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Gesellschaft

Verschwundene Oberländer Bahnen

Ein grosser Traum von Adolf Guyer-Zeller: Die Eisenbahnlinie von Uerikon bis Bauma

Sie versprach, eine Erfolgsgeschichte zu werden: Die Bahnlinie zwischen Uerikon und Bauma. Doch es sollte ganz anders kommen.

Damals herrschte bei der UeBB noch Feierlaune: der Festzug bei der Ausfahrt aus der Station Uerikon am 30. Mai 1901.

Foto: Chronik Bäretswil

Ein grosser Traum von Adolf Guyer-Zeller: Die Eisenbahnlinie von Uerikon bis Bauma

Sie versprach, eine Erfolgsgeschichte zu werden: die Bahnlinie, die den Zürichsee mit dem Tösstal verband. Doch es sollte ganz anders kommen.

Ende des 19. Jahrhunderts fand in der Schweiz ein regelrechter Bauboom bei den Eisenbahnen statt. Im Zürcher Oberland entstanden zwischen 1856 und 1876 die Glattalbahn, die Tösstalbahn und die Verbindung Effretikon–Wetzikon–Hinwil.

Als auch die Linie entlang dem Zürichsee in Betrieb war, stand schliesslich die Frage nach Querverbindungen im Raum. Denn wie sollte man direkt vom Tösstal ins Glattal oder an den Zürichsee gelangen? Erste Abhilfe schaffte die Uerikon-Bauma-Bahn (UeBB). Ihre Eröffnung fand am 1. Juni 1901 statt.

Vor 75 Jahren wurde das Ende der letzten privaten Eisenbahnlinien im Zürcher Oberland beschlossen. In einer mehrteiligen Serie stellen wir drei Linien vor, die aus der Region verschwunden sind – und eine, die geblieben ist. (aki)

Doch es sollte sich zeigen, dass der Ruf nach dieser Verbindung deutlich grösser war als ihr tatsächlicher Nutzen. Dazu aber später mehr.

Vom Oberland an den Zürichsee

Treibende Kraft hinter der UeBB war kein Geringerer als der Industrielle Adolf Guyer-Zeller. Der Oberländer Baumwollfabrikant hatte grosses Interesse am Eisenbahnbau und entwickelte eigene Projekte – darunter jenes der Jungfraubahn.

Seine Idee für eine «Transversalbahn von Uerikon nach Bauma» stellte er am 23. Januar 1895 im Gasthof Löwen in Bubikon vor. Das Versammlungsprotokoll von damals ist erhalten geblieben. Daraus geht hervor, dass Guyer-Zeller die Vorzüge der Strecke für den Güterverkehr hervorhob und auf die Synergien bei den bereits vorhandenen Stationen Uerikon, Bubikon, Hinwil und Bauma verwies.

Man sieht eine Karte, auf der eine Eisenbahnstrecke eingezeichnet ist.
So verlief die Uerikon-Bauma-Bahn vom Zürichsee bis ins Tösstal.

Er betonte, dass durch die neue Bahn «die alte Verbindungslinie zwischen Zürcher Oberland und Zürichsee wiederhergestellt» wäre. Die an diesem Tag anwesenden Gemeindevertreter stellten sich begeistert hinter das Projekt.

Sie sicherten auch die Beiträge für das nötige erste Drittel der geschätzten Baukosten von 2,4 Millionen Franken zu. Das zweite Drittel sollte der Kanton übernehmen, und das letzte wollte Guyer-Zeller der Nordostbahn aufs Auge drücken.

Zur gleichen Zeit stand auch eine Tramlinie von Stäfa via Grüningen, Wetzikon und Bäretswil nach Bauma zur Debatte. Entsprechend unzufrieden war der Wetziker Gemeinderat über Guyer-Zellers Pläne. Er bezeichnete diese als «Vergewaltigung der Interessen einer ganzen Landesgegend».

Trotzdem war er bereit, das Tramvorhaben von Wetzikon nach Bauma aufzugeben. Im Gegenzug forderte er aber einen Bahnhof in Emmetschloo, um eine gute Verbindung zwischen der weiterhin geplanten Linie Stäfa–Wetzikon und der neuen Uerikon-Bauma-Bahn sicherzustellen. Der Zürcher Regierungsrat unterstützte dieses Begehren.

Bau dauerte zwei Jahre

Am 29. Juni 1895 erhielt die UeBB die Konzession von der Bundesversammlung. Nun stellte sich die Frage nach der tatsächlichen Finanzierung. Der Kantonsrat sicherte eine Subventionierung in Höhe von einer Million Franken zu. Weitere zwei Millionen verteilten sich auf die Schweizerische Nordostbahn sowie die acht beteiligten Gemeinden und Adolf Guyer-Zeller.

Der Bundesrat genehmigte das allgemeine Bauprojekt am 24. Januar 1899. Kurze Zeit später, am 3. April desselben Jahrs, starb der UeBB-Schöpfer Guyer-Zeller. Die Angst, sein begonnenes Werk könnte nun unvollendet bleiben, erfüllte sich nicht. Bereits am 5. Juni erfolgte der Baustart.

Die Arbeiten waren vor allem zwischen Bäretswil und Bauma mit einigen Schwierigkeiten verbunden, darunter Erdrutsche, starke Regenfälle und schlechter Baugrund, der Streckenanpassungen nötig machte.

Die Eröffnung der Bahnlinie sollte am 1. Juni 1901, also nach gut zweieinhalb Jahren Bauzeit, stattfinden. Die feierliche Einweihung war am 30. Mai. An diesem Tag fuhr der festlich dekorierte Zug, gezogen von zwei Dampfloks der Tösstalbahn, von Uerikon über Hinwil bis Bauma und später wieder zurück.

Die Rolle der Tösstalbahn

Der Verwaltungsrat strebte an, für Betrieb und Unterhalt eine der benachbarten Bahngesellschaften zu gewinnen. Einen Selbstbetrieb stufte er wegen der verhältnismässig kurzen Linie als nicht zweckmässig ein. Nach langem Hin und Her konnte man sich schliesslich mit der Tösstalbahn einigen und ging eine Betriebsgemeinschaft ein.

Durch eine Kombination der Fahrpläne beider Bahnen waren direkte Verbindungen zwischen dem Zürichseeufer und Winterthur möglich. Gleichzeitig sorgte die neue UeBB für die Aufhebung der verschiedenen Pferdepostkurse und die Einführung einer Bahnpost.

Man sieht eine alte Aufnahme eines Fahrplans.
So verkehrten einst die Züge der UeBB: am Vormittag zwei und am Nachmittag drei.

Trotz der anfänglichen Euphorie hielt sich der Erfolg bereits zu Beginn in Grenzen. Täglich verkehrten nur fünf Züge in jede Richtung. Die Frequenz war im Personen- und auch im Güterverkehr gering. Am Ende des ersten Jahrs konnte die UeBB folgende Zahlen ausweisen: 2135 Züge mit durchschnittlich 45 Reisenden, 104 Kilogramm Gepäck und 2288 Kilogramm Gütern pro Zug.

Daraus resultierten Einnahmen von gut 64’600 Franken. Hinzu kamen ungeplante Ausgaben, die nicht zuletzt verschiedenen Betriebsstörungen und laufenden Instandhaltungsarbeiten geschuldet waren. Entsprechend resultierte ein schlechtes Betriebsergebnis. Das Minus betrug knapp 26'600 Franken. Der Verwaltungsrat versuchte es daraufhin mit verschiedenen Sparmassnahmen, etwa beim Personalbestand oder bei der Zahl eingesetzter Züge. Doch dieser Ansatz fruchtete nicht.

Auch das Betriebsjahr 1902 war defizitär und schloss mit einem Minus von knapp 41'450 Franken ab. Hinzu kamen laufende Unterhaltsarbeiten an den Gleisanlagen, die für unvorhergesehene Ausgaben sorgten. Zum ersten Mal stellte man sich die Frage, ob es überhaupt sinnvoll sei, das Vorhaben UeBB weiterzuführen.

Auf Talfahrt trotz Sparkurs

Schliesslich führte die unsichere Lage zum Bruch mit der Tösstalbahn, die Betriebsgemeinschaft wurde aufgelöst. Ab 1905 kümmerte sich die UeBB selbst um Betrieb und Unterhalt. Die Bahngesellschaft setzte auf einen rigorosen Sparkurs.

Zu diesem gehörte unter anderem der Einsatz von möglichst kostengünstigen Zugmaschinen. 1906 kaufte die Bahngesellschaft den Dampftriebwagen UeBB CZm ½ Nr. 31 der SBB. Dieser hatte den Vorteil, dass er Trieb- und Transportfahrzeug in einem ist. Er war meistens ohne zusätzliche Wagen unterwegs und hatte einen sparsamen Kohleverbrauch.

Drastische Einschnitte brachten der Erste Weltkrieg und die Nachkriegsjahre mit sich. Die Zeit war geprägt von reduziertem Fahrbetrieb, Kohlemangel und zusätzlichen finanziellen Einbussen. Die UeBB musste zwei Finanzspritzen in Anspruch nehmen, wobei sich der Kanton Zürich, die Bahngemeinden und beim zweiten Mal auch der Bund beteiligten. Trotzdem zeichnete sich keine langfristige Entspannung der Lage ab. Von 1932 bis 1939 schloss keine Jahresrechnung gewinnbringend ab.

Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs läutete eine Wende ein – zumindest, was die Transportzahlen betraf. Schuld war unter anderem der Treibstoffmangel. Dieser bremste den Siegeszug der Autos, der in der Zwischenkriegszeit begonnen hatte, aus.

Der Verkehr verlagerte sich kurzzeitig von der Strasse zurück auf die Schiene. Dem verdankte die UeBB 1945 eine Rekordzahl von 249'202 beförderten Fahrgästen. Höheren Einnahmen standen aber auch mehr Ausgaben gegenüber, verursacht durch die Teuerung.

Wegen der schlechten Finanzlage konnte die Bahn die laufenden Betriebskosten nicht decken. Der Unterhalt der bestehenden Anlagen und Einrichtungen funktionierte zwar, grosse Erneuerungen oder Modernisierungen waren aber nicht möglich.

Das Ende naht

Den Regierungsrat beschäftigte die stete Not der UeBB – aber auch der anderen zürcherischen Nebenbahnen –, und er beauftragte einen externen Gutachter. Dieser kam zum Schluss, dass der Bahnbetrieb durch Autobusse zu ersetzen sei – und zwar nicht nur bei der Uerikon-Bauma-Bahn, sondern auch bei der Uster-Oetwil-Bahn und der Wetzikon-Meilen-Bahn, die zur gleichen Zeit in der Region entstanden waren.

Das Ende der Oberländer Bahngesellschaften war eingeläutet. 1946 kam es zu einer kantonalen Volksabstimmung, in der die Reorganisation der drei Gesellschaften beschlossen wurde. Die neu gegründeten Verkehrsbetriebe Zürcher Oberland (VZO) übernahmen mit ihren Bussen die stillgelegten Linien.

Der Abschnitt Hinwil–Bäretswil–Bauma blieb zu Beginn noch erhalten. Er wurde elektrifiziert und ging an die SBB über. 1969 musste auch er dem Busbetrieb weichen. Nach dem letzten Betriebsjahr 1948 ging die UeBB in Liquidation, die 1950 rechtlich abgeschlossen war.

Die Schienen auf den Abschnitten Uerikon–Hombrechtikon–Wolfhausen und Hinwil–Dürnten–Bubikon wurden abgebrochen. Heute erhalten sind nur noch der obere Streckenabschnitt Hinwil–Bauma, den der Dampfbahn-Verein Zürcher Oberland (DVZO) für seinen Betrieb nutzt, und das Industriegleis zwischen Wolfhausen und Bubikon.

Vom einstigen Bahnbetrieb zeugen noch verschiedene Überreste wie der Bahndamm um den Brunegg-Hügel zwischen Uerikon und Hombrechtikon oder weitere Bahndämme durch das Moor oberhalb von Uerikon und in Dürnten Richtung Edikon. Auch die beiden Stationsgebäude in Hombrechtikon und Dürnten sind wie ein Fenster in die Vergangenheit – so, als könnte im nächsten Moment ein UeBB-Dampfzug vorfahren.

Simulierte Zugfahrt auf dem alten Industriegleis zwischen Wolfhausen und Bubikon. (Video: Simon Grässle)

Als Quellen für diesen Artikel dienten das Buch «Uerikon-Bauma-Bahn, Rückblick und Ausblick» von Walter Aeschlimann und Hugo Wenger, die Chronik Bäretswil sowie die Website eingestellte-bahnen.ch.

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