«Man soll nicht über Aufstiege reden, sondern sie realisieren»
Pfäffikon, Rüti und Wetzikon müssten eigentlich fussballerische Schwergewichte im Oberland sein. Nur: Warum sitzen die drei Vereine in der 3. Liga fest? Drei langjährige Exponenten betreiben Ursachenforschung.
Kurt Kobel, Sie wissen, wie Aufsteigen geht. Bisher hat es aber nur mit Klubs vom Zürichsee geklappt. Gelingt nun der Sprung mit dem FC Pfäffikon?
Kurt Kobel: Wenn man Zweiter war, hofft man, dass man diesen Schritt macht. Es ist aber schwierig zu beurteilen, ob wir bereit sind. Letztes Jahr waren wir zu unerfahren, zu jung und haben uns in zu vielen Situationen nicht richtig gefunden. Grundsätzlich wäre es schön, Pfäffikon raufzubringen. Aber da haben andere etwas dagegen, glaube ich.
Das ist aber jede Saison so.
Kobel: Ja, es will jedes Jahr die halbe Liga aufsteigen. Das ist das Schöne. Die Gruppe ist sehr ausgeglichen. Es ist ein Vorteil, wenn es nicht nur um zwei Teams geht und darum, ein, zwei Spiele zu entscheiden.
Lukas Huber: Du hast es richtig gesagt, Kurt. Dieses Mal ist es noch schwieriger aufzusteigen. Jetzt ist Volketswil in derselben Gruppe. Rüti hat sich gefangen. Pfäffikon ist bereit und hat gerade in der Rückrunde gut gespielt.
Lukas Huber, Sie sind schon zweimal aufgestiegen mit dem FC Wetzikon, mussten aber immer wieder runter. Warum?
Huber: Das haben wir uns in den letzten Jahren öfters gefragt. Am Schluss ist es die Konstanz. Wenn man zurückblickt und sieht, wie viele Trainer und Spieler gekommen und gegangen sind, dann fehlt sie einfach. Jetzt hatten wir erneut einen Trainerwechsel. Das Kennenlernen, die Abläufe – das braucht Zeit. Entweder hast du so viel individuelle Klasse, um das zu kompensieren. Oder du musst sonst das Ganze von Grund aufbauen.
Die Gesprächsteilnehmer
Kurt Kobel ist seit 2022 Trainer beim Drittliga-Verein FC Pfäffikon. Vorher war er in derselben Funktion bei Egg, Männedorf, Herrliberg und Meilen tätig – und feierte mehrere Aufstiege. Als Fussballer gross geworden ist der heute 59-Jährige beim FC Männedorf.
Der langjährige Mittelfeldspieler Lukas Huber (35) ist bei seinem Stammverein Wetzikon ab dieser Saison neu Assistenztrainer im Drittliga-Team. Beim FCW begann er einst als 6-Jähriger. Huber war hernach Junior bei den Grasshoppers und bestritt als Aktiver über 100 Partien auf dritt- und vierthöchster Stufe für GC und Tuggen. 2014 kehrte er nach Wetzikon zurück.
Flavio Milano trägt seit 2014 das Trikot des FC Rüti. Dort war er über viele Jahre ein wichtiger Wert im defensiven Mittelfeld. Mittlerweile 34-jährig, spielt er bei den Oberländern ganz vorne – und war in der letzten Drittliga-Saison sogar der erfolgreichste Torschütze aus der Region. Der gebürtige Italiener wurde bei Uznach, Schmerikon und Rapperswil-Jona gross. Milano absolvierte rund 180 Partien in der 2. Liga interregional.
Individuelle Klasse ist ein gutes Stichwort. Der FC Rüti lebte in den letzten Jahren überwiegend von herausragenden Figuren, spielte dadurch in der 2. Liga oder noch höher. Jetzt heisst der Alltag 3. Liga. Flavio Milano, Sie waren letzte Saison zwar der beste Drittliga-Torschütze aus der Region ...
Huber: (Unterbricht und lacht.) Ist das so?
Flavio Milano: Ist Dir das nicht aufgefallen?
... trotzdem war Rüti deutlich vom Wiederaufstieg entfernt. Was fehlte zur Spitze?
Milano: Wir haben viele erfahrene Spieler verloren und diese durch Junge ersetzt. Dazu kam ein neuer Cheftrainer, der seine Rolle erst finden musste. Ich war nahe dran, diesen Sommer aufzuhören. Nach der guten Saison mache ich weiter. Das einzige Ziel für mich ist aufzusteigen.
Huber: Ist das auch das Ziel des Vereins?
Milano: Ich hoffe es zumindest.
Kobel: Ich bin zwar schon einige Male aufgestiegen. Ich sage aber immer: Man soll nicht über Aufstiege reden, sondern sie realisieren. Aber der Druck sollte in der 3. Liga doch nicht da sein. Einige pushen diese Aufstiegsfrage zu fest. Das Wichtigste ist doch, Freude zu haben.
Intern setzen Sie wohl trotzdem Ziele. Oder sagen Sie vor der Mannschaft: «Wir wollen eine gute Zeit miteinander haben»?
Kobel: Die steht wirklich im Vordergrund. Man kann im Leitbild des Vereins nachlesen, dass die 2. Liga das Ziel ist. Den Ehrgeiz haben wir schon. Die Kader sind in den letzten Jahren immer grösser geworden. Der Fussball ist nicht mehr erste Wahl. Das muss man berücksichtigen. Derbys sind gar nicht mehr wirkliche Derbys wie früher. Ich weiss nicht, ob Ihr das auch spürt.
Milano: (Lacht.) Wir haben immer höher gespielt.
Huber: Ein bisschen. Man wollte in Derbys als Sieger vom Feld, sonst hörte man es nachher ein halbes Jahr lang. Wenn ich heute aber einen 20-Jährigen mit den Worten zu motivieren versuche: «Hey, gegen Pfäffikon haben wir noch nie verloren», schaut der mich mit grossen Augen an.
Milano: Die Jungen laufen manchmal aus der Kabine und haben das Spiel schon wieder vergessen. Wir brauchten zwei bis drei Tage früher, bis wir wieder heruntergekommen sind. Du spürst in jedem Training und Spiel, dass sie eine andere Mentalität haben.

Muss man dies heute einfach so hinnehmen?
Milano: Ich finde es schade. Ich verstehe nicht, wie man nach einer Niederlage in der Kabine lachen kann. Ich bin der Typ, der ihnen dann sagt: «Hey Jungs, wir haben verloren.»
Kobel: Es ist ihnen nicht mehr ganz so wichtig. Das hat sein Gutes. Die groben Verletzungen fallen weg, wenn nicht mehr so hart gespielt wird. Man muss auch sagen, die Jungen sind technisch heute viel besser ausgebildet. Früher spielte bei uns Mächler (Verteidiger Gino Mächler, der nun zurückgetretene langjährige Captain – die Red.) einen langen Ball nach vorne, und dann ist irgendeiner gerannt.
Jetzt haben Sie ihn endlich weggekriegt …
Kobel: Nein, nein, solche Spielertypen brauchst du. Die Mischung ist entscheidend, du brauchst die Spieler, die zulangen können. Aber etwas gepflegteren Fussball finde ich schöner.
Huber: Die Qualität hat in der 3. Liga zugenommen. Viele Teams versuchen, von hinten herauszuspielen. Mit dem Footeco-Konzept gibt es viel mehr Junioren, die von einer guten Ausbildung profitieren.
Wetzikon, Pfäffikon und Rüti haben alle eine gewisse Grösse und den Anspruch, in der 2. Liga zu spielen. Schmerzt Sie das nicht, wenn kleinere Klubs wie Wald, Gossau oder Greifensee besser dastehen?
Huber: Für mich ist es schwierig. Wir sind schon die dritte Saison in der 3. Liga. Vorher sind wir zumindest noch auf- und abgestiegen.
Der Abstand zur Spitze ist zuletzt sogar grösser geworden.
Huber: Das ist so. Vorne mitspielen und gewinnen zu wollen, dieser Anspruch hat abgenommen. Es hat sich etabliert, im Mittelfeld rumzugurken. Das will der neue Trainer aus den Köpfen rausbringen. Wir reden nicht vom Aufstieg, aber wir wollen in die Top 3.
Kobel: Ich habe Freude, dass Wald es geschafft hat. Das ist eine eingefleischte Truppe. Es gibt natürlich Vereine, die den einen oder anderen Spieler von auswärts holen und diesen Weg suchen. Den Fall Herrliberg kenne ich sehr gut. Sie haben den Aufstieg geschafft, sind wieder runter, rauf und haben nochmals gute Spieler geholt. Und dann ist alles zusammengebrochen. Ab dort sagte der Verein: «Von nun an nur noch mit eigenen.»
Es ist der Weg, den Pfäffikon jetzt geht.
Kobel: Wenn dieses Team zusammenbleibt, dann hat es das Potenzial, nicht nur aufzusteigen, sondern in der 2. Liga zu bleiben. Das ist nicht so einfach. Ich bin auch zweimal abgestiegen. Rein sportlich gesehen will ich mit dem Team liebend gerne in der 2. Liga spielen. Andererseits ist unsere Drittliga-Gruppe mit all diesen Gegnern richtig lässig. Da kommen Zuschauer.
Aber sich gemütlich in einer Nische einzurichten, ist langfristig doch nicht befriedigend. Es braucht eine sportliche Entwicklung.
Kobel: Sie ist für mich als Trainer wichtig. Wenn ich sehe, ich kann die Mannschaft weiterbringen, dann bin ich gerne Trainer. Wenn ich realisiere, das Team stagniert, dann verlasse ich den Verein. Es sind in diesem Fall neue Inputs nötig. Eine Entwicklung muss da sein. Das ist das oberste Ziel und Motivation. Ich spüre jetzt den Flow in Pfäffikon.
Huber: Das ist als Spieler motivierend. Ich kann mich noch gut an den Aufstieg mit Gabor Gerstenmaier erinnern. Er war ein harter Hund, und wir haben ihn manchmal verflucht. Da konnte ein Junger nicht einfach vor dem Training anrufen: «Coach, ich bin krank.» Gabor hat etwas aufgebaut. Plötzlich stimmten die Abläufe, und wir wurden erfolgreich. Gerade junge Spieler brauchen sportlichen Fortschritt, eine klare Spielidee und Prinzipien.
In der jüngeren Vergangenheit sprach der FCW immer wieder von Aufbruchstimmung. Viel passiert ist dann aber nicht.
Huber: Wir müssen ehrlich sein: Mit den letzten drei Jahren können wir nicht zufrieden sein. Auch der jüngste Trainerwechsel war spät. Ich bin nun glücklich, dass wir mit Visar Ramani eine gute Trainerlösung haben. Er kennt Spieler und Verein.
Für einen Aufstieg gibt es mehrere Wege. Manche sagen, die beste Abwehr steigt auf. Pfäffikon kommt dem sehr nahe. Trotzdem ist der Sprung bis anhin nicht gelungen.
Kobel: Eine sichere Abwehr ist schon die Grundlage. Aber es gibt auch Ausnahmen.
Zum Beispiel der FC Rüti mit seinen offensiven Unterschiedsspielern. Solche wünscht sich doch jedes Team.
Huber: Sicher. Doch ohne Geld ist es schwierig, solche zu kriegen. Ansonsten läuft es über persönliche Beziehungen, wenn man wegen Kollegen wechselt. Das sind dann Glückstransfers. Am besten ist es, wenn aus den eigenen Reihen ein Stürmertalent nachgezogen werden kann.
Kobel: Ich hatte nie einen Knipser. Das muss aber kein Nachteil sein. In meinem Team hat es immer viele Spieler, die Tore erzielen können. Dadurch ist man unberechenbarer.
Milano: Wir hatten schon Glück mit unseren Topspielern.
Apropos Geld: Was wird den Spielern in Ihren Klubs geboten? Wahrscheinlich nicht einfach nur ein Duschgel.
Huber: In Wetzikon wird nichts bezahlt. Es gibt ein paar Fussballschuhe und eine Prämie bei einem Aufstieg. Da kommen, je nachdem wie viel man gespielt hat, ein paar hundert Franken zusammen. Es ist auch der richtige Weg. Ich habe genug Beispiele gesehen, wo hinterher alles zusammengebrochen ist.
Wie kann dies verhindert werden?
Huber: Das «Eins» sollte das Aushängeschild sein. Sodass jeder Junior denkt: «Das ist eine coole Truppe, da will ich hin.» Ein bezahltes Trainingslager und ein Paar Schuhe, meist ist doch gar nicht mehr nötig. Es reicht vielleicht nicht, um links und rechts die besten Spieler zu holen. Doch es ist wichtig, dass die Junioren den Leuchtturm sehen, wo sie hinwollen. Und das war bei uns zuletzt nicht immer so.

Flavio Milano und Lukas Huber, Sie sind beide seit 2014 in Ihren Klubs. Damit stehen Sie exemplarisch für Vereinstreue.
Milano: Ich war eigentlich nur wegen der Sylas gekommen. Aber noch wegen des Finanziellen: Bei uns ist es nie ums Geld gegangen. Der FCR hatte einfach das grosse Glück, dass viele Rütner zusammen spielen wollten. Und es hatte halt gute Rütner. Waser, Grimm, die Sylas.
Huber: (Unterbricht.) Ihr habt aber schon etwas gekriegt?
Milano: Ja (lacht). Wir bekommen noch immer etwas. Es sind aber auch immer wieder andere, attraktivere Angebote gekommen. Das war das Coole in Rüti. Die meisten spielten nicht aus finanziellen Gründen hier.
Das Geld für den Trainer hätte man in Rüti sparen können. Ihr habt einfach gespielt, oder?
Milano: Jahrelang. Vor allem damals in der 2. Liga interregional. Auch bei Urs Fritschi. Er war kein schlechter Trainer. Aber vor allem hat er uns spielen lassen, sodass wir Spass hatten.
Kurt Kobel, wäre der FC Rüti etwas für Sie gewesen?
Kobel: Das kann ich so nicht sagen. Ich hatte noch nie eine Mannschaft, in der die Spieler Geld bekommen haben.
Aber andere Belohnungen?
Kobel: Hier in Pfäffikon kriegst du die Trainingskleider, und die werden dir sogar gewaschen. Das finde ich Luxus. Und es gibt eine Beteiligung ans Trainingslager. Den Rest müssen wir uns mit verschiedenen Aktivitäten selbst verdienen. Und es bezahlen alle Spieler den Mitgliederbeitrag. Die Goodies für die Mannschaft finde ich in Ordnung. Irgendwo soll sich das Team von den restlichen Mannschaften im Verein abheben.
Lukas Huber hat vom Leuchtturm im Verein gesprochen. Haben Sie mit Ihren Teams diesen Status alle inne?
Milano: Ich hoffe schon, dass wir Vorbilder für die Kleinen sind.
Huber: Bei uns gibt es Verbesserungspotenzial. Da spielen verschiedene Faktoren mit. Das Wichtigste ist sicher der Erfolg. Tritt dieser ein, ist es einfacher, eine Community ums Team zu bilden. Wir sind dran, unseren Social-Media-Auftritt zu optimieren. Für die Jungen ist dies wichtig. Auch verschönern wir unsere Garderoben. Bei all dem ist aber vor allem eines wichtig: Die erste Mannschaft muss ein Bestandteil des Vereins sein. Sodass nie der Eindruck entsteht: Die schauen nur auf sich.
Kobel: Ganz von allein kommt nichts. Bei uns sind beispielsweise die C-Junioren bei den Heimspielen immer Linienrichter. Und wir nehmen sie vor dem Match in die Garderobe. So spüren die Junioren die Spannung. Das ist ein schönes Erlebnis für sie und kann sie antreiben, so etwas einmal erleben zu wollen. Wir haben auch manchmal Einlaufkinder. Das ist lässig und verbindet. Denn zusätzlich zu den Kindern kommen die Eltern mit. Der FC Herrliberg beispielsweise hat einen Fanklub. Der macht viel – und ist gewachsen. Dort braucht es aber zwei oder drei, die den Karren ziehen.
Also so wie beispielsweise beim FC Volketswil, der zum Cup-Final über 2000 Fans anlockte?
Huber: Für mich ist der FC Volketswil das Team der letzten Saison. Was dort aufgebaut wurde, da kann man nur den Hut ziehen. Ich war am Cup-Final, das war ziemlich eindrücklich. Wir konnten den Cup auch schon gewinnen. Dies war aber nicht entfernt vergleichbar. Ich bin gespannt auf Volketswil. Wir hatten sie noch nie in der Gruppe.

Vorhin haben Sie alle Ihre Ambitionen eher schwammig formuliert. Wer steigt denn aus Ihrer Gruppe auf?
Huber: Für mich sind die Vereine von den Leuten, die hier am Tisch sitzen, die Favoriten. Pfäffikon fand ich zuletzt etwas stärker als Rüti. Und vielleicht noch Volketswil.
Milano: Ich kann leider nichts über Pfäffikon sagen, weil ich in diesen beiden Partien letzte Saison nicht gespielt habe.
Kobel: Gino Mächler war da eben noch auf dem Platz – da wolltest Du nicht kommen (lacht). Aber ich sehe es ähnlich. Für mich ist Männedorf auch gefährlich. Bei Zollikon fehlt etwas die Konstanz. Die grosse Wundertüte ist für mich Hinwil.
Es bleibt also dabei. Keiner von Ihnen sagt explizit: Wir wollen aufsteigen?
Kobel: Doch, ich sage es schon – wir wollen aufsteigen. Es wäre Zeit.
Huber: Vor der letzten Saison hatten wohl auch die wenigsten auf Wald gesetzt. Aber ich mag es Wald sehr gönnen. Ich kann bei uns aber nicht mit gutem Gewissen dasitzen und sagen, wir sind der Aufstiegsfavorit – mit der neuen Trainercrew und vielen Spielerwechseln. Aber wir würden sicher nicht Nein sagen.
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