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Seine Perspektive hat sich verändert

Wie der «egoistische Athlet» von einst den SCU führt

Seit April ist Karel Novy Präsident des Schwimmclubs Uster. Der dreifache Olympia-Teilnehmer hat nicht nur den Leistungssport im Fokus.

Einst Spitzenschwimmer, jetzt Präsident: Karel Novy im Hallenbad Uster.

Foto: Christian Merz

Wie der «egoistische Athlet» von einst den SCU führt

Seit April ist Karel Novy Präsident des Schwimmclubs Uster. Der dreifache Olympia-Teilnehmer hat nicht nur den Leistungssport im Fokus.

«Wir werden wahrscheinlich krass abräumen.» Karel Novy sagt den Satz ganz selbstverständlich beim Gesprächstermin in der Cafeteria des Hallenbads Uster. Hier finden von Freitag bis Sonntag die Schweizer Meisterschaften auf der Kurzbahn statt – und es wäre eine Überraschung, wenn der Schwimmclub Uster (SCU) nicht mehr Titel und Medaillen gewinnen würde als alle anderen Vereine.

«Wir haben ein Erfolgsmodell», sagt Novy. Eines, das Philippe Walter während seiner 42 Jahre als Präsident aufbaute und das Novy nun weiterführen will, seit er im April die Führung des SCU übernommen hat. Und wie es schon unzählige Schwimmerinnen und Schwimmer getan haben, kam auch der aus Vevey stammende Novy einst nach Uster, um sich hier weiterzuentwickeln.

Im Jahr 2000 war das. Ausschlaggebend war ein Gespräch am anderen Ende der Welt. Im Flugzeug zwischen Brisbane, wo die Schweizer ihr Trainingscamp hatten, und der Olympia-Stadt Sydney. Novy sass zufällig neben Gerard Moerland, damals Trainer in Uster und im Schweizer Nationalteam. «Er hat mich nicht überredet, aber ich wusste danach: Der Wechsel zu Uster ist der einzige Weg für mich.»

Dass ihn sein Weg letztlich 25 Jahre später an die Spitze des Schwimmclubs führen würde, daran dachte der Crawl-Spezialist damals nicht. Ohnehin hatte er als Leistungssportler sich selber im Fokus. Er suchte den Konkurrenzkampf in Uster unter Nationalteam-Kollegen wie etwa Remo Lütolf, die Gruppendynamik, die er in Vevey nicht hatte.

«Dort wurde mein Wechsel nicht gerne gesehen. Aber ich habe es nie bereut», sagt er. Und ergänzt grinsend: «Eigentlich spricht etwas gegen Uster: Ich habe meine Langbahn-Bestzeit über 100 m Crawl nie verbessert. Doch das lag nicht am Training, sondern an mir. Ich hätte einiges anders machen müssen, zum Beispiel auch über andere Distanzen antreten und zwischendurch den Kopf lüften.»

Novy lernte als Sportler auf spezielle Weise, dass es gewinnbringend sein kann, Druck wegzunehmen. Es ist eine Geschichte um seinen Rücktritt, die er so damals nicht erzählen konnte, weil sie wohl etwas ausgelöst hätte, was man heute einen Shitstorm nennt.

Er war quasi der erste Profi

2006 wurde er vom Schwimmverband im Rahmen eines Pilotprojekts im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2008 in Peking angestellt und entlöhnt, um sich aufs Training konzentrieren zu können. Novy trainierte viel, empfand das aber als kontraproduktiv und merkte, dass seine Motivation nachgelassen hatte. Er pausierte und sagte dem Verband: «Gebt das Geld jemand anderem.» Und als er merkte, dass er den Wiedereinstieg ins Training immer weiter hinauszögerte, teilte er seinem Trainer mit: «Ich bin fertig. Ich weiss nicht, warum ich noch mal ins Wasser springen soll.»

Das Problem: Mit der Staffel hatte er sich bereits für Peking qualifiziert. Und der Coach antwortete: «Wenn du aufhörst, ist die Staffel raus. Ist dir das bewusst?» Novy verzichtete also auf den offiziellen Rücktritt, machte aber nur sehr auf Sparflamme weiter. Zuerst gabs eine lange Pause. Und weil er im April 2008 an der EM eine Leistungsbestätigung erbringen musste, begann er einen Monat zuvor zu trainieren. «Lustigerweise schwamm ich dann an der EM in den Halbfinal und kam bis auf zwei Zehntel an meine Bestzeit heran.»

Danach pausierte er erneut, stieg sechs Wochen vor den Olympischen Spielen wieder ins Training ein – und schwamm in Peking in der Staffel seine zweitbeste Zeit über 100 m Crawl überhaupt. «Das zeigte mir: Die Basis war immer da, es war reine Kopfsache.»

Seine Karriere war danach definitiv zu Ende – und als Trainer sah er sich nicht. «Ich war negativ gesagt ein egoistischer Athlet und quasi ein ewiger Student», sagt er lachend, «und ich war kein besonders geduldiger Mensch, wenn es darum geht, Dinge immer wieder zu erklären.» Und als ihn Philippe Walter wenig später für ein SCU-Vorstandsamt anfragte, fühlte er sich geehrt, sah den überschaubaren Aufwand von drei oder vier Sitzungen pro Jahr und sagte sich: «So kann ich mithelfen, die Kultur zu pflegen, die mich geprägt hat.»

So viele Aktive wie noch nie

Das ist nun 16 Jahre her, und Novys Perspektive hat sich nicht nur aufgrund der zeitlichen Distanz von der aktiven Karriere verändert, sondern auch, weil er unterdessen zweifacher Familienvater ist. 12 und 14 Jahre alt sind seine Kinder, sie schwimmen beide (nicht in Uster, sondern in Bülach, weil die Familie in der Nähe lebt) – und Novy sagt: «Früher war Leistungssport das Einzige, was ich kannte. Erst als Vater realisierte ich, wie wichtig alle Altersgruppen im Verein sind. Wie wichtig es ist, dass die Kinder eine Plattform haben, wo sie sich ausserhalb der Schule treffen und ein Ziel verfolgen können. Was wir für die Gesellschaft tun, ist immens wichtig.»

Unterdessen ist aus dem SCU ein KMU geworden, das seit diesem Jahr einen vollamtlichen Geschäftsführer hat und das Novy nun strategisch führt. «Ich will nicht behaupten, ich hätte schon viel bewirkt», sagt er. Es gibt ja auch keinen Bedarf, den Verein umzukrempeln. «Einige Dinge können wir vielleicht etwas modernisieren», sagt Novy. Ihm geht es aber vor allem um Kontinuität. «Wenn der Klub in zehn Jahren auch noch so dasteht, dann kann ich mir vielleicht einmal auf die Schulter klopfen.»

Karel Novy, Präsident des Schwimmclubs Uster, im Hallenbad Uster fotografiert.
Aus dem SC Uster ist ein KMU geworden: Cheftrainer Pablo Kutscher (links), Leiter Geschäftsstelle Andri Sturzenegger (Mitte) und Präsident Karel Novy.

Sieben vollamtliche Trainer arbeiten unterdessen für den SCU, mindestens ein Profi pro Stufe muss es für den Klub sein, um Qualität und Kontinuität zu wahren. Und dabei geht es neben rein trainings- und schwimmtechnischen Fragen auch um weiche Faktoren. «Der Übergang von einer Stufe zur nächsten darf kein Kulturschock sein. Wir müssen die Schwimmerinnen und Schwimmer so aufbauen, damit sie mit Motivation weitermachen.»

Etwas über 500 Aktivmitglieder hat der SCU derzeit – zum ersten Mal in seiner Geschichte hat er die 500er-Grenze heuer durchbrochen. «Wir haben ja viel Platz und sind der Stadt Uster dafür sehr dankbar», sagt Novy und blickt durch die Glasscheibe ins Hallenbad. «Aber irgendwann wirds knapp.» Der Moment sei auf Elitestufe eingetreten, «da sind wir fast voll».

Was ein Luxusproblem darstellt. Andere Vereine leiden unter dem Problem, dass viele vor dem Übertritt in die Elite aufhören. «Hier ist es hingegen normal, dass man weiterschwimmt.» Das hat auch mit der Gruppendynamik zu tun, die Novy gerne erwähnt. Und wichtig ist ihm diesbezüglich: «Dafür braucht man nicht nur Olympia-Teilnehmerinnen und Olympia-Teilnehmer. Jede und jeder ist wichtig.» Konkurrenzkampf beflügelt bekanntlich.

Letzteren vermisst Novy in einem anderen Zusammenhang – es ist quasi die Kehrseite des Ustermer Erfolgs. «Eigentlich ist es nicht gesund, wenn alle zu uns kommen. Das zeigt, dass es anderen Vereinen an Stabilität mangelt. Für den Schweizer Schwimmsport wäre mehr Konkurrenz gut», glaubt er. «Aber ich kann nun ja auch nicht sagen: Wir wollen schlechter und unattraktiver sein.»


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