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Aktionärsgemeinden sind alarmiert

Alleingang von Wetzikon? Spitex Bachtel sieht ihre Zukunft gefährdet

Wetzikon prüft, ob die Stadt die Spitexleistungen öffentlich ausschreiben will. Verwaltungsratspräsidentin Carmen Müller Fehlmann sagt im Interview, welche Folgen dieser Entscheid für die Spitex Bachtel hätte.

Verwaltungsratspräsidentin Carmen Müller Fehlmann in den Räumlichkeiten der Spitex Bachtel in Wetzikon.

Foto: Simon Grässle

Alleingang von Wetzikon? Spitex Bachtel sieht ihre Zukunft gefährdet

Aktionärsgemeinden sind alarmiert

Wetzikon prüft, ob die Stadt die Spitex-Leistungen öffentlich ausschreiben will. Verwaltungsratspräsidentin Carmen Müller Fehlmann sagt im Interview, welche Folgen dieser Entscheid für die Spitex Bachtel hätte.

Das Besucherinteresse an Sitzungen im Wetziker Parlament ist in der Regel gering. Anders war dies im April. Damals demonstrierten Angestellte der Spitex Bachtel gar vor dem Stadthaus. Über 100 Menschen hatten sich versammelt, um mit Schildern auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Darauf zu lesen waren Parolen wie «Stärkt die öffentliche NPO-Spitex!» oder «Gewinne an Private? Nein Danke!».

Man sieht Personen mit Demo-Schildern vor dem Wetziker Stadthaus.
Vor der Parlamentssitzung im April gab es eine Demonstration gegen die mögliche Ausschreibung der Spitex-Leistungen in Wetzikon.

Hintergrund des Protests war das Postulat «Erneuerung der Zusammenarbeit der Stadt Wetzikon und der Spitex Bachtel», das die Fachkommission II des Parlaments eingereicht hatte. Darin wird der Stadtrat aufgefordert, die Zusammenarbeit mit der Spitex zu überprüfen und gegebenenfalls die Spitex-Leistungen öffentlich auszuschreiben. Dann dürften sich auch private Organisationen um den Leistungsauftrag bewerben.

Der Stadtrat fasste im vergangenen Frühling eine Ausschreibung ins Auge. Das Parlament genehmigte den Bericht zum Postulat jedoch nicht, deshalb muss er die Sachlage nochmals abklären und einen Ergänzungsbericht erarbeiten. Noch ist offen, wie es in dieser Sache weitergeht.

Klar ist aber bereits: Mit einer Ausschreibung würde Wetzikon einen Alleingang wagen. Denn die Spitex, eine Aktiengesellschaft, gehört seit ihrer Gründung 2016 nicht nur Wetzikon, sondern auch den Gemeinden Bubikon, Rüti, Seegräben, Hinwil und Gossau. Für den Verwaltungsrat der Spitex Bachtel ist klar, dass dieser Schritt mit weitreichenden Folgen für alle Gemeinden verbunden wäre.

Frau Müller Fehlmann, angefangen hat alles mit einem Postulat. Darin ging es unter anderem um die Tarife der Spitex Bachtel – auch im Vergleich zu privaten Anbietern. Ist die Spitex zu teuer?

Carmen Müller Fehlmann: Nein, zu teuer sind wir bestimmt nicht. Im Gegenteil: Wir sind ausgesprochen günstig, das zeigen die öffentlich verfügbaren Zahlen. So sind laut dem Bund öffentliche Spitex-Betriebe wie die Spitex Bachtel bei den Kosten pro Klient unter dem Strich deutlich günstiger als die privaten Spitex-Organisationen.

Können Sie hier Zahlen nennen?

Rund 10’000 Franken kostet ein Klient aktuell bei einer öffentlichen Spitex im Kanton Zürich, 17’500 Franken bei einer privaten Spitex. Unsere Tarife liegen zudem rund 20 Prozent unter den vom Kanton vorgegebenen Normkosten. Wir haben unsere Tarife seit 2017 nicht mehr erhöht, obwohl die Kosten seither deutlich gestiegen sind. Kurz: Wir sind wettbewerbsfähig.

Das klingt so, als wäre eine öffentliche Ausschreibung in Wetzikon keine Bedrohung für Ihre Spitex. Wieso wehren Sie sich überhaupt dagegen?

Wir wehren uns nicht gegen eine Ausschreibung an sich. Jedoch wären die Nebenwirkungen, die damit verbunden wären, erheblich.

Das heisst?

Wenn wir uns an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligen würden, müssten wir unsere Gemeinnützigkeit aufgeben. Und das wiederum bedeutete, dass alle anderen Aktionärsgemeinden ebenfalls eine Ausschreibung durchführen müssten. Ausserdem müsste Wetzikon seine Aktien bereits vor einer Submission verkaufen. Das ist alles ein massiver Einschnitt in die Eigentumsrechte der anderen Aktionärsgemeinden.

Ich gehe davon aus, dies haben Sie der Stadt so auch mitgeteilt. Gab es bereits einen Austausch?

Wir haben zwei Gutachten dazu in Auftrag gegeben und diese an den Stadtrat weitergeleitet und natürlich auch das Gespräch angeboten. Bisher ist es aber nicht dazu gekommen. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir uns bald austauschen können.

Der Vorschlag für die Ausschreibung kam nicht vom Stadtrat, sondern von der Fachkommission im Parlament. Hatte die Spitex Bachtel vor dem Postulat je Kontakt mit der Kommission?

Wir haben aus der Presse vom Vorstoss erfahren. Im Nachgang haben wir aber das Gespräch angeboten, und es kam zu einem Austausch. Dort konnten wir unsere Organisation vorstellen und wichtige Fragen klären.

Die Fachkommission legt den Fokus auf die Kosten. Diese sind im Gesundheitswesen ein allgegenwärtiges Thema, nicht nur bei der Spitex. Hat man hier einfach das falsche Opfer gewählt?

Es ist absolut legitim, die Kosten der Spitex zu hinterfragen. Hier geht es schliesslich um Steuer- und Krankenkassengelder. Die Zahlen des Kantons belegen aber, dass wir günstige Tarife haben.

Besonders erwähnt werden die Preise für Hauswirtschaft. 76 Franken kostet eine Stunde bei der Spitex Bachtel, die Stadt zahlt davon die Hälfte. Eine private Wetziker Spitex verlangt offenbar nur 45 Franken pro Stunde.

Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Die Spitex Bachtel macht nur ärztlich verordnete Hauswirtschaft in medizinisch begründeten Fällen, beispielsweise bei Messies oder psychisch belasteten Patienten. Eine reguläre Reinigungskraft wäre mit einer solchen Situation überfordert, deshalb muss hier medizinisch geschultes Personal eingesetzt werden. Interessanterweise hat die Stadt Wetzikon den Tarif gar nie offiziell kritisiert.

Aktuell muss der Stadtrat einen Ergänzungsbericht zum Postulat erstellen, dafür hat er bis Mitte Oktober Zeit. Es ist also noch offen, ob die Spitex-Leistungen tatsächlich ausgeschrieben werden. Worauf hoffen Sie?

Dass Stadtrat und Parlament einen Entscheid treffen, der wohlüberlegt ist und alle Fakten berücksichtigt. Dabei sollte die bestmögliche Gesundheitsversorgung im Fokus stehen.

Und wie sieht die für Sie aus?

Für mich ist klar, dass eine nicht gewinnorientierte Spitex die beste Lösung ist, da sie bedarfsgerecht arbeitet und keine künstliche Mengenausweitung betreibt. Deshalb gehört die Spitex klar in die öffentliche Hand.

Aktionärsgemeinden sind alarmiert

Bis Mitte Oktober muss der Wetziker Stadtrat den Ergänzungsbericht zum Postulat der Fachkommission II vorlegen. Dann sollte sich die Frage klären, ob Wetzikon tatsächlich eine Submission durchführt. Der Bericht kommt dann erneut vors Parlament.

Die anderen Aktionärsgemeinden der Spitex Bachtel zeigen sich jedoch alarmiert. «Die Gemeinden sehen mit einer allfälligen Ausschreibung durch die Stadt Wetzikon die Existenz einer gut etablierten und sehr gut positionierten Spitex-Organisation gefährdet», schreiben Bubikon, Gossau, Hinwil, Rüti und Seegräben in einer gemeinsamen Mitteilung.

Eine Submission würde nicht nur alle Aktionärsgemeinden zur Ausschreibung verpflichten, sondern auch den Verlust der Gemeinnützigkeit bedeuten. Unter Umständen drohe auch eine Aufteilung des Unternehmens.

Die Gemeinden sehen deshalb die bewährte und kosteneffiziente Versorgung gefährdet. Zudem widerspreche ein eigenständiges Vorgehen von Wetzikon den Vereinbarungen des Aktionärsbindungsvertrags.

«Massnahmen ohne vorgängige Abstimmung können das gegenseitige Vertrauen und die konstruktive Zusammenarbeit erheblich beeinträchtigen», schreiben die Gemeinden weiter. Sie haben deshalb der Stadt Wetzikon das Gespräch angeboten. «Ziel ist es, vor weiteren Beschlüssen der Stadt Wetzikon eine Klärung herbeizuführen.» (bes)

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