Uster macht Messwerte öffentlich und versucht sich in Erklärungen
Darmbakterien im Wasser
Die Daten zum verschmutzten Wasser sind publik: Umweltmikrobiologen des Wasserforschungsinstituts Eawag bestätigen, dass die Messwerte problematisch waren.
Verschmutztes Trinkwasser verunsicherte die Bewohner in Uster am vorletzten Wochenende. Die Ustermerinnen und Ustermer kauften Mineralwasser-Vorräte leer und kritisierten die Behörden wegen der mangelnden Information, während Restaurantbesitzer zum Teil erst spät von dem Debakel erfuhren. Zudem blieb die Frage offen, wie gefährlich die gemessenen Fäkalbakterien für die Bevölkerung wirklich waren.
Am Montag publizierte die Energie Uster AG die konkreten Messwerte der Wasserproben. Dabei wird klar, dass minimale Verunreinigungen mit Escherichia coli schon Ende Juli verbucht worden sind. Diese lagen jedoch nur wenig über den gesetzlichen Anforderungen. Die Ursache für die Verschmutzung sei noch immer nicht bekannt, steht in der Medienmitteilung der Energie Uster AG.
Escherichia coli gehört zu einer Gruppe von Bakterien, die im Darm gesunder Menschen von Natur aus vorkommen – auch im Darm von anderen Säugetieren und Vögeln. Manche Stämme können jedoch eine Infektion im Verdauungstrakt, in den Harnwegen oder in anderen Teilen des Körpers hervorrufen.
Darmbakterien können auf Gefahr hinweisen
Die Escherichia-coli-Bakterien seien sogenannte Indikatorbakterien, um mögliche fäkale Verunreinigungen im Wasser zu messen, sagt Frederik Hammes vom Wasserforschungsinstitut Eawag der ETH in Dübendorf.
«Sie können auf die Gefahr hinweisen, dass das Trinkwasser andere Krankheitserreger enthält, die über Fäkalien übertragen werden können, beispielsweise Durchfallerkrankungen», sagt Umweltmikrobiologe Tim Julian, der ebenfalls für die Eawag arbeitet.
Die Bakterien würden im Trinkwasser gemessen, um nach einer Kreuzkontamination mit Fäkalien zu suchen, die von Menschen, Nutztieren oder Vögeln stammen könnten.
Die gute Nachricht: «Normalerweise ist Escherichia coli nicht in der Lage, sich im Trinkwasser zu vermehren, da dort die Nährstoffe gering sind und die Temperatur niedrig ist.»
Schwellenwert von null überschritten
Am Dienstag, 30. Juli, konnte in Uster bei einer regulären Messung eine leichte Verunreinigung durch Darmbakterien im Wasser festgestellt werden: Jedoch hat die Energie Uster AG zu dem Zeitpunkt nur eine Koloniebildende Einheit (KBE) pro 100 Milliliter gemessen.
KBE steht für Koloniebildende Einheit, was grob als ein Bakterium übersetzt werden kann, das in der Lage ist, auf einem Nährboden im Labor zu wachsen – und eine Kolonie zu bilden.
«Die Zahl der Escherichia-coli-Bakterien überschritt damit die gesetzlichen Anforderungen an die Trinkwasserqualität», steht in der Medienmitteilung der Energie Uster AG. Denn Escherichia coli darf im Trinkwasser nicht vorkommen.
«Ein Wert von 1 KBE pro 100 ml weist zwar auf eine geringe Kontamination hin, doch die Tatsache, dass der Richtwert überschritten wurde, erfordert Massnahmen», sagt Umweltmikrobiologe Hammes von der Eawag.
Temperatur und Ort spielen eine Rolle
Nachdem also die Energie Uster AG Escherichia coli im Trinkwasser gefunden hatte, handelte die Energieversorgerin und legte in Absprache mit dem Kantonalen Labor Zürich eine Folgemessung für den 5. August fest. Diese zeigte einen Tag später: Die Verunreinigung bestätigte sich. Zu diesem Zeitpunkt hat man sogar 14 KBE pro 100 Milliliter gemessen.
Zur Einordnung: Ab 10 KBE pro 100 Milliliter soll gemäss Kantonalem Labor eine Empfehlung an die Bevölkerung ausgesprochen werden, das Wasser abzukochen.
Umweltmikrobiologe Hammes sagt dazu: «Aus meiner Sicht würde ein Wert von 14 KBE pro 100 Milliliter auf eine signifikante Kontamination hinweisen.»
Wieso hat Uster dennoch zugewartet und nicht schon am 6. August die Bevölkerung informiert, dass sie das Wasser abkochen muss?
Bruno Modolo, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Energie Uster AG, sagt, die Verunreinigung sei zu diesem Zeitpunkt erst lokal in einem Laufbrunnen beim Zeughaus in Uster gemessen worden.
Zu diesem Zeitpunkt seien keine Erkenntnisse vorgelegen, dass der Grad der Verschmutzung flächendeckend sei. «In Absprache mit dem Kantonalen Labor ging es erst einmal darum, vor Ort zu spülen und eine Nachkontrolle zu machen, bevor weitere Massnahmen, wie beispielsweise eine Information an die Bevölkerung, getroffen werden.»
Lokale Spülung half nur bedingt
So hat die Energie Uster AG eine lokale Spülung veranlasst und am selben Tag eine neue Probe entnommen. Das Resultat lag am Mittwoch, 7. August, vor und zeigte, dass die Verunreinigung durch die Spülung nicht ganz behoben werden konnte, die Messwerte lagen da noch immer bei 6 KBE pro 100 Milliliter.
Die Energie Uster AG entschied daraufhin – wieder in Absprache mit dem Kantonalen Labor Zürich –, sogleich auch andere Standorte zu prüfen: Die Messresultate vom Donnerstag, 8. August, stellten an neun Orten in Uster eine Verunreinigung mit den Darmbakterien fest, die Resultate lagen zwischen 1 und 12 KBE pro 100 Milliliter.
Erst ab dann wurde informiert: Die Energie Uster AG verteilte zunächst Merkblätter an Einrichtungen mit vulnerablen Personen wie das Werkheim Uster. Die gewählte Kommunikationsstrategie sorgte aber für grosse Verunsicherung und viel Kritik, da die Energieversorgerin nur sporadisch informierte und sich die Nachricht über soziale Medien verbreitete. Dafür entschuldigte sich Stadtrat Stefan Feldmann (SP) letzte Woche.
«Die detaillierte Publikation der Messberichte ist der erste Schritt der angekündigten Aufarbeitung», sagt Stadtrat Feldmann, der auch Verwaltungsratspräsident der Energie Uster AG ist. Das Aufrollen der Vorgänge in der Kommunikation werde folgen, das brauche aber noch etwas Zeit. «Wir wollen das seriös machen.»
Schwellenwerte auch anderswo überschritten
In der Schweiz sei eine Kontamination der Trinkwasserversorgung mit Escherichia coli zwar nicht häufig, komme aber dennoch vor, sagt Tim Julian von der Eawag. «Zwischen 2019 und 2021 überstiegen beispielsweise 1,4 Prozent der Wasserproben in allen 26 Kantonen den maximalen Grenzwert für Escherichia coli.»
Die Schweiz stehe damit gut da: Global gesehen habe mehr als die Hälfte der Länder der Welt keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. «Kontaminierung des Wassers durch Fäkalien ist die häufigste Ursache.»
Übrigens sollen sich nicht viele Ustermerinnen und Ustermer konkret mit Bauchweh beim Spital Uster gemeldet haben. «Am besagten Wochenende gab es kein erhöhtes Patientenaufkommen betreffend Magen-Darm-Problematiken», sagt Sarah Buob, Leiterin Marketing und Kommunikation des Spitals Uster.