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Politik

Ausserordentliche Gemeindeversammlung

Status quo oder Pflichtangebot? Weisslingens Sammelstelle polarisiert

Eine Vorberatung der Urnenabstimmung um Weisslingens Sammelstelle macht klar: Nicht alle haben die gleiche Meinung.

Die Zäune um die Sammelstelle Unterdorf sollen künftig weichen. (Archiv)

Foto: Simon Grässle

Status quo oder Pflichtangebot? Weisslingens Sammelstelle polarisiert

Dass mit der Sammelstelle etwas passieren muss, darüber sind sich die Weisslinger einig. Doch welche Variante man sich leisten will – darüber scheiden sich die Geister.

Der Weisslinger Gemeindepräsident Pascal Martin (SVP) zeigte sich am Montagabend in der Widum-Mehrzweckhalle beeindruckt: «Heute Abend hatten wir das am intensivsten diskutierte Geschäft seit den neun Gemeindeversammlungen, die ich leite.» Er lobte die engagierten und sehr fairen Diskussionen am Abend.

Dabei standen nur zwei Anträge auf der Traktandenliste. Doch einer davon hatte es in sich. Es ging um die Sanierung und Optimierung der Wertstoffsammelstelle Unterdorf. Und diese wurde schon einmal zurückgewiesen: 2020 war bereits ein erstes Sanierungsprojekt erarbeitet worden, das aber 2021 vom Volk – mit nur zwei Gegenstimmen – knapp abgelehnt wurde.

Die Sammelstelle ist nicht nur baulich veraltet, sondern entspricht auch nicht mehr den aktuellen Umwelt- und Sicherheitsvorschriften. Zudem weist sie Mängel in Funktionalität und Erscheinungsbild auf. Gemäss Gemeinderat Markus Moser (SVP) hat sich die Lage seit der letzten Projektierung zugespitzt: «Bei einer Kontrolle von kantonaler Ebene könnte die Sammelstelle jederzeit geschlossen werden.»

Dass etwas passieren muss, ist Stand heute klar. Wie es der Zufall will, muss die unmittelbar an die Sammelstelle grenzende, 2020 stillgelegte Ara bis Ende Jahr rückgebaut und renaturiert werden.

Der Gemeinderat will hier Synergien nutzen und einen Teil der Gebäude künftig für die Sammelstelle umbauen. «Damit könnten Rückbaukosten gespart und die Sammelstelle optimiert werden», erklärt Moser. Konkret spricht er von Investitionen über 860’000 Franken und Rückbaukosten von 400’000 bis 450’000 Franken.

Sollte das Projekt scheitern, kann die Gemeinde nur noch die «Pflichtfraktionen» anbieten. Dazu zählen Glas, Alu/Weissblech, Papier, Karton, Altkleider und Grüngut. Doch auch diese «Light-Version» kostet: Schätzungen zufolge 600’000 Franken.

Als Präsident der Forst-, Landwirtschafts- und Naturschutzkommission ist Markus Moser seit zwei Jahren für dieses Ressort verantwortlich. Bereits an einer Info-Veranstaltung im April wollte er die Bevölkerung von der Dringlichkeit dieser Sanierung überzeugen.

Geschäft warf viele Fragen auf

An der Gemeindeversammlung vom Montagabend redete er sich «um Kopf und Kragen» – trotz angeschlagener Stimme beantwortete er nach der ausführlichen Projektvorstellung die rund 20 Fragen der 98 Stimmberechtigten.

Viele Weisslinger wollten wissen, welche Konsequenzen eine Ablehnung mit sich bringen würde, ob man bei Entsorgungsanbietern in anderen Gemeinden zahlen müsse, wie die Öffnungszeiten künftig aussehen würden und ob künftig zwingend Mitarbeitende beschäftigt werden müssten.

Moser musste eingestehen, dass künftige Lohnkosten bei der Schätzung nicht eingeplant seien. «Klar spart man dort am meisten Geld, wo keine Lohnkosten anfallen.» Allerdings müsse der regelmässige Unterhalt auch bei einer einfachen Sammelstelle gewährleistet werden.

Korrekt oder irreführend?

Für einige Verwirrung unter den Anwesenden sorgte dann die Aufstellung der Kosten. Diese wurden zwar gesplittet nach Rückbau und Sanierung, aber doch auf einer Abrechnung aufgeführt. Sogar zwischen Gemeinderat und Rechnungsprüfungskommission (RPK) kam es diesbezüglich zu Unstimmigkeiten über die Berechnung der effektiven Kosten.

Die RPK unterstellte dem Gemeinderat, die Bevölkerung damit irreführen zu wollen. «Sie als Stimmberechtigte sollen den Eindruck bekommen, dass die Gemeinde nur 860’000 Franken investieren muss, dabei sind es mindestens 1,16 Millionen Franken», brachte sich RPK-Präsident Chris Kirschner (SVP) ein.

Denn zusätzlich zu den Rückbau- und Sanierungskosten weist die Kostenschätzung eine Reserve von 15 Prozent aus.

Der Gemeindepräsident musste auf Kirschners Veto hin einräumen, dass die Kostenschätzung ein etwas verwirrender Mix aus Zahlen sei. «Die Rückbaukosten werden aus der Abwasserkasse finanziert, sind aber notwendig zur Vorbereitung der Sanierung, die über den spezialfinanzierten Haushalt ‹Abfall› läuft», erklärt Pascal Martin. Zum jetzigen Zeitpunkt sei aber nicht klar, ob die Reserve überhaupt benötigt werde. «Sie muss aber im zu bewilligenden Kredit berücksichtigt werden.»

Mit der einberechneten Reserve werden die Gesamtkosten von einer Million Franken überschritten, was dazu führt, dass an der Urne über das Geschäft abgestimmt werden muss. Somit handelte es sich bei der Versammlung nur um eine Vorberatung.

Worüber Markus Moser im anschliessenden Gespräch nicht unglücklich ist: «Mit einer Urnenabstimmung können wir die breite Bevölkerung erreichen.» Denn von den 1450 Haushalten würde jede zweite regelmässig einmal pro Woche die Entsorgungsstelle nutzen.

RPK spricht sich dagegen aus

Für die RPK ist der Sanierungsvorschlag klar überdimensioniert, weshalb sie sich klar für eine Ablehnung des Geschäfts ausspricht. «Wir verstehen nicht, warum unsere kleine Gemeinde eine so grosse Sammelstelle braucht.» Eine kleinere Version würde genügen, «für alles, was hier nicht angeboten wird, können die Weisslinger auch in grössere Gemeinden ausweichen». Für die Nutzung des rückzubauenden Gebäudes lasse sich sicher auch ein anderer Verwendungszweck finden.

Darauf folgten unzählige Einwände aus dem Stimmvolk. Gerade ältere Einwohner setzten sich dafür ein, alles vor Ort entsorgen zu können. «Ich habe die Befürchtung, dass sonst alles in den Kehrichtsäcken landet», sagte eine ältere Frau. «Unsere Lebensqualität sollte uns diese Kosten wert sein – wir zahlen dafür ja nicht mal mehr Steuern», meinte eine andere. Tatsächlich sollen die Kosten durch eine Erhöhung der Sackgebühren gedeckt werden – von Fr. 1.20 auf Fr. 1.60 pro 35 Liter-Sack.

Schliesslich stellten sich die Weisslinger hinter den Gemeinderat und befürworteten den Antrag mit 78 von 98 Stimmen. Das letzte Wort wird aber an der Urnenabstimmung am 30. November gesprochen.

Abrechnung für Tanklöschfahrzeug genehmigt

Auch das zweite Traktandum des Abends betraf das Ressort von Markus Moser, war aber wesentlich schneller abgehandelt. Die Bevölkerung nahm die Schlussabrechnung für das neue Tanklöschfahrzeug (TLF), das im April 2024 offiziell eingeweiht wurde, mit Gegenmehr an. (ks)

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