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Kultur

Nach über 30 Jahren hat Roswitha Kuhn ihre Romanidee vollendet

Ein verschwundener Journalist, ein Kriminalpolizist und eine Lebensgeschichte: «Tränensee» ist alles andere als ein Krimi.

Nach drei Jahrzehnten ist das Werk «Tränensee» fertig. Und Roswitha Kuhn arbeitet bereits am nächsten Projekt.

Fotos: Bettina Schnider/PD

Nach über 30 Jahren hat Roswitha Kuhn ihre Romanidee vollendet

Autorin aus Rikon

Roswitha Kuhn hat sich bisher als Krimiautorin einen Namen gemacht. Mit ihrem neusten Buch «Tränensee» räumt die 79-Jährige mit Altlasten auf.

Vor zwei Jahren hat Roswitha Kuhn «Waidmannsleid», den fünften und letzten Tösstal-Krimi um Kommissar Noldi Oberholzer, veröffentlicht. Endlich hatte sie wieder etwas mehr Zeit. «Deshalb habe ich mich an die Arbeit gemacht, um meine Leichen im Keller aufzuräumen», erzählt die Rikemerin.

Beim Ausmisten ist sie auf ein halb fertiges Manuskript gestossen. «Die Geschichte habe ich vor über 30 Jahren angefangen und hatte dann keine Zeit und Lust mehr.»

Zuerst wusste die 79-Jährige nicht, was sie damit machen sollte. Sie beschloss, es einer Freundin, die als Verlagsvertreterin arbeitete, zum Lesen zu geben, und wollte ein ehrliches Feedback. «Ich habe ihr gesagt: ‹Wenn es nichts ist, dann entsorge ich es.›»

So weit kam es aber nicht. Die Rückmeldung war ermutigend. Das Werk habe Potenzial, doch der Gegenwartsbezug fehle, so die Meinung der Expertin. Für Kuhn war das Grund genug, sich wieder ans Schreiben zu machen. Im Februar ist das Werk unter dem Titel «Tränensee» erschienen.

Für einmal kein Krimi

Nach über drei Jahrzehnten ist das Buch vollendet. Es handelt von der Witwe Anna, die sich nach dem Tod ihres Mannes, eines bekannten Schriftstellers, in ihr Ferienhaus im Tessin zurückzieht. Dort arbeitet sie am Nachlass und lässt sich auf eine Affäre mit einem Journalisten ein.

Monate später, nachdem dieser spurlos verschwunden war, taucht ein Ermittler der Kriminalpolizei auf. Was auf den ersten Blick nach Stoff für einen Kriminalroman aussieht, ist für Roswitha Kuhn die Grundlage, die Lebensgeschichte von Anna aufzurollen. «Ich wollte ja sowieso nie Krimis schreiben.»

Sie tat es schliesslich doch mit ihrem Mann Jacques Kuhn, dem ehemaligen Miteigentümer und Firmenchef von Kuhn Rikon. Gemeinsam haben sie die ersten drei von fünf Tösstal-Krimis verfasst. Nach seinem Tod 2016 beendete sie die Serie allein. «Aber nach dem fünften Buch war Schluss. Endlosserien werden nie besser.»

Die Aussage unterstreicht, wie kritisch Roswitha Kuhn auch bei ihren eigenen Werken ist. Da ist es fast überraschend, wie schnell sie mit «Tränensee» fertig war. Denn das Schreiben allein macht noch keinen Roman.

Recherche im Tessin

Obwohl sich Kuhn als «Schreibtischtäterin» bezeichnet, ist sie für die Recherche ins Tessin gereist. Dort entstand einst die Idee für die Geschichte. «Ich war damals dort in den Ferien», erzählt sie.

Im Ferienhaus träumte sie dann eines Nachts von einer Frau, die ihren Mann verliert. Sie ist die Ich-Erzählerin Anna in «Tränensee». Obwohl die Erinnerungen an den Traum noch sehr präsent waren, hatte Kuhn bei ihrer Recherche zunächst Mühe.

«Ich konnte nach 30 Jahren das Haus nicht mehr finden. In meinem Kopf sah es völlig anders aus», sagt sie. Im zweiten Anlauf sollte es dann doch klappen. Zu einer Tour durchs Haus kam es aber nicht. «Heute lebt dort ein Hundezüchter. Und ich habe Angst vor Hunden.»

Trotzdem war für sie die Reise ins Tessin wichtig. «Man merkt als Leser sofort, ob der Autor die Landschaft kennt, über die er schreibt.»

So spielt ein Teil des Romans auch in Zürich und Graz, wo Roswitha Kuhn einst studiert und gearbeitet hatte. Interessant sind für sie deshalb auch die Rückmeldungen, die sie von Leuten aus ihrem Umfeld erhält.

Sie höre immer wieder: «Ich spüre dich in dem Buch.» Eine Aussage, die die Autorin mit einem Lächeln quittiert. «Das sagen nämlich nur Leute, die mich nicht gut kennen.»

Zwar sei sie in der Zwischenzeit selber Witwe. «Doch den Traum im Tessin hatte ich, Jahrzehnte bevor ich Witfrau wurde.» Sie betont: «‹Tränensee› ist nicht meine Geschichte.»

Teil der DNA

Für Kuhn ist «Tränensee», wie sie sagt, «harte Kost». «Wir hatten Diskussionen, ob es sich um einen Psychothriller oder einen Entwicklungsroman handelt.» Ihr ist das Genre nicht so wichtig. Sie will Geschichten erzählen.

Und so arbeitet sie bereits am nächsten Projekt – einer Geschichte, die sie mit ihrem Mann Jacques begonnen hatte. Ob sie einst auch publiziert wird, weiss Kuhn noch nicht. Ihr Fokus ist ein anderer: «Schreiben, das liegt einfach in meiner DNA», sagt sie.

Sie kann sich derweil auch ohne Druck auf das Experiment einlassen. Denn vom Verkauf der Bücher leben muss sie nicht. «Sonst wäre ich schon längst verhungert.»

«Tränensee» von Roswitha Kuhn ist im Gmeiner Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich (ISBN 978-3-8392-0652-2). Im Herbst ist eine Lesung des Romans, voraussichtlich in der Zehntenscheune von Kuhn Rikon, geplant.

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