Streit um Neubau auf dem Ryffel-Areal in Oberwetzikon
Ohne Gestaltungsplan?
Braucht es einen Gestaltungsplan für das Ryffel-Areal oder nicht? Naturschützer Uwe Scheibler stört sich am Vorgehen der Stadt. Doch seine Kritik scheint verspätet. Trotzdem droht ein Rechtsstreit.
Auf dem Areal der ehemaligen Gerberei Ryffel in Oberwetzikon soll bald eine neue Überbauung stehen – mit Wohn-, Arbeits- und Begegnungsraum. Das ist das Ziel der Stadtbauentwicklungs AG. Sie hat die Parzelle im Zentrum 2022 erworben.
Das Baugesuch für ihr Vorhaben wurde im vergangenen November publiziert, nun muss die Wetziker Baubehörde über die Bewilligung entscheiden.
Dass die Bauherrin direkt ein Gesuch für ihr Projekt einreichen konnte, ist nicht selbstverständlich. Denn das Ryffel-Areal liegt in einem Gebiet, für das die Wetziker Bau- und Zonenordnung (BZO) eine Gestaltungsplanpflicht vorsieht. Ein Gestaltungsplan regelt noch vor dem Baugesuch, wie ein Areal erschlossen, bebaut, gestaltet und genutzt werden soll – und er kann von den Regeln der BZO abweichen.
Ein rechtskräftiger Entscheid
Wieso also konnte die Stadtbauentwicklungs AG direkt ein Baugesuch einreichen, ohne vorher einen Gestaltungsplan auszuarbeiten? «Wir haben hierzu einen baurechtlichen Vorentscheid der Stadt Wetzikon eingeholt», sagt Beat Odinga.
Er ist Geschäftsleiter der Stadtbauentwicklungs AG und hat mit seiner Firma Odinga Ventures schon zahlreiche ähnliche Projekte realisiert. «Dabei wurde unser Begehren, auf einen Gestaltungsplan zu verzichten, bewilligt, da wir ein qualifiziertes Verfahren wählten, das den Anforderungen der Richt- und Nutzungsplanung entspricht.»
Aus diesem Grund hat das Unternehmen intensive Gespräche mit der Stadt geführt. Anstatt einen Gestaltungsplan zu erarbeiten, hat es deshalb einen Studienauftrag durchgeführt. Das ist ein Konkurrenzverfahren, bei dem mehrere Architekturbüros Projekte einreichen. Eine Jury wählt dann das beste aus.
Der Studienauftrag ist eine Voraussetzung dafür, dass in Wetzikon auf die Gestaltungsplanpflicht verzichtet werden kann – und genau dies wurde vom Bauausschuss im Mai 2023 gewährt.
«Der baurechtliche Vorentscheid zum Verzicht der Gestaltungsplanpflicht war öffentlich ausgeschrieben», betont Odinga. Am 24. März 2023 wurde das entsprechende Gesuch publiziert. Die Arbeitsgruppe Planung und Umwelt der SP Wetzikon und der Zürcher Heimatschutz haben in der Folge den Baurechtsentscheid verlangt.
Gegen den Vorentscheid des Bauausschusses, dass für die Überbauung ausnahmsweise kein Gestaltungsplan nötig ist, ging von den beiden Parteien kein Rekurs ein, der Entscheid ist damit rechtskräftig. «Das war die Voraussetzung, dass wir überhaupt das Bauprojekt ausgearbeitet haben», erläutert Odinga.
Muss es ein Areal sein?
Auch wenn der Entscheid über eineinhalb Jahre zurückliegt, sorgt das Vorgehen nun offenbar für Fragezeichen. Robin Schwitter (AW) kritisierte in einer Erklärung der SP/AW-Fraktion die aufgehobene Gestaltungsplanpflicht im Wetziker Parlament Anfang Dezember. «Eine öffentliche Mitwirkung zur Sicherung der langfristigen nachhaltigen Entwicklung im Gestaltungsplangebiet fehlt», sagte er.
Mit seiner kritischen Haltung scheint Schwitter nicht allein zu sein. Für Naturschützer Uwe Scheibler, der auch Präsident des Quartiervereins Oberwetzikon ist, ist es ein «Buebetrickli», das ein Wetziker Wahrzeichen gefährdet. «Unsere Stadt ist mit historischen Bauten und Ensembles nicht gerade reich gesegnet. Den vorhandenen sollten wir deshalb besonders Sorge tragen», schreibt Scheibler in einer Stellungnahme im Namen des Vereins.
Er stellt wie Schwitter die Aufhebung der Gestaltungsplanpflicht infrage. Die Wetziker BZO sieht diese Möglichkeit vor, wenn ein Studienauftrag wie beim Ryffel-Areal durchgeführt wurde – es müssen aber auch die massgebenden Vorschriften für eine sogenannte Arealüberbauung erfüllt sein. Dazu gehört beispielsweise, dass die Bauten und Anlagen besonders gut gestaltet sowie zweckmässig ausgestattet und ausgerüstet sein müssen.
Der Knackpunkt: Für eine Arealüberbauung schreibt die Wetziker BZO Mindestgrössen der Grundstücke vor. 6000 Quadratmeter sind dies in der Zentrumszone A. Die Fläche des Ryffel-Areals ist aber deutlich kleiner.

Das war auch dem Wetziker Bauausschuss bei seinem Vorentscheid im Mai 2023 zur Gestaltungsplanpflicht bewusst. Die Behörde besteht aber weiterhin auf die Qualitätsanforderungen an eine Arealüberbauung, obwohl die Fläche deutlich kleiner ist. Das finale Bauprojekt muss zudem die angestrebten Ziele des Gestaltungsplans mit dem Studienauftrag erfüllen.
«Eine Arealüberbauung muss eine besonders gute Gestaltung aufweisen – die Erreichung dieser Ziele wird durch die Zusammenarbeit der Bauherrschaft mit dem Fachbeirat sichergestellt», sagt Stadtrat Stefan Lenz (FDP), zuständig für das Ressort Hochbau und Planung. «Als Bauausschuss kontrollieren wir dies und sind dafür verantwortlich.»
Diese Argumentation der Stadt vermag Uwe Scheibler nicht zu überzeugen. Er sieht im Prozess eine Missachtung der zahlreichen öffentlichen Interessen: vom Denkmalschutz über die Revitalisierung des Schlossbachs bis hin zur anwohnerfreundlichen Strassenraumgestaltung. Er fordert deshalb die sofortige Sistierung des Bewilligungsverfahrens und die Ausarbeitung eines Gestaltungsplans.
Wieso tut er dies erst jetzt und nicht bereits im Frühjahr 2023? «Wir haben damals Zusicherungen von der Stadtverwaltung erhalten, dass die öffentlichen Interessen beim Bauprojekt gewahrt werden», sagt Scheibler. Im eingereichten Bauprojekt sieht er dies aber nicht – und kritisiert dabei zahlreiche Projektanpassungen der Bauherrschaft, beispielsweise bei der Gebäudehöhe. «Das ist einfach unredliches Verhalten.»
Rekurse sind möglich
Für Beat Odinga ist der jetzige Widerstand von Scheibler zur Aufhebung der Gestaltungsplanpflicht nicht nachvollziehbar. «Die Kritik zum heutigen Zeitpunkt erachten wir als Polemik, die Entscheide haben bereits 2023 stattgefunden. Wir haben kein ‹Buebetrickli› angewandt, das war ein ordentliches Verfahren.» Vom Rekursrecht sei nicht Gebrauch gemacht worden.
Den Vorwurf, dass die Stadtbauentwicklungs AG die öffentlichen Interessen mit ihrem Projekt nicht wahre, weist Odinga ebenfalls zurück. «Wir sind uns natürlich bewusst, dass es sich um ein sensibles Grundstück handelt, mit hohen städtebaulichen Anforderungen in einem wichtigen, historischen Kontext», betont er und hebt die enge Zusammenarbeit mit der Stadt und der Denkmalpflege im ganzen Prozess hervor.
«Alle Qualitätsinstrumente haben wir aber unabhängig von einem Gestaltungsplan erfüllt.» Auch ihm sei es ein Anliegen, dem Ortsbild und den geschützten Gebäuden Sorge zu tragen.
Zum Bauprojekt gehört unter anderem auch der Umbau des sogenannten Lehenshofs. Im letzten September hat die Stadt das Objekt unter Schutz gestellt – ein Vertrag regelt die Details, wie das Gebäude saniert werden kann. «Wir wissen sehr gut, wie wir mit denkmalerischen Aspekten umzugehen haben», sagt Odinga.

Er verweist hier auf eines seiner anderen Projekte: den Umbau des alten Bauernhauses an der Spitalstrasse 210. Ausserdem ist er Stiftungsrat der Stiftung Forschung Planungswettbewerbe, die das Sammeln und Aufarbeiten von Architektur- und Ingenieurwettbewerben verfolgt.
Den Umbau des Ryffel-Areals will die Stadtbauentwicklungs AG 2027 starten. Ob dieser Zeitplan eingehalten wird, ist noch offen. Das Baugesuch ist nach der öffentlichen Auflage noch hängig.
Laut Uwe Scheibler haben mehrere Institutionen und Privatpersonen den baurechtlichen Entscheid verlangt – und sind damit zum Rekurs berechtigt.