Wo sich Hobbyläufer mit Olympiasiegerinnen messen
Markus Ryffel ist dieser Tage ein vielbeschäftigter Mann. Der Organisator des Greifenseelaufs steckt zwei Tage vor dem 43. Startschuss des Grossanlasses in den letzten Zügen der Vorbereitungen.
Doch am Telefon merkt man davon nichts. «Selber Mitlaufen? Wissen Sie, in meiner Funktion liegt das leider zeitlich nicht drin», antwortet er höflich. Es ist eine dieser Fragen, die er als Kopf und Aushängeschild schon hunderte Male gehört haben muss.
Schliesslich hat der ehemalige Spitzenläufer und Olympia-Silbermedaillengewinner von 1984 diesen Lauf zusammen mit seinem Bruder Urs einst aus der Taufe gehoben, 42 Mal ausgetragen und zu einer Art «Brünigschwinget» der Laufszene gemacht: ein mittelgrosser, einzigartiger Wettkampf mit überdurchschnittlich viel Prestige und Ausstrahlung.
Der in Uster aufgewachsene Ryffel lebt zwar seit 50 Jahren in Bern, kennt auf «seiner Strecke» aber jeden Zentimeter – im wahrsten Sinne des Wortes.
«Ich bin in meiner Karriere 200’000 Kilometer gelaufen, rund 40’000 davon um den Greifensee», rechnet er vor. Noch heute kehrt er einmal in der Woche in die Heimat zurück, die Laufstunde am See ist dabei obligat.
Das Soziale am Uferweg
Dementsprechend einfach fällt es Ryffel denn auch, den Mythos zu erklären: «Es ist das Wechselspiel zwischen dem Urbanen in Uster und dem Idyllischen am See.» Und: «Das Soziale kommt an diesen Uferwegen besser zum Tragen als auf den breiten Asphaltstrassen. Man ist näher beisammen.»
Tatsächlich ist der Greifenseelauf mit seinen Kinderwettbewerben, der 5,5- und 10 Kilometer-Kategorie und dem Halbmarathon für alle Zielgruppen attraktiv. Vom Kind bis zum Senior, von der Hobbyläuferin bis zum internationalen Profi.
Wie sehr dieses Ambiente geschätzt wird, zeigt sich auch an den grossen Namen, die sich Jahr für Jahr in den Startlisten finden. So wird an diesem Samstag etwa die 40-jährige Triathlon-Olympiasiegerin Nicola Spirig im Halbmarathonfeld ihr allerletztes Rennen bestreiten. «Das ist, wie wenn man mit Roger Federer auf dem Platz stehen würde», freut sich der Organisator.
Doch kein Selbstläufer
Es spricht zweifelsohne für das Erfolgsmodell «Volkslauf», wenn eine Ikone wie Nicola Spirig ihre Karriere in diesem Rahmen beendet. Jahrelang zeigte die Entwicklungskurve dieser Anlässe nur in eine Richtung: nach oben. Die Teilnehmerzahlen stiegen derart kontinuierlich, dass die Veranstaltungen fast schon wie Selbstläufer wirkten.
Doch nun offenbart sich, dass die Corona-Pandemie, wie in so vielen anderen Branchen auch, die Ausgangslage verändert hat. Praktisch alle grösseren Volksläufe haben in diesem Jahr beträchtlich weniger Anmeldungen registriert. Der Tages-Anzeiger hatte in einem Artikel in diesem Mai einen Schwund von bis zu 30 Prozent gegenüber 2019, der letzten Austragung vor Corona, ausgemacht.
Von diesem Phänomen ist auch der Greifenseelauf betroffen. Rund 7’700 Personen haben sich eingeschrieben, 2019 waren es fast 15’000 gewesen. Bei der Suche nach den Ursachen tappen die Veranstalter noch im Dunkeln, aktuell laufe in der Szene eine Umfrage. «Es geht uns hier gleich wie gewissen anderen Kulturveranstaltungen», meint Markus Ryffel.
Neues Team-Format
Umso wichtiger ist vor diesem Hintergrund, dass man den Bedürfnissen der Leute Rechnung trägt. So seien zwar die Austragungen 2020 und 2021, bei denen man die Läufe der pandemiebedingten Vorschriften wegen über vier Tage strecken musste, mit «enormen Mehraufwänden» verbunden gewesen. Doch das Feedback und die Wertschätzung der Teilnehmenden hätten diesen Entscheid gerechtfertigt.
Gleichzeitig gilt es für Ryffel und seine Mitstreiter, im Kampf um die Aufmerksamkeit der Menschen zu bestehen und sie mit neuen Ideen abzuholen. Am Samstag steht deshalb erstmals ein sogenannter «Teamstaffel»-Wettkampf auf dem Programm.
Absolviert wird er in Paaren, wobei eine Person den ganzen Halbmarathon läuft und die zweite in Maur für die letzten 9,3 Kilometer einsteigt. Das Duo muss gemeinsam die Ziellinie überqueren, für die Rangierung werden die beiden Zeiten addiert.
Mit der Schweizer Marathonrekordhalterin und Olympiateilnehmerin Fabienne Schlumpf aus Wetzikon geht dabei auch eine prominente Athletin an den Start, deren Partner oder Partnerin in den sozialen Medien ausgelost wurde. Es ist eine weitere Möglichkeit, das Gefühl der Nähe zu stärken.
So hätten sich letztlich 110 Teams für dieses neue Format registriert. Eine «sehr gute Zahl», wie Markus Ryffel findet. Am Optimismus und Tatendrang fehlt es dem 67-Jährigen freilich auch nach 42 Austragungen und 40’000 Kilometern nicht.