit der Nahrungsmittelproduktion entzogen werden sollen.  

Prioritäre Potenzialflächen für Feuchtgebiete (PPF)

Der Kanton will, dass auf bestimmten Flächen im Kanton wieder Feuchtgebiete entstehen können. Denn diese gehören zu Hotspots der Biodiversität. Das entspricht dem gesetzlichen Auftrag, für den ökologischen Ausgleich zu sorgen.

Das Amt für Landschaft und Natur hat deshalb auf dem ganzen Kantonsgebiet insgesamt 1300 Hektaren Land als sogenannte «prioritäre Potenzialflächen für Feuchtgebiete» (PPF) definiert. Auf ihnen darf nichts mehr geschehen, das ihr Potenzial einer Regeneration verschlechtern würde. Im Fokus der Strategie stehen unter anderem ehemalige Moorflächen, die durch Drainierung zu Ackerland wurden. (bes)

Das stösst den Landwirten sauer auf, vor allem im Hinblick auf den Selbstversorgungsgrad der Schweiz. Sie fühlen sich in ihrer Existenz bedroht. Aus diesem Grund formierte sich die Interessensgemeinschaft IG Pro Kulturland, bestehend aus verschiedenen Bauern der Region und Symphatisanten.

Ziel ist es, Widerstand gegen das Vorgehen des Kantons zu leisten. Das machte die IG an ihrer ersten Pressekonferenz am Mittwoch, 28. September, klar.

Anbau von Nahrung wird verunmöglicht

Elmar Hüppi aus Herschmettlen ist Vorsitzender der IG Pro Kulturland und selber von den PPF betroffen. Wie er sagt, habe sich der Kanton bei der Festlegung der Flächen auf rein theoretische Grundlagen abgestützt, ohne Vorgängig das Gespräch mit den Landeigentümern oder Bewirtschaftern zu suchen.

Wird ein Landwirt gezwungen, sein Ackerland in Feuchtgebiet umzuwandeln, kann das existenzbedrohende Auswirkungen haben, führt Landwirt Hüppi die Folgen dieses Entscheids für seinen Betrieb aus. «So ist der Anbau von Nahrungsmitteln auf einem Moor unmöglich.»

Gossauer Bauer soll aus seinem Acker wieder Moorland machen

09.06.2022

Kanton will mehr Feuchtgebiete

Das Land von Bauer Elmar Hüppi in Herschmettlen gilt als Potenzialfläche für Feuchtgebiete. Beitrag in Merkliste speichern Heinrich Wintsch, ehemaliger Gossauer Gemeinderat und Führungsmitglied der IG Pro Kulturland, schaltet sich ein. «Gemäss Bund können sich Herr und Frau Schweizer ein halbes Jahr lang von schweizerischen Nahrungsmitteln ernähren, danach sind wir auf Importe angewiesen. Und jetzt soll zusätzlich noch fruchtbares Ackerland abgebaut werden – das grenzt für mich an Respektlosigkeit gegenüber unserer hiesigen Ernährungsgrundlage.»

Auswirkungen bereits in Kraft

Obwohl die Folgen der Festlegung der PPF noch nicht ganz klar sind, hat diese bereits heute negative Auswirkungen auf die Landwirte. Ferdi Hodel, Geschäftsführer des Zürcher Bauernverbands, führt aus: «Für jene Gebiete, die der Kanton als PPF festgelegt hat, werden keine Bewilligungen für Bodenaufwertungen mehr erteilt. Weiter erhalten betroffene Bauern keine Subventionen mehr für die Sanierung oder Erneuerung von Drainagen.»

Das alles führe zu einem Wertverlust der betroffenen Parzellen. «Die Flächen haben keine Ertragssicherheit mehr. Ein Umstand, der die Planung eines Betriebes erheblich erschwert und, wie bereits gesagt, zu Existenzängsten führen kann.»

Diverse Forderungen an den Kanton

Es sei nicht in Ordnung, dass die Förderung der Biodiversität fast nur auf Kosten der Landwirte und Nahrungsmittel gefördert werde, so der Tenor an der Pressekonferenz. «Wir Landwirte mussten in den letzten Jahren viel einstecken und uns anpassen; jetzt ist es an der Zeit, dass unsere Anliegen berücksichtigt werden», sagt Elmar Hüppi.

Die Gründung der IG sei ein erster Schritt, um die Interessen der verschiedenen Landwirte und Landeigentümer zu bündeln und so an den Kanton und auch die Öffentlichkeit zu treten. «Wir haben die eine oder andere Forderung an das Amt für Landschaft und Natur», sagt Elmar Hüppi.

«Ich gehe heute auch nicht zu einem Autohändler und lege ihm eine Offerte aus dem Jahr 1995 vor.»
Elmar Hüppi, Vorsitzender IG Pro Kulturland

So sollen Landwirte auf freiwilliger Basis entscheiden können, ob sie ihr Ackerland in Nasswiesen überführen wollen. Weiter soll es auf jenen Flächen, die als Feuchtgebiete ausscheiden, keine Bewirtschaftseinschränkungen mehr geben. Und das kantonale Naturschutz-Gesamtkonzept von 1995 soll dringend überarbeitet werden. «Ich gehe heute auch nicht zu einem Autohändler und lege ihm eine Offerte aus dem Jahr 1995 vor – so funktioniert das einfach nicht» sagt Hüppi.

Weiter fordert die IG, dass Verbesserungsmassnahmen wie die Aufwertung von Drainagen auf den üblichen landwirtschaftlichen Flächen vorangetrieben werden. Und zu guter Letzt wünschen sich die Beteiligten Transparenz vom Kanton bezüglich Entschädigungsansätzen bei Vernässungen ihrer Ländereien.

Nebeneinander statt gegeneinander

Um ihrem Anliegen noch mehr Gehör zu verschaffen, hat die IG eine Plakatkampagne unter dem Motto «Unsere lokale Landwirtschaft braucht eine Zukunft!» lanciert. Die Plakate werden in den nächsten Tagen betroffene Ackerflächen kennzeichnen und die Bevölkerung auf die geplante Vernässung und deren Konsequenzen aufmerksam zu machen.

Hüppi und die anderen IG-Mitglieder hoffen, dass der Kanton zu Gesprächen und Kompromissen bereit ist. «Wir sind überzeugt davon, dass die Landwirtschaft und der Naturschutz nebeneinander funktionieren können.

Experten an Bord geholt

Von Seiten des Kantons wurden auf die schriftlich gestellten Fragen dieser Zeitung nicht konkret eingegangen. Stattdessen schickte das Amt für Landschaft und Natur (ALN) eine allgemeine Stellungname.

So habe die Festlegung der Prioritären Potenzialflächen für Feuchgebiete den Status einer Fachkarte. Heisst, sie wurde nach den neuesten Fachstandarts und unter Einbezug von Expertinnen und Experten mit «sehr guten Kenntnissen der lokalen Situation» erarbeitet.

Die bestimmten Flächen sollen vor Veränderungen geschützt werden, die ihre spätere Entwicklung zu einem Feuchtgebiet erschweren oder verunmöglichen würden. Als Beispiel nennt das ALN die bauliche Bodenaufwertung mit zugeführtem Bodenmaterial. Die Landwirte können die Flächen aktuell weiterhin wie bisher nutzen, so das ALN weiter.

Keine Anhörung der Grundeigentümer

In Bezug auf die Kommunikation mit den Landwirten schreibt das Amt: « Im Rahmen solcher Fachplanungen – auch in anderen Sachgebieten wie zum Bespiel beim Grundwasserschutz oder bei Verkehrsplanungen – erfolgen generell keine Anhörungen der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer. »

In einer nächsten Phase werde die Baudirektion prüfen, wie die Moorregeneration auf den Flächen gezielt gefördert werden kann, auch unter Einbezug von finanziellen Anreizen.

Zeitliche Horizonte werden nicht genannt. « Sollen Aufwertungsmassnahmen angestrebt werden, erfolgt dies im Dialog mit den Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern. Den Vorwurf, dass der Kanton Versprechen gegenüber der Landwirtschaft ignoriert, weisen wir klar zurück», schliesst das Amt seine Stellungnahme.

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