Warum eigentlich nicht Yvonne Bürgin?
Munkeln um Amherds Nachfolge im Bundesrat
Die Mitte braucht schon bald ein neues Bundesratsmitglied. Nur haben die Favoriten bereits abgesagt. Nun bringt ein renommierter Politologe Yvonne Bürgin ins Spiel. Für Rütis Gemeindepräsidentin spricht in der Tat einiges.
Kaffeesatzlesen steht in diesen Tagen mal wieder hoch im Kurs. Denn eine Frage gibt schweizweit zu reden: Wer füllt nach dem Rücktritt von Viola Amherd die Lücke im Bundesrat? Die Favoriten haben allesamt bemerkenswert schnell abgesagt.
Der noch amtierende Parteipräsident Gerhard Pfister meinte, er wäre kein glücklicher Bundesrat. Ein weiterer Favorit, der Bündner Martin Candinas, sagte, sein Herz sage Nein, und die Zeit mit seiner Familie sei ihm zu wichtig. Jeweils einen Korb gab es auch von Heidi Z’graggen (UR), Philipp Matthias Bregy (VS) und Isabelle Chassot (FR). Vor allem die Männer spielen mittlerweile offenbar gerne die «Familienkarte» aus, um ihre Absagen zu begründen.
Hat das Bundesratsamt etwa seinen Reiz verloren? Oder handelt es sich um ein «Mitte-internes Problem»?
Kennt den schnellen Weg nach Bern
Yvonne Bürgin ist Mitte-Vizepräsidentin, Nationalrätin und Gemeindepräsidentin von Rüti. Am letzten Freitag war sie in der Elefantenrunde der «Arena» mit von der Partie. Sie machte dem Fernsehpublikum rasch deutlich, dass hinsichtlich der Bundesratswahl zwar noch alles offen sei, sie sich allerdings ein aus zwei Männern und einer Frau bestehendes Dreierticket wünsche.
Als ihren persönlichen Favoriten nannte sie Benedikt Würth aus Rapperswil-Jona. Doch auch der St. Galler Ständerat hat sich zwischenzeitlich aus dem Rennen genommen.

Nach all den Absagen stellt sich nun die Frage: Warum nicht Bürgin selbst? Es spricht einiges für die 54-jährige Oberländerin. Seit dem Rücktritt von Ueli Maurer (SVP) ist aus dem bevölkerungsreichsten Kanton der Schweiz niemand mehr in der Landesregierung vertreten.
Dem Nationalrat gehört Bürgin, die zuvor zehn Jahre Zürcher Kantonsrätin war und dieses Gremium 2018 auch präsidierte, zwar erst seit Dezember 2023 an. Doch in der Grossen Kammer ist sie Mitglied der Finanzkommission, in der sie die Subkommission 4 präsidiert, die für das Justiz- und Polizeidepartement und das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) zuständig ist.
Also auch für das VBS. Und just dieses Departement wird mit dem Amherd-Rücktritt frei. Dieses gilt als heisses Eisen. Der ehemaligen Kunstturnerin kann man zumindest den Bezug zum Sport nicht absprechen.
Derzeit ist in Bern nämlich nicht davon auszugehen, dass von den amtierenden Bundesräten jemand das Departement wechseln will. Die Frage ist, ob man einer Politikerin wie Bürgin, die seit gerade einmal einem Jahr in Bern amtet, das äusserst anspruchsvolle Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport zutrauen würde.
In ihrer vergleichsweise kurzen Zeit in Bundesbern hat sie sich durchaus ein gewisses Profil erarbeitet. Immer wieder ist sie in den Medien präsent. Bei nationalen Abstimmungen kommt sie oft zu Wort. Zugleich aber hält sie mit ihrem Amt als Gemeindepräsidentin den Kontakt zur «Basis». Dennoch kennt sie den schnellen Weg nach Bern.

Dazu gilt sie auf nationaler wie auch auf kommunaler Ebene als äusserst dossierfest. «Sachpolitik mit Augenmass ist mir wichtig», schreibt sie in ihrem Parteiporträt. Am Dienstag nahm nun der renommierte Politologe Michael Hermann ihren Namen als potenzielle Bundesratskandidatin in den Mund.
Der perfekte Zeitpunkt?
Bis zum 3. Februar haben die Kantonalparteien Zeit, Kandidatinnen und Kandidaten zu nominieren. Die Bundeshausfraktion entscheidet dann am 21. Februar über die Grösse und Zusammenstellung des Tickets. Es ist also Eile geboten.
Auch wenn noch längst nicht klar ist, wen die Mitte denn überhaupt ins Rennen schicken will – Bürgin hätte einige Argumente auf ihrer Seite. Und sie hat in ihrer bisherigen Karriere noch nie eine Wahl verloren.
Die gelernte Schneiderin, die nebenbei im familieneigenen Natursteinbetrieb als Buchhalterin und Sachbearbeiterin arbeitet, wäre ein neues Gesicht, das frischen Wind verspricht. Sie kommt aus dem eher urbanen Raum, kennt aber auch die Nöte und Sorgen der Bewohner von peripheren Regionen – das urchige Tössstock-Gebiet ist nicht weit von ihrem Wohnort entfernt.
Sie könnte ihrer Partei ein bürgerliches, aber auch progressives Gesicht verleihen. Weg von der ländlich-katholisch geprägten früheren CVP zu einer modernen Partei, die sich den Zusammenhalt des Landes und der Generationen auf die Fahne schreibt.
Und sie ist eine Frau. Das ist sicher kein Nachteil, wenn es um die Nominierung für die Nachfolge einer zurücktretenden Bundesrätin geht. Auch wenn sich die Frage stellt, ob die Mitte nach Viola Amherd und Doris Leuthard vielleicht nicht doch lieber einmal wieder einen Mann in der Regierung sehen möchte.
Der von ihrer Partei eingesetzten Findungskommission gehört sie jedenfalls nicht an. Obschon sie als Mitte-Vizepräsidentin nach dem angekündigten Rücktritt von Gerhard Pfister als Parteipräsidenten erst recht daran interessiert sein sollte, wer die Nachfolge von Viola Amherd antritt.
Sind das Zeichen? Oder ist das nur Kaffesatzleserei?