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Oberländer Sportmomente (12)

Als der EHC Wetzikon für Schlagzeilen in der Nationalliga B sorgte

In den 1980er-Jahre spielte der EHC Wetzikon fünf Saisons in der NLB. Der sportliche Erfolg bleibt in dieser Zeit überschaubar. Und der Verein ächzt schnell einmal unter einer grossen Schuldenlast.

Die Mannschaft des EHC Wetzikon für das erste Jahr in der NLB 1980.

Foto: PD

Als der EHC Wetzikon für Schlagzeilen in der Nationalliga B sorgte

In den 1980er Jahren spielte der EHC Wetzikon fünf Saisons in der NLB. Der sportliche Erfolg blieb in dieser Zeit überschaubar. Und der Verein ächzte schnell einmal unter einer grossen Schuldenlast.

Heute ist so etwas undenkbar. Aber es ist auch schon 42 Jahre her, seit sich diese Episode zugetragen hat. Der EHC Wetzikon spielt zu jener Zeit in der Nationalliga B. Er sorgt da mit seinen finanziellen Problemen mindestens für so viele Schlagzeilen wie mit seinen sportlichen Auftritten.

Im Januar 1983 kämpft der EHCW mit einem Torhüterproblem. Stammgoalie André Mürner ist gegen Herisau nicht einsetzbar, ebenso Ersatz Heinz Menet. Blöd nur, dass sich im Spiel gegen die Appenzeller auch Juniorenkeeper Rolf Wolfensberger verletzt und vom Eis muss.

Die Oberländer haben keine Wahl: Von der 15. bis zur 19. Minute müssen sie ohne Torhüter weiterspielen. Und kassieren in dieser Phase zwei Gegentreffer. Dann hat sich Verteidiger Gerold Ursprung in die Ausrüstung gezwängt. Er stellt sich ins Tor und entpuppt sich als so talentierter Goalie, dass der EHCW die Partie tatsächlich gewinnt.

Es dürfte einer der aussergewöhnlicheren Siege sein, die der EHC Wetzikon in seiner ganzen Zeit auf der zweithöchsten nationalen Bühne feierte. 47 Siege sind es total: Das mag nach viel tönen. Die Zahl relativiert sich indes, wenn man bedenkt, dass die Wetziker fünf Saisons der Nationalliga B angehörten und dabei insgesamt 138 Partien bestritten.

Fast 2000 Fans im Schnitt

Nachdem er zuvor zweimal hintereinander in der Aufstiegsrunde gescheitert ist, gelingt dem EHCW 1980 mit dem abschliessenden 4:1-Heimsieg gegen Luzern der NLB-Aufstieg. Klar ist danach: Die aus lauter Amateuren bestehende Mannschaft muss verstärkt werden. Der Verein verpflichtet seine ersten zwei kanadischen Profis: Gary Murphy und Gérald Leroux.

Letzterer ist erst 22, als er zum Aufsteiger stösst. Der Angreifer passt perfekt ins junge Team, dessen Durchschnittsalter knapp 22 Jahre beträgt. Christian Wittwer führt die Mannschaft als Spielertrainer. Und ist überzeugt: «Die Stärke des Teams ist die Ausgeglichenheit.»

Die NZZ vermutet in ihrer Saisonprognose, der EHC Wetzikon könne jedem Gegner gefährlich werden. Woran sie das festmacht? Primär am Aufgalopp in die Meisterschaft, also den Testspielen der Oberländer.

«Eine sichere Verteidigung mit dem hervorragenden Torhüter Mürner, ausgeglichene Sturmformationen mit den beiden kanadischen Torjägern und resolutes Coaching tragen wesentlich zu den Erfolgen in den Trainingsspielen bei», schreibt die NZZ damals.

Ganz so leichtfüssig präsentieren sich die Wetziker danach in der Meisterschaft zwar nicht, sie halten aber gut mit. Der Verein budgetiert für seine Premiere im nationalen Rampenlicht mit 1800 Besuchern pro Spiel. Die Annahme scheint aus heutiger Sicht überaus mutig, wird aber sogar übertroffen.

1915 Fans strömen durchschnittlich ins Stadion und dürfen sich am Schluss über den Ligaerhalt ohne Umweg über die Abstiegsrunde freuen. In diese wurden in der Saison 1980/1981 lediglich die schwächsten 4 der 16 Teams verwiesen. In späteren Jahren waren es bei wechselndem Modus immer deutlich mehr.

Grossen Anteil am guten ersten EHCW-Abschneiden im neuen Umfeld tragen die Kanadier Murphy und Leroux bei. Sie erzielen über 40 Prozent der Wetziker Tore. Und liegen in der NLB, in der die ausländischen Verstärkungen den Ton in der Offensive angeben, über dem Ligadurchschnitt.

Leroux ist eine Konstante

Nach zwei Saisons in Wetzikon zieht Murphy weiter zum SC Herisau. Leroux ist derweil in den wechselvollen NLB-Jahren des EHCW eine der Konstanten. Der klein gewachsene Stürmer (er ist unter 1,70 Meter) bleibt vier Jahre im Zürcher Oberland. Und liefert Tore und Vorlagen in Hülle und Fülle.

133 Treffer und 127 Assists sammelt Leroux, der vor dem Wechsel nach Europa in Kanada auch einige Spiele mit dem legendären Wayne Gretzky bestritten hatte. Gretzky wird allgemein als grösster Eishockeyspieler aller Zeiten angesehen. In Wetzikon ist hingegen alles ein paar Nummern kleiner als im Mutterland des Eishockeys. Das dürfte Leroux schnell festgestellt haben.

guy leroux, wetziker nlb-ausländer
Gérald Leroux spielte sich in die Herzen der Wetziker Fans und blieb vier Jahre im Oberland.

Die Strukturen des Klubs sind eigentlich nicht NLB-würdig. Ein Beispiel dafür? Der von 1979 bis 1982 amtierende Präsident Pius Acker funktioniert bei seinem Arbeitgeber ohne dessen Einwilligung ein Sitzungszimmer immer mehr zum Klubsekretariat des B-Ligisten um. Vor die Wahl gestellt, den Präsidentenposten aufzugeben oder die Stelle, entscheidet sich Acker für den EHCW.

Der Verein ächzt im zweiten NLB-Jahr bereits unter einer Schuldenlast von über 300’000 Franken. Acker gibt bald auf und wird von einer fünfköpfigen Trägerschaft abgelöst. Rolf Christener führt diese. Es ist im Zusammenhang mit der finanziellen Schieflage des Vereins eine besondere Pointe, dass Christener damals als Betreibungsbeamter in Wetzikon arbeitet.

Nach der dritten NLB-Saison beträgt das Minus schon rund 600’000 Franken. Wobei das Ausmass der Bescherung nicht auf den Franken genau beziffert werden kann. Ein mit der Rechnungsprüfung beauftragter externer Buchhalter kann seine Aufgabe nicht erfüllen – er trifft offenbar auf eine vogelwilde Buchhaltung.

Ein Jahr nach dem Abstieg weist der EHCW 1986 an der Generalversammlung noch immer eine Schuld von 337’000 Franken aus. Der Verein teilt seinen Mitgliedern mit, er befinde sich auf dem Weg in den finanziellen Normalzustand.

Neubeginn in der 3. Liga

Turbulenzen gibt es in den NLB-Jahren beim EHCW nicht nur abseits vom Eis. Ein bisschen wie in einem Taubenschlag geht es auch auf der wichtigsten sportlichen Position zu und her. Jede der fünf Saisons beginnen die Wetziker mit einem neuen Trainer.

Im zweiten Jahr verpflichten sie mit Rick Nickelchock erstmals einen Kanadier für die Position hinter die Bande. Die Halbwertszeit des 25-Jährigen ist kurz. Im Januar suspendiert ihn der EHCW. Zu diesem Zeitpunkt liegen die Oberländer auf dem vorletzten Platz. Nicht die Tabellenlage sei ausschlaggebend gewesen für den Trainerwechsel, «sondern das gestörte Verhältnis zwischen ihm und der Mannschaft», lautet die Begründung.

1985 geht die NLB-Zeit des EHC Wetzikon zu Ende. Auf dem zweitletzten Rang beenden die Wetziker die acht Mannschaften umfassende Abstiegsrunde. Satte 21 Punkte fehlen zum Ligaerhalt. Die Klubführung entschliesst sich danach zu einem drastischen Schritt: dem Neubeginn in der 3. Liga.

Nach nur einer Saison ist dieser Spuk vorbei – die Wetziker steigen auf und sind seither auch gar nie mehr so weit unten zu Gast gewesen. Mittlerweile spielt der EHCW die zweite Saison in der höchsten Amateurliga MHL. Er hat da seinen Platz gefunden.

Wohl auch aufgrund seiner Zeit in der zweithöchsten Liga ist der Verein in Wetzikon fest verankert. Und hat noch immer die Ausstrahlung, in entscheidenden Spielen die Massen anzuziehen. Rund 2600 Fans sind im März 2024 dabei, als Wetzikon zu Hause den Meistertitel der 1. Liga gewinnt. Es ist eine Zahl, von der das eine oder andere Profiteam nur träumen kann.

Oberländer Sportmomente

Denkwürdiges, Erheiterndes und Historisches aus dem Oberländer Sportgeschehen: In loser Reihenfolge blicken wir zurück auf besondere Sportmomente. Bisher erschienen:

(1) Der grösste Triumph: «Wie die Silberpfeile Sauber-Geschichte schrieben»

(2) Oliver Zaugg: «Wie der Edelhelfer aus Pfäffikon die Radwelt verblüffte»

(3) Sensation im Cup: «Wie der EHC Dübendorf den Schweizer Meister übertölpelte»

(4) Der einzige Meistertitel: «Wie die Frauen des FC Schwerzenbach ihren grossen Coup landeten»

(5) Die Radquer-WM in Wetzikon: «Als ausgerechnet an der Heim-WM die Titelserie von Albert Zweifel endete»

(6) Das Schoch-Duell: «Wie zwei Tösstaler Brüder Olympia-Gold unter sich ausmachten»

(7) Glattaler Höhenflug: «Wie sich der EHC Dübendorf neun Jahre lang in der Nationalliga B hielt»

(8) Brigitte Oertli: «Sie war die Schnellste – und wurde doch wieder nur Zweite»

(9) Cup-Sieg der KZO: «Wie die Wetziker Basketballerinnen ihren einzigen Titel gewannen»

(10) Doppelsieg beim GP von Kanada: «Wie das Sauber-Team sein einziges Formel-1-Rennen gewann»

(11) Das NLB-Abenteuer des FC Rüti: «Als der FC Rüti die Schweizer Fussballwelt überraschte»


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