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Analyse zum Hinwiler F1-Team

So eine Entwicklung sah man lange nicht mehr

Das Schlussresultat widerspiegelt den grossen Schritt nicht, den Sauber in dieser Saison gemacht hat, schreibt Sportredaktor Florian Bolli.

Nico Hülkenberg feiert seinen Podestplatz in Silverstone – es war das Highlight einer starken Sauber-Saison.

Fotos: Sauber Motorsport/Simon Grässle

So eine Entwicklung sah man lange nicht mehr

Das Schlussresultat widerspiegelt den grossen Schritt nicht, den Sauber in dieser Saison gemacht hat, schreibt Sportredaktor Florian Bolli.

Aus dieser Truppe soll einmal ein Spitzenteam werden? Die Frage lag Ende 2024 nahe, nachdem Sauber die zweitschlechteste Saison seiner Teamgeschichte hinter sich hatte und nur ein einziges Mal in die Punkte gefahren war.

Und nun sieht alles schon viel besser aus. Was Sauber zum Ende der Ära als Privatteam gezeigt hat, entschädigt nicht nur für vergangene Jahre des sportlichen Krebsgangs. Es nährt auch die Hoffnung auf eine erfolgreiche Zukunft als Audi-Werksteam.

Natürlich garantierten aktuelle Resultate nicht zukünftige Erfolge, zumal ein technischer Reglementswechsel bevorsteht, was für ganz viele Unwägbarkeiten sorgt. Letztere sind für Sauber besonders gross, weil Audi erstmals einen eigenen Formel-1-Motor baut, über dessen Leistungsfähigkeit nur spekuliert werden kann, bis die neuen Autos im März erstmals rennmässig auf die Strecke gehen.

Nicht spekulieren muss man hingegen, was die Leistungsfähigkeit der Hinwiler anbelangt. Dass für sie am Ende doch nur der 9. und zweitletzte WM-Rang resultierte, ist ein zu schlechter Lohn. Nur ein Rang besser als 2024 – das tönt nicht nach viel. Aussagekräftiger ist eine andere Zahl: die 70 Punkte, die Sauber in den 24 Rennen holte. Sie stellen das zweitbeste Resultat der Teamgeschichte dar, klammert man die BMW-Jahre von 2006 bis 2009 aus. Und sie hätten im letzten Jahr zu WM-Rang 6 gereicht.

Heuer war das Mittelfeld in der Formel 1 so kompetitiv wie selten – und Sauber spielte darin oft eine sehr gute Rolle. In mehr als der Hälfte aller Rennen fuhr mindestens ein Sauber-Pilot in die Top Ten. Herausragend dabei Nico Hülkenbergs Fahrt auf den 3. Rang in Silverstone. Entscheidend dafür war etwas, was in vergangenen Saisons oft so schmerzlich vermisst wurde: eine ausserordentliche Leistung des Fahrers gepaart mit klugen strategischen Entscheidungen.

Und das in einem Auto, das erst nicht nur eines der langsamsten im Feld war, sondern für die Piloten auch schwierig zu kontrollieren. Wie die Sauber-Ingenieure das Ruder mit gezielten Updates herumrissen, ist bemerkenswert – so eine Entwicklungskurve sah man bei Sauber schon lange nicht mehr. Und man dürfte sich auch bei Audi darüber gefreut haben.

Apropos Audi: Der Sauber-Besitzer hat im Sommer 2024 offensichtlich nicht den falschen Weg eingeschlagen, als er sich von Andreas Seidl trennte und das Projekt in die Hände von Mattia Binotto legte. Eines der zentralen personellen Mosaiksteinchen hingegen ist erst seit letztem April an seinem Platz: Teamchef Jonathan Wheatley. Mit ihm hat Sauber einen Teamchef, der einen grossen und mit vielen Formel-1-Erfolgen gefüllten Rucksack mitbringt – und damit viel Glaubwürdigkeit. Es spricht für ihn, dass er in Hinwil nicht das Erfolgsrezept seines Ex-Arbeitgebers Red Bull kopieren, sondern eine neue Teamkultur aufbauen will – und dabei erst einmal nur beobachtete, zuhörte und Details zu korrigieren begann, statt sich wie ein Elefant im Porzellanladen zu bewegen.

Ob es an Wheatley liegt oder nicht: Moral und Selbstvertrauen im Team sind grösser geworden – und nicht nur die Performance des Autos hat sich verbessert, sondern auch jene der Boxencrew. Gehörten die Boxenstopps der Hinwiler 2024 noch regelmässig in die Kategorie «Pleiten, Pech und Pannen», hielt Sauber heuer an guten Tagen mit den Besten mit – und gehörte über die ganze Saison gesehen zum oberen Mittelfeld. Wheatley sagte einmal: «In den Boxenstopps manifestiert sich der Teamgeist.»

Und es scheint nicht nur um den Teamgeist sehr gut bestellt zu sein. Sauber hat sich zurückgemeldet – mit einem Schritt nach vorne, der viel grösser war, als es der WM-Rang suggeriert, und der dem Team Respekt verschaffte. «Da wächst etwas zusammen», lautet der Tenor von vielen Seiten.

Oder anders gesagt: Aus dieser Truppe könnte tatsächlich dereinst ein Spitzenteam werden.

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