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«Wir können den Reisenden für jeden Zielbahnhof in Europa ein Ticket bieten»

Fünf ehemalige Wetziker Gymnasiasten und Gymnasiastinnen und eine Vision: Das Reisen mit dem Zug soll in Zukunft einfacher und vor allem günstiger werden. Erreichen wollen sie dies mit der Buchungsplattform Simple Train.

Die Förderung durch den Migros-Pionierfonds ermöglichte dem jungen Unternehmen den Aufbau einer Webseite., Die drei Geschäftsführer waren Klassenkameraden im Gymnasium in Wetzikon., «Simple Train» ist seit Ende 2020 um zwei neue Mitarbeiterinnen gewachsen.

Foto: Marius Portmann

«Wir können den Reisenden für jeden Zielbahnhof in Europa ein Ticket bieten»

Alles fing an mit der Faszination für Züge – und einer Facebook-Seite. Marius Portmann ist einer der drei Geschäftsführer und Gründer der Buchungsplattform Simple Train. Aufgewachsen ohne Auto und direkt neben dem Bahnhof Männedorf, kennt Portmann das Reisen mit dem Zug schon von klein auf. Sein Vater habe sich zum Hobby gemacht, für die Familienferien auf den verschiedenen Plattformern das günstigste Ticket zu buchen, sagt Portmann.

Vom Einmannbetrieb zur Buchungsplattform

Der Zug wurde zu seinem bevorzugten Reisemittel, als Portmann mit dem Soziologie Studium begann und sich immer mehr mit der Klimadebatte beschäftigte. Portmann kannte sich mit der Suche von Zugverbindungen im In- und Ausland so gut aus, dass er auch anderen Menschen bei der Suche von Zugtickets helfen wollte.

Er startete eine Facebook-Seite über die sich die potentiellen Kunden und Kundinnen an ihn wenden konnten. Der Student suchte die Zugverbindungen auf den verschiedenen Buchungsplattformen zusammen und verlangte im Gegenzug eine kleine Bearbeitungsgebühr für seine Arbeit. Immer mit dem Ziel vor Augen, den Kunden die günstigste und unkomplizierteste Verbindung zu bieten.

Was am Anfang nur als kleiner Nebenverdienst gedacht war, entwickelte sich zur Geschäftsidee. «Nur Studieren wäre mir zu langweilig geworden. Dazu kommt, dass man im Soziologie Studium ewige Semesterferien hat», sagt Portmann. So habe er genügend Zeit gehabt, sich mit seiner Idee zu beschäftigen.

Die günstigsten und schnellsten Verbindungen

Der 22-Jährige wurde schnell von Buchungsanfragen überrumpelt und holte kurz darauf zwei ehemalige Schulkollegen aus Wetzikon ins Boot. Zusammen gründeten sie das Unternehmen Simple Train.

«Unsere Kunden können sich auf die Zugverbindungen und Ticketpreise verlassen, die wir ihnen heraussuchen.»

Austin Widmer, Geschäftsführer und Verantwortlicher für die Buchhaltung

«Simple Train» hat sich auf Kunden und Kundinnen spezialisiert, die als grosse Gruppe oder mit dem Velo verreisen möchten. «Wir füllen dort eine Lücke, wo andere Buchungsplattformen an ihre Grenzen stossen», sagt Austin Widmer, einer der drei Geschäftsführer.

Bei «Simple Train» kann es länger dauern, bis der Ticketkauf abgeschlossen sei, da Portmann für jede einzelne Anfrage persönlich im Internet nach den günstigsten und schnellsten Verbindungen sucht. «Im Gegenzug können sich die Kunden auf die Zugverbindungen und den Ticketpreis verlassen, was bei anderen Buchungsplattformen nicht immer der Fall ist», sagt Widmer.

Fliegen muss nicht günstiger sein

Die Geschäftsführer von «Simple Train» sehen grosses Potential in ihrem Metier: «Reisen mit dem Zug kann einfach und günstig sein, wenn man weiss, wo man nach den Verbindungen suchen muss», sagt Widmer.

Auch das Argument, dass Fliegen immer noch günstiger ist als die Zugreise, ist laut Portmann schon lange nicht mehr stichhaltig. «Wenn man alle Kosten summiert,  inklusive Gepäckkosten und der Anfahrt zum Flughafen, dann kann der Preis eines Zugtickets mit dem eines Flugtickets mithalten.»

«Es wäre schön, wenn Leute öfters auch für längere Reisen den Zug nehmen würden.»

Marius Portmann

Mit der Gründung der Buchungsplattform wollen die Jungunternehmer ihrer Vision ein Stück näher kommen: «Wir wünschen uns, dass in zehn Jahren für Kurzstrecken nur noch auf den Zug gesetzt wird», sagt Portmann.

Er hoffe auf ein Umdenken in der breiten Bevölkerung. «Es wäre schön, wenn es zur Normalität würde, dass die Leute mit dem Zug auch längere Reisen auf sich nehmen». Denn mit dem Umstieg von Flugzeug auf Zug kann man viel bewirken, wie «Simple Train» auf seiner Webseite berichtet: Eine Reise nach Amsterdam mit dem Zug statt mit dem Flugzeug spart die gleiche Menge an CO2, wie wenn man sich für neun Monate vegetarisch ernährt.

Taten statt Worte

Bevor Portmann das Geschäft mit den Zugreisen für sich entdeckte, versuchte er auf dem politischen Weg, sich für das Klima zu engagieren. Der ehemalige KZO-Schüler war für kurze Zeit Teil der Bewegung Klimastadt Zürich. Er habe jedoch schnell gemerkt, dass das nicht sein Ding sei. «Ich möchte sehen, was ich bewirke und nicht nur reden», sagt Portmann.

Mit der Gründung der Buchungsplattform ist ihm das nun gelungen. Im ersten Geschäftsjahr konnten schon 500 Zugtickets in ganz Europa über «Simple Train» verkauft werden. «Wir wollen unseren Beitrag für eine nachhaltigere Zukunft leisten, indem wir den Menschen etwas Sinnvolles bieten. Wenn das gelingt, dann nutzen die Leute das Angebot von selbst.»

Als Reiseplattform ist auch «Simple Train» stark von der Corona-Pandemie betroffen. Doch erstaunlicherweise ist dem Start-Up-Unternehmen die Reiseflaute zugutegekommen. Denn seit Oktober 2020 wird «Simple Train» durch den Migros-Pionierfonds gefördert.

Da niemand mehr reisen konnte und das Unternehmen vom Förderpartner unterstützt wurde, konnte sich «Simple Train» auf seine Schwächen konzentrieren und die Webseite entwickeln. Zusätzlich ist das Unternehmen um zwei neue Mitarbeiterinnen gewachsen – eine Grafikerin und eine Verantwortliche für Kommunikation und Social Media.

Von steigenden Zahlen

Und «Simple Train» wird noch mehr wachsen: Im 2022 stellt die Geschäftsleitung jemanden ein, der zusammen mit Portmann die Arbeit der Recherche für die Zugtickets übernehmen soll. Momentan ist der 22-Jährige der einzige, der die Recherchearbeit übernehmen kann. Das Unternehmen ist gewappnet für grössere Buchungszahlen und die beiden Geschäftsführer können es kaum erwarten, wenn Reisen wieder im grossen Stil möglich ist. «Wir hoffen, dass die Zahlen wieder steigen – also die Reisezahlen», sagt Widmer.

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