Eine Feier für die Stadt – auch wenn Uster nicht 1250 Jahre alt ist
Urkunden aus 775
Uster war im Jahr 775 der Schauplatz für drei wichtige Rechtsgeschäfte und wurde erstmals urkundlich erwähnt. Was man alles aus den alten Dokumenten herauslesen kann, weiss Historikerin Kathrin Moeschlin.
Das Stadtfest Uster ist auch eine Party für die Stadt. Sie feiert in diesem Jahr ihr 1250-jähriges Bestehen – so schreiben es zumindest die Organisatoren auf ihrer Website.
Wie alt Uster genau ist, das ist nicht ganz klar. Sicher ist jedoch, dass der Ortsname erstmals vor genau 1250 Jahren urkundlich erwähnt wurde. Und zwar auf drei verschiedenen Dokumenten, die im Stiftsarchiv St. Gallen liegen.
Um Uster ging es dabei eigentlich gar nicht – oder nur am Rande. «In den Urkunden sind Rechtsgeschäfte zwischen Privatpersonen und dem Kloster St. Gallen aufgeführt», erzählt Kathrin Moeschlin. Sie ist freischaffende Historikerin und hat früher als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stiftsarchiv St. Gallen gearbeitet.
In den Dokumenten ist festgehalten, wie Privatpersonen ihre Höfe im Zürcher Oberland ans Kloster St. Gallen übertragen. Konkret geht es um Rüeggshausen (Hroadgisinchoua) im heutigen Bubikon, Egg (Eccha), Dürnten (Tunriude) und Hadlikon (Hadaleihinchoua) im heutigen Hinwil.
Durch ihre gute Tat erhofften sich die Schenkenden damals das Seelenheil. Ausserdem bedeutete die Besitzübergabe an das Kloster Sicherheit und Schutz vor Enteignungen.
Handauflegung auf dem Altar
Unterzeichnet wurden alle drei Pergamente am 27. Januar 775 in Uster. «Das hebt die spezielle Bedeutung hervor, die Uster damals gehabt haben muss», erklärt Moeschlin.
Die heutige Stadt muss ein Mittelpunkt im nur spärlich besiedelten Gebiet gewesen sein. Die Schenkenden nahmen vermutlich stundenlange Fussmärsche in Kauf, um ihre Verträge in Uster zu unterzeichnen.
Die Übertragung des Besitzes war ein rituell-religiöses Rechtsgeschäft. «Wir können deshalb davon ausgehen, dass es in Uster damals bereits eine Pfarrkirche gab, wo diese Zeremonien stattfinden konnten», sagt die Historikerin. So waren auch Zeugen anwesend, die am Schluss der Urkunde aufgeführt sind. «Sie bekräftigten das Rechtsgeschäft durch ihre Handauflegung auf der Urkunde, was oft auf einem Altar geschah.»
Uster ist demnach älter als 1250 Jahre. Entstanden ist die alemannische Siedlung wohl etwa 200 Jahre früher, vermutlich im heutigen Oberuster am Aabach. Darauf lässt auch der Name der Stadt schliessen, der aus dem Adjektiv ustar (begierig) und dem Substantiv aha (Wasser, Fluss, Strom) besteht.
Doch erst 775 schrieb der St. Galler Mönch Waldo Uster erstmals auf einem Pergament nieder. Waldo war ein ranghohes Mitglied des Klosters und der erste namentlich genannte Archivar des Klosters St. Gallen.

Er schrieb die Urkunden, wie damals üblich, auf Latein. Selbst wer in der Schule den Lateinunterricht besuchte, hat heute aber Mühe, die Dokumente zu lesen. Denn Waldo schrieb in einer karolingischen Minuskelschrift. Seine Handschrift musste Moeschlin nicht entziffern, es gibt bereits wissenschaftliche Editionen der alten Dokumente mit Transkriptionen in unsere heutige Schrift.
Eine Frau als Schenkerin
Die Urkundentexte mit der Erwähnung von Uster gab es bisher aber nur auf Latein. Moeschlin übersetzte die Texte deshalb. Eine Urkunde ist ihr bei dieser Arbeit besonders in Auge gestochen – und zwar die Schenkung von Rüeggshausen an das Kloster.
«Es war eine Frau, Emthrudis, welche zusammen mit ihrem Sohn Gaerwin ihren gesamten Besitz dem Kloster übergab», erläutert Moeschlin. Das ist nicht selbstverständlich: «In allen vergleichbaren Urkunden, die in St. Gallen erhalten sind, sind es nur in zehn Prozent der Fälle Frauen, die ihren Besitz übertragen.»
Ich, nämlich in Gottes Namen, eine gewisse Frau
Emthrudis, mit meinem Sohn namens Gaerwin, haben
aus Gottesfurcht oder für unser Seelenheil oder zur
ewigen Vergeltung verhandelt, dass wir all unseren
Besitz dem Kloster St. Gallen schenken sollten, was wir
hiermit getan haben.
Und das ist, was wir im Landstrich
Thurgau, in der Siedlung, die Rüeggshausen genannt
wird, schenken, das ist alles, was uns in dieser Siedlung,
am heutigen Tag bekannt ist, nämlich das Haus, den
geschlossenen Hof mit Häusern, Gebäuden, Unfreien,
Vieh, Obstbäumen, Gärten, Äckern, Feldern, Wäldern,
Wiesen, Weiden, stehenden und fliessenden Gewässern,
beweglichen und unbeweglichen Einrichtungen,
bebautem und unbebautem Land, mit allem, was
dazugehört oder diesem beiliegt, dies alles schenken wir
und übergeben wir dem oben genannten Kloster oder
dessen Leitern, sodass sie, was immer sie damit tun
wollen, in allem die freie und ganz sichere Macht haben.
Wenn irgendjemand, was wir nicht glauben, dass es
geschieht, wenn wir selbst oder irgendeiner von meinen
Erben oder Nacherben oder irgendeine andere feindliche
Person gegen diese unsere Schenkungsurkunde vorgehen
oder sie ungültig machen will, der soll dem
zugehörigen Fiskus Strafe zahlen, und zwar gezwungen
sein, drei Unzen Gold und fünf Pfund Silber zu zahlen, und er gebe diesem Kloster das Zweifache (des Urkundenwerts) zurück, aber diese
gegenwärtige Urkunde soll für alle Zeit sicher und fest mit der gesamten verbundenen Verpflichtung bestehen bleiben. Öffentlich geschehen in
der Siedlung Uster in Anwesenheit derjenigen, deren Handzeichen hier festgehalten sind.
Die Zeichen von Emthrudis und ihrem Sohn Gaerwin,
die erbeten haben, diese Urkunde auszufertigen und zu bekräftigen. + Wolfolt Zeuge + Raginbald Zeuge + Raginfrid Zeuge + Dancratus Zeuge
+ Wolfrat Zeuge + Raginbald Zeuge + Tatto Zeuge. Ich, nämlich Diakon Walto, habe dieses im 4. Regierungsjahr von Karl, dem König der
Franken, geschrieben und unterschrieben (SS). Notiert am Freitag, 6. Tag zu den Kalenden von Februar.
Übersetzung: Kathrin Moeschlin
Alle Urkunden aus der damaligen Zeit folgen einem genauen Aufbau. Auffällig ist jedoch, wie viel Besitz Emthrudis dem Kloster St. Gallen übergeben hat. «Im Normalfall lesen wir von Gebäuden und Äckern», sagt Moeschlin. Doch die Schenkerin, die vermutlich verwitwet war, übergab dem Kloster mehr.
Dabei geht es nicht nur um Obstbäume, Gärten und Gewässer, sondern auch um Unfreie. Das waren Bauern, die auf dem Land von Emthrudis wirtschafteten und von ihr als Grundherrin abhängig waren.
Nicht mehr alle Originale
Viel mehr kann man über Emthrudis oder ihren Sohn Gaerwin aber aus der Urkunde nicht erfahren, und weitere Quellen über sie gibt es nicht. Das ist nicht verwunderlich. Aus dem frühen Mittelalter sind ohnehin nur sehr wenige Dokumente überliefert. Manchmal existieren sie auch nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form, sondern nur noch als spätere Abschriften oder Drucke.
Das ist auch der Fall für die beiden weiteren Schenkungen, die in Uster vollzogen wurden. Am selben Tag wie Emthrudis übergab auch ein Mann namens Unforaht Dürnten und Hadlikon dem Kloster. Von diesem Rechtsgeschäft gibt es heute nur noch einen Druck in einer Urkundensammlung aus dem 17. Jahrhundert.
Etwas älter ist das Dokument, das die Schenkung von Otto bezeugt, der seinen Hof in Egg dem Kloster vermachte. Auch hier ist das Original verschollen, nicht jedoch eine Abschrift aus dem 9. Jahrhundert.
Die Schenkungsurkunde von Emthrudis und Gaerwin ist hingegen erhalten geblieben. Und als ehemalige Mitarbeiterin des Stiftsarchivs durfte Kathrin Moeschlin sogar das Pergament anschauen. Da die Dokumente sehr wertvoll sind und äusserst vorsichtig behandelt werden müssen, ist das in der Regel nicht gestattet.

Für Moeschlin, die sich bis anhin nicht mit der Oberländer Geschichte auseinandergesetzt hatte, sind die Dokumente mehr als nur simple Rechtsgeschäfte aus dem frühen Mittelalter. «Sie sind ein Fenster in die Vergangenheit», ist die Historikerin überzeugt.
Am Festakt im Rahmen des Stadtfests hält Kathrin Moeschlin am Samstag, 6. September, um 10 Uhr einen Vortrag im Kino Qtopia. Darin erzählt sie mehr über die Urkunden und deren Bedeutung für Uster.
Im Anschluss gibt es einen Apéro und die Vorführung der Videoproduktion «Uster schreibt Geschichte – ein Bildermosaik zum Stadtjubiläum».
Für die Veranstaltung ist eine Anmeldung erforderlich – es hat noch wenige freie Plätze. Anmeldung per E-Mail stadtarchiv@uster.ch.