Der «Hirschen» ist zurück – und bringt frischen Wind nach Hinwil
Boutiquehotel, Tavolata und Nachhaltigkeit
Mitte Mai hat die Gemeinde mit Stefan Keel einen neuen Wirt für den Gasthof Hirschen gefunden. Er hat grosse Pläne für das Traditionslokal.
Vor genau einem Jahr sah es um die Zukunft des Gasthofs Hirschen noch düster aus. Der ehemalige Pächter kündigte per Ende September 2024. Damals schrieb die Gemeinde: «Ziel ist es, eine Nachfolge zu finden, die nicht nur die Tradition des Gasthofs fortführt, sondern auch innovative Ideen zur Weiterentwicklung des gesamten Betriebs mit Saal und Hotel einbringt.»
Das scheint der Gemeinde gelungen zu sein – mit Stefan Keel. Er ist gelernter Koch, ehemaliger Hoteldirektor und seit Anfang Mai der neue Wirt des «Hirschen». Mitte September konnte er nun auch das Restaurant eröffnen.
«Gemeinsam mit der Gemeinde haben wir das Gebäude renoviert. Sie hat handwerkliche Arbeiten übernommen, ich die Inneneinrichtung», sagt der neue Betreiber, der selbst in Hinwil zu Hause ist und sich nach Jahren in der Hotelführung selbständig machen wollte.
Altes Haus, neue Ideen
Nach den Renovierungsarbeiten eröffnete Keel den «Hirschen» schrittweise. Den Anfang machte er mit dem Gemeindesaal, der zum Lokal gehört. Keel kümmert sich nun auch um die Akquise von Events und Firmen.
Seit letztem September hatte sich die Gemeinde um die Vermietung des Saals gekümmert – während dieser Zeit stand er jedoch nur Vereinen aus dem Dorf zur Verfügung. Mit einem neuen Wirt konnte die Gemeinde diese Aufgabe wieder an den «Hirschen» zurückgeben.
Doch nicht nur der «Hirschen»-Saal macht das historische Gebäude im Dorfkern aus. Auch das Gasthaus gehört zum Traditionslokal – und hier brachte der neue Wirt frischen Wind ein: Er verwandelte den Betrieb neben dem Restaurant in ein «Boutiquehotel».
«Der Begriff des Boutiquehotels bedeutet für mich ein Ort der Wärme und des Wohlbefindens», erklärt der Hinwiler. Ganz nach diesem Prinzip habe er auch die zwölf Zimmer gestaltet: schlicht, modern und persönlich.
Doch das ist nicht alles, was sich Keel für sein Herzensprojekt überlegt hat. Im zweiten Stock des Hauses bietet er Sitzungszimmer und sogenannte Co-Working-Spaces an. «Mit diesem breiten Angebot möchte ich Menschen aus allen Generationen und Tätigkeitsbereichen etwas bieten», erklärt er. «Ausserdem kann ich so Einzelpersonen und auch grosse Gruppen bedienen – vom abgegrenzten Arbeitsplatz bis hin zum Saal für bis zu 300 Personen.»
Der neue Gastgeber hat klare Vorstellungen, wohin sich der «Hirschen» entwickeln soll. Doch ist Hinwil bereit für ein so modernes Gasthaus – ein Dorf, in dem wohl manch einer noch nie von Co-Working-Spaces je gehört hat?
Keel ist zuversichtlich: «Wie bei allem braucht auch das neue Konzept Zeit, um sich zu etablieren. Doch vor allem geht es mir darum, keinen Raum im Haus ungenutzt zu lassen, sondern ihn für gute Gemeinschaft und kreatives Arbeiten sinnvoll zu nutzen.»
Im Restaurant wird geteilt
Nach der Eröffnung von Saal und Hotel fehlte nur noch eines: das Restaurant, das das Dorflokal wieder zu dem machen soll, was es für Hinwil ist. Mitte September konnte Keel letztlich auch dieses eröffnen.
«Heute ist es kaum noch wirtschaftlich, ein Restaurant jeden Tag rund um die Uhr offen zu halten», sagt der Wirt. Deshalb hat er sich dazu entschieden, nur noch abends von Mittwoch bis Samstag geöffnet zu haben. Zusätzlich öffnet er auch am Sonntagmittag, um eine gastronomische Lücke im Dorf zu schliessen.
«Beim Restaurantbesuch steht meist die Gemeinschaft im Mittelpunkt – mit Familie oder Freunden. Diesen positiven Spirit möchten wir auch bei uns leben», sagt Keel. Deshalb rückt im «Hirschen» neben der auserlesenen Küche vor allem das Teilen auf den Tellern in den Fokus.
Die Vorspeisen – die alle vegetarisch sind – und die Hauptgerichte sind so konzipiert, dass sie miteinander geteilt werden können. Nach dem Prinzip einer Tavolata lassen sich für den Hauptgang verschiedene Fleischstücke zusammen mit den Beilagen bestellen.
Für das Fleisch setzt Keel auf sogenannte Special Cuts, auch Second Cuts genannt, die vorzugsweise aus dem Zürcher Oberland stammen und maximal 20 Kilometer vom «Hirschen» entfernt bezogen werden.
Dabei handelt es sich um Stücke vom Metzger, die günstiger sind als klassische Entrecôte- oder Filetstücke. Diese will Keel dann erst in der eigenen Küche veredeln und so auch für mehr Nachhaltigkeit in der Fleischverarbeitung sorgen.
Bei einer Sache ist sich der Gastgeber besonders sicher: «Hinwil ist mittlerweile gut bedient mit verschiedenen Restaurants. Da muss man sich neu erfinden, um aus der Masse herauszustechen. Gutbürgerliche Küche gibt es bereits, etwa im ‹Freihof› auf der anderen Strassenseite. Der ‹Hirschen› mit seinem Angebot ‹Grill & Vinothek› soll den Menschen in Hinwil etwas Neues bieten.»