Wo steht das GZO Spital vor dem Showdown an der Urne?
Am 30. November wird in neun von zwölf Besitzergemeinden des Regionalspitals an der Urne über eine Finanzspritze entschieden. Wir sagen, welche Themen momentan noch zu reden geben.
Noch wenige Wochen, dann ist er da, der 30. November: ein nächster Schicksalstag für das GZO Spital Wetzikon. An diesem Sonntag wird in neun der zwölf Aktionärsgemeinden über eine Aktienkapitalerhöhung von insgesamt 50 Millionen Franken abgestimmt. Sollte das Geld nicht zusammenkommen, droht gemäss Spitalführung mit ziemlicher Sicherheit der Konkurs.
Neben zahlreichen Info-Veranstaltungen, an denen Spitaldirektor Hansjörg Herren und Verwaltungsratspräsident Andreas Mika in den Gemeinden Rede und Antwort zur gegenwärtigen Situation und zur Urnenabstimmung stehen, beschäftigen sie derzeit auch noch die folgenden Themen.
Die Arbeit des Gläubigerausschusses
Der Gläubigerausschuss, in dem verschiedene Gläubigergruppen vertreten sind, hat inzwischen seine Arbeit aufgenommen. Das Gremium wurde an der gesetzlich einberufenen Gläubigerversammlung im September eingesetzt, nachdem eine kleine, laute Gläubigergruppe versucht hatte, die vom Gericht eingesetzten und mehrmals bestätigten Sachwalter abzusetzen.
Der Ausschuss überwacht nun die Arbeit der Sachwalter. In regelmässigen Abständen kommt er dafür zusammen. Die fünf gewählten Mitglieder sind gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Verwaltungsratspräsident Andreas Mika und Spitaldirektor Hansjörg Herren wohnten bisweilen den Sitzungen bei und erklären, dass man gute Gespräche mit verschiedenen Gläubigern führe. «Wir erhalten Signale, bei der Schärfung des Sanierungskonzepts in die richtige Richtung zu gehen», sagt Mika. Dieses wollte man eigentlich im Oktober im Verwaltungsrat endgültig verabschieden.
Die Nachschärfung des Sanierungskonzepts
Aus Oktober wird nun allerdings Dezember, wie der Spitaldirektor erklärt. «Unser Fokus liegt momentan auf den Urnenabstimmungen zur Aktienkapitalerhöhung. Die geschärfte Variante ist einfach noch nicht spruchreif.» Der ursprüngliche Plan sah vor, dass die Gläubiger auf bis zu 70 Prozent ihrer Forderungen verzichten müssen. Zu viel für viele. Wie also will das Spital zu mehr Geld kommen, um die Gläubiger milde zu stimmen?
So wirklich können das die Verantwortlichen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Sie nennen dafür rechtliche Gründe und noch nicht abgeschlossene Verhandlungen. Zentraler Bestandteil ist allerdings die Fertigstellung des Neubaus, in den bisher 105 Millionen Franken geflossen sind. Mit diesem Geld konnte aber selbst der Rohbau nicht vollendet werden.
Die Bewältigung der Vergangenheit
Das führt zwangsläufig zur Frage, was mit den restlichen 65 Millionen Franken der aufgenommenen 170-Millionen-Franken-Anleihe passiert ist. Oder mit dem Geld aus einem Darlehen in Höhe von weiteren 65 Millionen Franken. In Rüti wurde diese Frage erstmals in der Öffentlichkeit beantwortet.
2014 hatte das Spital insgesamt 235 Millionen Franken mit der Anleihe und dem Darlehen aufgenommen. Davon besass das Spital 180 Millionen Franken in cash. Grund für den sofortigen Geldabfluss von 55 Millionen Franken war neben Betriebsinvestitionen die Rückzahlung von Finanzverbindlichkeiten, darunter eine vorzeitige Rückzahlung eines Darlehens an die Gesundheitsdirektion Kanton Zürich in Höhe von 32 Millionen Franken.
Innert zehn Jahren konnten aus dem laufenden Betrieb 115 Millionen Franken erwirtschaftet werden, was zu einem Total von 295 Millionen an Liquidität führte.
Welche Zahlungen wurden von diesem Geld getätigt?
- 50 Millionen für Zinsen
- 70 Millionen für den Ersatz von technischen Geräten und IT sowie Investitionen in den Altbau
- 105 Millionen für das Bauprojekt
- 5 Millionen für Rückzahlungen von Fremdkapital
2023 beliefen sich die Schulden auf 230 Millionen Franken, flüssige Mittel standen noch 65 Millionen Franken zur Verfügung.
In der Öffentlichkeit stehen nach wie vor Fragen zur Aufklärung und Aufarbeitung der Vergangenheit im Raum: Wieso wurde eine Anleihe aufgenommen, als praktisch kein Eigenkapital vorhanden war? Wieso beschäftigte man sich nicht früher mit der Refinanzierung? Wer hatte welche Verantwortung?
Für die Verantwortlichen steht die Vergangenheitsbewältigung derzeit aber nicht im Fokus. «Wir müssen während der Nachlassstundung andere Prioritäten setzen und unsere zeitlichen und finanziellen Ressourcen für die Gläubiger schützen. Eine Aufarbeitung zum jetzigen Zeitpunkt würde viele Stunden und viel Geld kosten», erklärt der Verwaltungsratspräsident. Und der Spitaldirektor ergänzt: «Eine Aufarbeitung ist auch die Pflicht der Besitzer, also der Aktionärsgemeinden.» Die Sorgfaltspflicht der Spitalführung sei es, aufzuzeigen, wie es in Zukunft weitergehe. Auch mit dem Neubau.
Die Finanzierung zur Fertigstellung des Neubaus
Aktuell wird an einer Möglichkeit gearbeitet, wie die Fertigstellung des Neubaus finanziert werden kann: Aus einem Risiko soll eine Chance werden. So habe das Spital positive Signale aus dem Banken- und Wirtschaftssektor erhalten, bereits während der Nachlassstundung ein neues Darlehen zur Fertigstellung des Komplexes aufzunehmen. Es gebe deutliche Zeichen, dass eine frühzeitige Finanzierung gelingen könnte. «Geld fliesst noch keines, es geht um Planungssicherheit. Zudem muss die Frage der Besicherung noch geklärt werden», erklärt Hansjörg Herren.
«An diese Möglichkeit hat vorher niemand gedacht. Mit dem Stempel der Gesundheitsdirektion, nicht versorgungsrelevant zu sein, erschien so ein Vorhaben auf den ersten Blick als völlig unmöglich», sagt der Spitaldirektor. Deshalb ging es bisher darum, sich des Neubaus erst nach der Nachlassstundung anzunehmen.
Warum wurde diese Möglichkeit aber nicht schon letztes Jahr in Betracht gezogen? Andreas Mika nennt die Zeit als Faktor, in der das Sanierungskonzept reifen konnte. Er erwähnt die neue Spitalführung, die out of the box denken konnte. Und Hansjörg Herren ergänzt: «Hätten wir dieses Szenario im letzten Herbst vorgeschlagen, wären wir als Fantasten verschrien worden, die ihr aktuelles Problem noch nicht mal gelöst haben und schon wieder das nächste Geld aufnehmen wollen.»
Inzwischen könne man aber die Vorteile einer früheren Fertigstellung aufzeigen. Der Verwaltungsratspräsident nennt:
- einen effizienteren Spitalbetrieb
- die frühzeitig geklärte Frage der Finanzierung des Neubaus
- Risikoreduzierung für die Gemeinden, «auf die wir nicht mehr zukommen werden, um Geld zu erhalten»
- weniger Investitionen in den Altbau und damit mehr Möglichkeiten für die Nachschärfung des Sanierungskonzepts, sprich mehr Geld für die Auszahlung der Gläubiger
Die Gespräche um einen Spitalverbund
Will die Führungsriege mit diesem Vorgehen den Standort Wetzikon für Verhandlungen in einem möglichen zukünftigen Spitalverbund stärken?
«Nein, Wetzikon soll mit einem fertigen Neubau nicht zum Zentrum eines Spitalverbunds werden», dementiert Mika entschlossen. Natürlich gehe es beim Aufbau eines Verbunds darum, gemeinsam zu entscheiden, welche Angebote an welchem Standort aus- oder abgebaut würden.
Und auch wenn die Spitäler in Uster und Männedorf bereits die Frauenklinik Züri Ost aufgebaut hätten, «habe ich nicht die Befürchtung, dass der Zug schon abgefahren ist, zumal es auch noch andere denkbare Partner gibt».
Vielmehr machen der Verwaltungsratspräsident und der Spitaldirektor deutlich, dass sie nicht nur einen Verbund wollen, sondern auch eine Transformation an ihrem Standort anstreben. «Alle reden immer nur von den Spitälern, aber es gibt auch andere Institutionen und Player, deren Integration sinnvoll wäre, sprich Hausärzte, Rehabilitation oder Spitex.»
Es würden weiterhin Gespräche hinter verschlossenen Türen geführt, noch immer wolle sich niemand zum GZO öffentlich bekennen, solange dieses in der Nachlassstundung stecke. Herren erklärte auch in Rüti an der Info-Veranstaltung: «Wir erhalten klare Hinweise, dass ein Verbund möglich ist.»
Die Kommunikationsoffensive
In Rüti wurde ebenfalls deutlich, dass sich Gemeindepräsidentin Yvonne Bürgin (Die Mitte) trotz neuer Führung und Strategie nicht umfassend informiert fühlte. Sie warf Herren und Mika intransparente Planung und Kommunikation vor.
Dabei hat das Spital neben den zahlreichen Info-Veranstaltungen die Kommunikation auf den eigenen Kanälen massiv hochgeschraubt. Publireportagen, ein Podcast sowie Newsletter sollen eine entsprechende Information in die Tiefe sicherstellen.
«Uns werden aus der Bevölkerung oder Politik immer noch dieselben Fragen gestellt», so der Spitaldirektor. Man habe das Gefühl, dass viele unzureichend informiert seien, «was aus unserer Sicht sicher mit der Komplexität des Themas zusammenhängt».
Immer wieder habe man mit Zuspitzungen, tendenziösen oder sogar falschen Aussagen zu kämpfen, erklärt die Spitalführung. «Bei Informationen von uns aus erster Hand können wir sicherstellen, dass diese faktentreu sind.»
«SRF DOK»: Spitäler in Not – Wie kann die Reform gelingen?
Viele Spitäler kämpfen finanziell ums Überleben – und das, obwohl die Gesundheitskosten steigen. Sollen serbelnde Spitäler wie das GZO Spital gerettet werden? Es gibt auch Ansätze, wie die Qualität verbessert und die Gesundheitskosten stabilisiert werden könnten.
Am Donnerstagabend, dem 6. November, werden die Zuschauerinnen und Zuschauer auf SRF 1 um 20.10 Uhr in der Dokumentation «Spitäler in Not – Wie kann die Reform gelingen?» auf eine Reise durch Spitäler im In- und Ausland mitgenommen. (zo)