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Gesellschaft

Bauern fordern Antworten zu geplanten Feuchtgebieten

Viele wollten ihre Fragen und ihren Unmut ausdrücken: So auch der ehemalige SVP-Nationalrat Max Binder aus Illnau.

Foto: Bettina Schnider

Bauern fordern Antworten zu geplanten Feuchtgebieten

Veranstaltung in Gossau

Der Kanton will Landwirtschaftsland in Feuchtgebiete umwandeln. In Gossau hat nun hat das zuständige Amt erstmals öffentlich informiert. Betroffene Bauern sind trotzdem unzufrieden.

Bettina Schnider

Marco Pezzatti hatte am Dienstagabend in der Altrüti-Halle in Gossau keinen leichten Stand. Anwesend war er nicht etwa als Gemeindepräsident (FDP) von Seegräben, sondern als Chef des kantonalen Amts für Landschaft und Natur.

Er musste die Pläne des Kantons erklären, Teile von Ackerland wie früher zu Feuchtgebieten zu machen. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt, das Thema scheint Betroffene und andere Interessierte zu bewegen, das Thema scheint Betroffene und andere Interessierte zu bewegen.

Eingeladen zur Informationsveranstaltung hatte der im letzten September gegründete Verein «IG Pro Kulturland». In der Gemeinschaft haben sich Landwirte zusammengeschlossen, die vom kantonalen Projekt «Prioritäre Potenzialflächen für Feuchtgebiete» (PPF) betroffen sind.

Prioritäre Potenzialflächen für Feuchtgebiete (PPF)

Der Kanton will, dass auf bestimmten Flächen im Kanton wieder Feuchtgebiete entstehen können. Denn diese gehören zu Hotspots der Biodiversität. Das entspricht dem gesetzlichen Auftrag, für den ökologischen Ausgleich zu sorgen.

Das Amt für Landschaft und Natur hat deshalb auf dem ganzen Kantonsgebiet insgesamt 1300 Hektaren Land als sogenannte «Prioritäre Potenzialflächen für Feuchtgebiete» (PPF) definiert. Auf ihnen darf nichts mehr geschehen, das ihr Potenzial einer Regeneration verschlechtern würde. Ausserdem gibt es keine Subventionen mehr für die Sanierung oder Erneuerung von Drainagen. Im Fokus der Strategie stehen unter anderem ehemalige Moorflächen, die durch Trockenlegung zu Ackerland wurden.

«Wir sehen uns als Nahrungsmittelproduzenten», sagte Vereinspräsident Elmar Hüppi in seiner Begrüssung. In der aktuellen unsicheren weltpolitischen Situation sei es unverständlich, wieso der Kanton gutes Ackerland versumpfen lassen wolle.

Entschädigungssystem in Planung

Dicht an dicht sassen die Anwesenden in der vollen Halle und hörten die Erklärung von Marco Pezzatti. Er stellte die Themen vor, die sein Amt beschäftigen, von Nahrungsmittelversorgung über Biodiversität. Und der promovierte Agrarwissenschaftler stellte klar: «Ich bin nicht der oberste Naturschützer.»

Auch eine produktive Landwirtschaft sei ihm ein grosses Anliegen – aber eben auch der Naturschutz und die Förderung der Biodiversität. Vor diesem Hintergrund habe man die Prioritären Potenzialflächen für Feuchtgebiete festgelegt. 

Man sieht eine Karte des Kantons, auf der grüne Punkte sichtbar sind.
Hier liegen die Gebiete, die zusammen die 1300 Hektaren Potenzialflächen für Feuchtgebiete ergeben.

«Auf diesen stufen wir das Potenzial für die Regeneration besonders hoch ein», erklärte Pezzatti. Diese Gebiete sind auf einer Karte eingezeichnet. «Das heisst aber nicht, das wird in den nächsten fünf Jahren versumpft.»

Aktuell arbeite das Amt an einem Entschädigungssystem. Die Umwandlung in Feuchtgebiete soll trotzdem freiwillig geschehen.  «Vielleicht kommen einige ja in fünf oder zehn Jahren an den Punkt, an dem sie sagen, ‹doch, jetzt passt das für meinen Betrieb.›» 

Da im Gossauer Riet viel Fläche betroffen ist, ist dort eine sogenannte Gesamtplanung vorgesehen. «Wir erarbeiten jetzt die Grundlagen und werden bald mit den Betroffenen zusammensitzen», versprach der Amtschef.

Wie lange freiwillig?

Vor der Fragerunde ermahnte Elmar Hüppi, Bauer aus Herschmettlen und Präsident der IG Pro Kulturland, die Anwesenden, ihre Fragen gesittet zu stellen. «Keine persönlichen Anfeindungen.»

Viele nutzen die Zeit dann aber, um ihren Unmut über die Agrarpolitik des Kantons auszudrücken. Immer wieder gab es Szenenapplaus nach kritischen Voten.

Pezatti liess sich davon nicht beirren. Er betonte immer wieder, dass nicht sein Amt die politischen Weichen stelle. «Und uns ist die produktive Landwirtschaft wichtig.» Als Beispiel nannte er die Ausbildung am Strickhof für Landwirtinnen und Landwirten.

Ein zentrales Thema bei den Fragen war die Freiwilligkeit. On man diese für immer garantiert könne, wollte ein Anwesender wissen. «Wir müssen uns sicher irgendwann fragen: ‹Erreichen wir die Ziele?›», entgegnete Pezzatti. «Vielleicht justieren wir dereinst die Instrumente.»

«Nach besten Wissen und Gewissen»

Ebenso gaben die Flächen zu Reden, die der Kanton als PPF definiert hat. «Das ist einfach willkürlich», sagte ein Anwesender. «Diese Karte ist mit bestem Wissen und Gewissen auf Basis der vorhandenen Daten erstellt worden», betonte der Amtschef. Im Einzelfall gelte es immer, abzuklären, ob diese Klassifizierung tatsächlich sinnvoll ist.

Zuletzt wollte ein junger Landwirt, dessen Land teilweise als PPF eingestuft ist, wissen, wie er die nächsten 25 Jahre planen soll. «Kommen meine Flächen wieder raus?»

Pezzatti zollte dem Anwesenden zuerst Respekt für seine Berufswahl. Und er ergänzte: «Niemand weiss, wie sich der Milchpreis, der Weizenpreis in 25 Jahren entwickeln wird.» Bei so einem langen Zeitraum bestehen immer Unsicherheiten, ganz unabhängig von den PPF.

Bauern stellen Forderungen

Kurz vor Schluss ergriff abermals Elmar Hüppi das Wort. Er dankte dafür, dass sich Pezzatti und weitere Angestellte des Amts für Landschaft und Natur Zeit genommen hatten. Es sei schade, dass dies nicht bereits früher passiert sei.

Die IG halte aber an ihren Forderungen fest. «Entfernt die Schraffierungen von PPF-Flächen in der Karte», wünschte er sich vom Kanton. «Setzt besser auf richtige Freiwilligkeit und holt die Bauern ab.»

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