Ein Leben voller Liebe zur Literatur, zu Tibet und zu den Menschen
Roswitha Kuhn, Autorin der Tösstal-Krimis, ist am 4. August im Alter von 80 Jahren verstorben. Claudia Senghaas, ehemalige Lektorin und Programmleiterin im Gmeiner Verlag, erinnert sich an die Begegnungen mit der Schriftstellerin.
Roswitha und ich hatten viele gemeinsame Interessen, von denen zwei herausragend waren: die Liebe zur Literatur und das Spiel Scrabble.
Zu Letzterem hat mir Roswitha beim ersten Zusammentreffen erklärt, dass der höchste Einzelzug das Wort «Oxyphenbutazone» mit 1784 Punkten ist, das durch geschicktes Platzieren auf Dreifach-Wort-Feldern erreicht wird. Das war ein unvergesslicher Moment.
Kennengelernt haben wir uns auf der «Criminale» in Bern 2013. Das grösste Krimifestival Europas fand damals in der Region Bern und Solothurn statt. Die jährliche «Criminale» ist ein Treffen von Krimifans, Autoren und Fachleuten, und der erste Krimi – «Nachsuche» – vom Schriftstellerduo KuhnKuhn, das aus Roswitha und ihrem Mann Jacques bestand, war in diesem Jahr erschienen.

Ich habe den Krimi angenommen und die beiden viele Jahre als Lektorin begleitet. Die beiden Kuhns wollten mich treffen, was ganz in meinem Sinne war. Mir war und ist es sehr wichtig, die Menschen hinter den Büchern kennenzulernen, zu treffen, zu sprechen und ihnen in die Augen zu schauen, denn Augen sind die Spiegel der Seele.
Das war der Beginn einer jahrelangen und sehr vertrauensvollen Freundschaft und Zusammenarbeit mit Roswitha und Jacques. Wenn man sich so intensiv austauscht, muss es menschlich passen, und das war von Anfang an der Fall. Die Herzlichkeit dieser beiden Menschen hat mich von Anfang an tief berührt. Die beiden waren füreinander bestimmt und haben sich gefunden. Spät, meinte Jacques immer, aber er habe gerne gewartet.
Kennenlernen im Tibet-Institut
Die Krimis der beiden zeichnen sich durch wunderbare Spannungsbögen aus. Polizist Noldi Oberholzer löst seine Fälle auf eher ungewöhnliche Art und Weise. Jacques und Noldi haben die Ehefrauen immer in den Vordergrund gestellt, was Jacques sehr betont hat, wenn wir über diese Textstellen diskutiert haben. Das darauffolgende gemeinsame Lachen war immer sehr ansteckend. So gerne denke ich daran zurück.
Roswitha hat die Krimis nach seinem Tod weitergeschrieben. Zwischen den Zeilen war nun eine gewisse Traurigkeit zu spüren. Ihr letztes, sehr berührendes Werk, «Tränensee», hat sicher sehr viel mit der eigenen Geschichte zu tun, denn darin hat eine Frau ihren Mann verloren und kann sich mit dem Verlust nicht auseinandersetzen. Das Schreiben dieses Buchs hat Roswitha spürbar alles abverlangt, aber sie musste es für sich tun. Damit endete ihr literarisches Schaffen.

In jungen Jahren kam Roswitha mit dem Buddhismus in Berührung und reiste viele Male nach Tibet. Im Tibet-Institut in Rikon, das Jacques gründete, hat sie ihn kennen- und lieben gelernt. Das war ihr grösstes Glück. Ihres und seines.
Hier leuchteten zwei Augenpaare und strahlten von innen heraus. Als der Patron der Pfannenfabrik 2016 starb, wurde sie eine andere, die zwar viel reiste und auch schrieb, weiterhin Scrabble spielte, aber eine Aura von Traurigkeit blieb spürbar und umgab sie.
Aus den Buchhandlungen nicht wegzudenken
In vielen gemeinsamen Telefonaten hat sie mich wissen lassen, dass ihr die Hälfte fehlt und etwas unwiederbringlich verloren ist. Nun ist sie wieder bei ihrem geliebten Mann, ihrer grossen Liebe, und das ist tröstlich, denn genau das wollte sie.
Beim Schreiben des vierten Tösstal-Krimis «Mondnackt», den sie ohne ihn verfasste, weil er es sich so gewünscht hatte, fragte sie mich immer wieder, ob er wohl einverstanden wäre. Er war sicher glücklich, dass das Buch vollendet wurde und immer noch in den Regalen der Buchhandlungen zu finden ist.

Ich stelle mir vor, dass die beiden nun gemeinsam in einer anderen Welt schreiben, lachen, scrabbeln und sich spannende Fälle für Noldi ausdenken. Lektorieren würde ich jederzeit gerne wieder, denn diese beiden Menschen musste man einfach gernhaben.
Sie fehlen mir sehr, aber irgendwie sind sie auch noch da, das spüre ich. Umso schöner, dass die Tösstal-Krimis aus dem Sortiment der Buchhandlungen nicht mehr wegzudenken sind. Leb wohl, liebe Roswitha, und richte Jacques ganz herzliche Grüsse aus.
Zur Autorin
Claudia Senghaas hat bis im Juli 2025 im Gmeiner Verlag als Programmleiterin und Lektorin gearbeitet und beide Kuhns von Anfang an literarisch und freundschaftlich begleitet.