Wieso Landwirt Benjamin Denzler blühenden Roggen platt fährt
Serie: Regenerative Landwirtschaft, Teil 2
Im zweiten Teil der Serie über regenerative Landwirtschaft wird gesät, wo schon Pflanzen stehen. Das ist gut für den Boden – und auch für die Wildbienen.
Zugegeben, für das ungeschulte Auge sieht es eigenartig aus, wenn Benjamin Denzler den Deutz-Traktor in sein Feld bei Nänikon steuert. Der Roggen steht in voller Blüte, auch die Erbsen und die Ackerbohnen sind gut gediehen. Denzler hat die Pflanzen im vergangenen Oktober kurz nach der Maisernte gesät.
Doch ernten wird er nicht, noch nicht. Das Getreide und die Hülsenfrüchte haben die Aufgabe, zu Dünger zu werden. Aus diesem Grund hat Denzler eine grosse Walze vorne an seinen Traktor montiert, die den mannshohen Roggen, die Erbsen und die Ackerbohnen knapp über dem Boden knickt und platt drückt.
Erst Gründüngung, dann Mulchschicht
Dadurch werden sie abgetötet und zur Mulchschicht. Denn gleichzeitig sät Denzler Buchweizen an, der nun ungestört wachsen kann. Wenn die sogenannte Gründüngung, wie an diesem Montag im Mai, genügend weit entwickelt ist und viel Masse hat, kann Denzler auch auf Herbizide verzichten.
Die platt gewalzten Pflanzen schützen den Boden vor Starkregen und Hitze, versorgen ihn mit Nährstoffen und bilden Humus. Das A und O der regenerativen Landwirtschaft.
Im Rahmen einer sechsteiligen Serie begleiten wir den Näniker Landwirt Benjamin Denzler in den nächsten Monaten.
Denzler bewirtschaftet seinen Betrieb nach Methoden der regenerativen Landwirtschaft. In dieser Serie betrachten wir verschiedene Aspekte dieses Konzepts:
Bereits erschienen:
1. Teil: Was ist regenerative Landwirtschaft?
2. Teil: Säen in der Gründüngung
Vorgesehen:
3. Teil: Maissaat ohne Pflug
4. Teil: Die Staffelkultur – ein Versuch
5. Teil: Ernte von Weizen und Saat der Gründüngung
6. Teil: Holistisches Weidemanagement
Da in der Landwirtschaft vieles von der Witterung und vom Klima abhängt, sind die Erscheinungsdaten der verschiedenen Beiträge noch nicht fixiert. (zo)
Gesät wird der Buchweizen im sogenannten Planting-Green-Verfahren. Landwirt Denzler tut dies nicht herkömmlich, indem er mit einem Pflug die oberen 25 bis 30 Zentimeter des Ackerbodens wendet. Er nutzt dafür eine Direktsaat-Maschine, die er am Heck seines Traktors übers Feld zieht; die Maschine schneidet feine Furchen in den Boden und bringt das Saatgut in diese Furchen.
Den Pflug hat er verkauft. Mit der Direktsaat schont er den Lebensraum von Lebewesen wie Regenwürmern, Bakterien, Mikroalgen, Pilzen und Einzellern. Diese Organismen sorgen für die Zersetzung des organischen Materials und dadurch für den Aufbau der Humusschicht. Eines der Hauptziele der regenerativen Landwirtschaft.



Benjamin Denzler zeigt im Führerhaus seines Traktors auf einen Bildschirm mit Daten: «Die Maschine weiss, wie schnell der Traktor fährt, und spuckt das Saatgut entsprechend der Geschwindigkeit aus.» Tempo und Fahrweg werden mittels GPS-Sender auf dem Dach des Gefährts bestimmt. So weiss die angehängte Direktsaat-Maschine, wie viel Saatgut sie in welcher Zeit in die Furchen fallen lassen muss.
Zudem sorgt GPS dafür, dass der Traktor seine Bahnen zentimetergenau über das 1,5 Hektaren grosse Feld zieht. Denzler beisst genüsslich in ein Sandwich. «Der zweite Teil meines Zmittags», sagt er mit einem Schmunzeln. Dass er die Hände frei hat, ist ebenfalls dem GPS zu verdanken. Auf den Geraden übernimmt die Automatik die Lenkung, der Fahrer greift lediglich beim Wenden ein.


Buchweizen ist eine wenig anspruchsvolle Pflanze. Und er ist trotz seinem Namen kein Getreide, sondern ein sogenanntes Knöterichgewächs. Die Früchte sind glutenfrei. Denzlers Buchweizen geht nach der Ernte ins Puschlav, wo er für die Produktion von Pizzoccheri verwendet wird, einer traditionellen Teigwarenart.
Im September will er ernten. «Dazwischen werde ich vor allem zuschauen, wie der Buchweizen wächst», sagt der 31-Jährige. Viel gebe es nach der Aussaat nicht mehr zu tun: «Vielleicht werde ich die Gründüngung mit etwas Gülle ergänzen.» Denn in diesem Jahr hat Denzler den Hofdünger, den seine elf Kühe produzieren, noch kaum nutzen können: «Wenn das Wetter mal passte, dann war meistens Wochenende oder ein Feiertag. Und da muss man als Landwirt auch Rücksicht auf Spaziergänger, Ausflügler und Anwohner nehmen.»
Regenerative Landwirtschaft
Seine Ursprünge hat das Konzept in den Vereinigten Staaten. Die Monokulturen im Mittleren Westen laugten die Böden aus, worauf die Erträge zurückgingen.
Entsprechend war es ein Amerikaner, der in den 1980er Jahren den Begriff «regenerative agriculture» prägte: Agrarpionier Robert Rodale entwickelte das Konzept als Reaktion auf die negativen Auswirkungen der intensiven Landwirtschaft, wie Bodenerosion oder Verlust der Bodenfruchtbarkeit und der Biodiversität.
Zu Beginn der 2000er Jahre wuchs das weltweite Interesse an regenerativen Konzepten, angetrieben durch die zunehmenden Herausforderungen des Klimawandels, der Verödung der Böden und des Rückgangs biologischer Vielfalt.
Ab 2010 begannen auch in der Schweiz erste Landwirtschaftsbetriebe, auf regenerative Landwirtschaft umzustellen. Eine einheitliche Definition dieses Konzepts existiert nicht. Als weltweit erste Behörde hat das Landwirtschaftsministerium von Kalifornien im Februar eine offizielle Definition festgelegt. Ob diese von den Europäern übernommen wird, ist offen.
Die Gesellschaft Regenerativ Schweiz bietet hierzulande Kurse an und vernetzt Landwirte. Sie nennt fünf Grundsätze der regenerativen Landwirtschaft:
Biodiversität in und über dem Boden
minimale Bodenstörung
dauernd durchwurzelter Boden
dauernd bedeckter Boden
Integration von Tieren
Wie viele Bauernhöfe in der Schweiz regenerativ wirtschaften, weiss niemand so ganz genau. Der renommierte Agrarjournalist und Herausgeber des Onlinemagazins «Countryside», Jürg Vollmer, schätzt, dass in der Schweiz rund 2000 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche regenerativ bewirtschaftet werden. Das sind 0,2 Prozent der gesamten Nutzfläche.
Mit der Marke Agricultura Regeneratio will ein gleichnamiger Verein die regenerative Landwirtschaft aus der Nische holen. Der Müesli-Hersteller Bio Familia beispielsweise arbeitet mit dem Verein zusammen.
Und: Regenerativ ist nicht gleichzusetzen mit biologisch.
Ein lukratives Geschäft ist der Anbau von Buchweizen nicht. Zwei bis drei Tonnen kann Denzler im September pro Hektare ernten. Beim Mais oder Soja kann er mit dem doppelten bis vierfachen Ertrag rechnen. Zudem erhält er für Buchweizen auch keine Einzelkulturbeiträge, mit denen der Bund unter anderem den Anbau von Ölsaaten wie Raps, von Zuckerrüben oder auch von Saatgut von Kartoffeln und Mais unterstützt.
Wenig Ertrag, aber Vorteile abseits der Buchhaltung
«Wirtschaftlich gesehen müsste ich keinen Buchweizen anbauen. Es gibt wenig Ertrag, aber verursacht auch nicht viel Aufwand.» Und er hat noch weitere Vorteile – die ohne Einfluss auf die Buchhaltung des Näniker Landwirts sind.
«Als zusätzliche Kultur lockert der Buchweizen die Fruchtfolge auf», sagt Denzler. Das bedeutet mehr Abwechslung auf den Feldern, was wiederum der Bodengesundheit zugutekommt.
Buchweizen blüht später als viele andere Pflanzen und sorgt so für Nahrung für Insekten. Denzlers Buchweizenfeld liegt direkt neben der Oberlandautobahn: «Wenn ich an einem sonnigen Tag im Juli im Feld stehe, dann höre ich keine Autos, sondern nur das Summen und Brummen der Insekten.»
Diese profitieren auch von der Direktsaat ohne Einsatz eines Pflugs. Denn viele Wildbienen- und Hummelarten graben ihre Nester im Boden. Wird dieser umgepflügt, werden sie beschädigt oder zerstört. Mit Folgen für die Biodiversität.