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Fischenthaler «Eidgenosse» im Interview

«Mein Ziel ist, dass meine Rekorde gebrochen werden»

Fabian Kindlimann (34) sagt, wieso sein zweiter eidgenössischer Kranz eine Genugtuung war – und ob er ans Aufhören denkt.

Erfolgreicher als er war noch keiner aus dem Schwingklub Zürcher Oberland: Fabian Kindlimann posiert in Mollis mit seinem zweiten eidgenössischen Kranz.

Foto: Lorenz Reifler

«Mein Ziel ist, dass meine Rekorde gebrochen werden»

Fabian Kindlimann (34) sagt, wieso sein zweiter eidgenössischer Kranz eine Genugtuung war – und ob er ans Aufhören denkt.

Montagabend, 18 Uhr, Schulhaus Hadlikon. Nur etwas mehr als 24 Stunden ist es her, seit Fabian Kindlimann seinen zweiten eidgenössischen Kranz gewonnen hat. Vor über 50’000 Menschen in der Arena in Mollis. Nun steht Fabian Kindlimann schon wieder im Sägemehl. Im Schwingkeller des Schwingklubs Zürcher Oberland (SKZO) macht er die Unterlage bereit für das Training der Jungschwinger, das er leitet.

Während Kindlimann sich Zeit nimmt für das Interview, treffen die sechs- bis zwölfjährigen Buben nach und nach ein, geben dem Fischenthaler artig die Hand – und jeder gratuliert ihm zu seinem Erfolg. Kindlimann bedankt sich mit heiserer Stimme. «Das hat viel Ricola gebraucht», sagt er lachend.

Fabian Kindlimann, liegt die lädierte Stimme am ausgelassenen Feiern?

Fabian Kindlimann: Nein, das gegenseitige Antreiben und gemeinsame Jubeln mit den anderen Nordostschweizern, das hat die Stimme ziemlich verbraucht. Das Festen selber habe ich nicht übertrieben. Ich hatte nicht das Bedürfnis, viel Alkohol zu trinken. Und ich mag grosse Menschenmengen nicht unbedingt. Gefeiert habe ich schon, mit Kollegen und anderen Schwingern in einem ruhigeren Rahmen, das war sehr angenehm. Und ich bin auch beizeiten ins Bett.

Ein zweitägiges Fest hinterlässt körperliche Spuren. Wie gut haben Sie sich schon erholt?

Eigentlich fühle ich mich, als wäre ich von einem Panzer überfahren worden. Jeder Muskel im Körper tut weh.

Und doch sind Sie schon wieder im Schwingkeller.

Ja, ich finde es wichtig, dass ich als Trainer der Jungschwinger auch nach einem solchen Anlass anwesend bin. Denn von ihnen verlangt man es auch. Es ist mir sehr wichtig, da als Vorbild vorauszugehen.

Gerade auch mit diesem Resultat – nach dem zweiten eidgenössischen Kranz sind Sie umso mehr Vorbild.

Sicher, ja. Aber ich wäre auch hier, wenn es beschissen gelaufen wäre. Man soll das vorleben, was man verlangt. Und es geht ja auch nicht um mich. Mir ist es ein Anliegen, die Jungschwinger als das zu fördern, was sie sind. Ich möchte ihnen als Vorbild zeigen: Ihr könnt es schaffen, wenn ihr dran glaubt.

Hatten Sie selber ein ähnliches Vorbild?

Ich habe zwei Schwingerkönige in meiner Familie, denen ich natürlich eine Zeit lang nacheiferte (Jörg Abderhalden ist sein Cousin, Ernst Schläpfer sein Onkel – die Red.). Doch irgendwann wollte ich meinen eigenen Weg gehen. Ich legte immer grossen Wert darauf, nicht als Kopie von jemand anderem angeschaut zu werden. Mein Schwingstil ist unkonventionell – aber es müssen auch nicht alle gleich schwingen. Das wäre ja langweilig.

Sie haben den Ruf, zwar selten zu verlieren, aber auch selten zu gewinnen – es gibt auch Leute, die Sie deswegen kritisieren. Nun am Esaf gewannen Sie viermal mit Maximalnote. Dachten Sie da auch: Denen habe ichs gezeigt?

Ich schwinge offensiv gegen Gegner, die selber angreifen. Doch wenn der Plan A, B und C nicht funktionieren, muss man eben zum Plan D greifen. 90 Prozent der Gegner machen keinen Zug gegen mich. Da ist man auch gezwungen, mit der Brechstange vorzugehen, um gewinnen zu können. Und schon heisst es, man sei rau und brutal. Es war schon auch eine Genugtuung, ja. Ich habe an Festen auch schon grenzwertige Kommentare gehört aus den Zuschauerrängen. Worte, die mir die Leute sicher nicht ins Gesicht sagen würden. Wer mich persönlich kennt, weiss, dass ich anders bin. Es hat mir sehr gutgetan, am Schluss Gratulationen entgegenzunehmen. Wobei ich jetzt genau für das gelobt werde, was einige Leute sonst gerne kritisieren.

Ihr Weg hat Sie nun zum zweiten eidgenössischen Kranz geführt, zwölf Jahre nach dem ersten. Sie haben lange darauf gewartet.

Es fällt ein extremer Ballast von mir. Vor sechs Jahren in Zug habe ich mich beim Aufwärmen am Fuss verletzt, war dann aber doch sehr nahe dran. Im achten Gang hatte ich meinen Gegner auf dem Rücken, jubelte schon – doch der Kampfrichter zeigte zur Platzmitte. Der Gang endete gestellt, ich verpasste den Kranz, das war einer der bittersten Momente der Karriere, weil ich sechs Jahre nach dem ersten Kranz schon wieder so nahe dran war. Deshalb ist die Erleichterung jetzt umso grösser – und es sind auch einige Tränen geflossen.

Sie haben an beiden Tagen mit einem einbandagierten und einem getapten Ellbogen geschwungen. Wie zuversichtlich waren Sie, dass es mit dem Kranz klappt?

Ich bin am Samstagmorgen aufgestanden und habe daran geglaubt, dass es funktioniert. Ich hatte vor dem Schwägalpschwinget einen Tennisellbogen erwischt und brachte keinen Zug auf die Arme. Ich wollte dort unbedingt den Kranz machen, bin aber sang- und klanglos gescheitert. Es war extrem schwierig, aus diesem Tief herauszukommen. Eine Woche vor dem Eidgenössischen trainierte ich mit allen anderen Zürchern zusammen, dort war die volle Kraft wieder da. Das gab mir Zuversicht. Der eigene Kopf ist in solchen Momenten jeweils der grösste Gegner. Es ist nicht einfach, abzuschalten und sich sagen zu können: Doch, es klappt.

Und das sogar sehr gut – schon vor dem letzten Gang hatten Sie den Kranz auf sicher.

Gegen Patrick Schenk im siebten Gang hatte ich vor zwei Jahren am NOS verloren mit Schlungg. Ich wusste, dass er gewinnen muss, um noch Chancen auf einen Kranz zu haben. Ich hingegen musste das nicht. Mein Ziel war, den Schlungg aus ihm herauszukitzeln. Das Risiko war gross. Aber es hat funktioniert – und ich wusste, dass ich den Kranz auf sicher habe. Den letzten Gang gegen Matthias Aeschbacher schaute ich als Zugabe an und genoss ihn. Ich verlor nach zwei Minuten, auch weil ich mich fragte: Warum soll ich für einen Viertelpunkt mehr noch meinen Körper opfern? Ich wollte den Moment geniessen und den Kranz abholen. Aeschbacher und ich haben einen sehr respektvollen Umgang und schätzen einander. Ich habe mich gefreut, als ich die Paarung erfuhr. Er fragte mich nach der Niederlage, ob es mir trotzdem zum Kranz reiche, und hat mir gratuliert – und ich ihm auch.

Wie viele zweifache «Eidgenossen» gibt es eigentlich im Schwingklub Zürcher Oberland?

Ich wüsste von keinem anderen.

Es war der 59. Kranz Ihrer Karriere – auch das ist ein einsamer Bestwert im SKZO.

Als ich Jungschwinger war, hatte mein Trainer Markus Spörri den Rekord bei den Aktiven (43 Kränze – die Red.). Ich wollte den Rekord brechen und habe ihn mehr als nur übertroffen. Ich finde, Rekorde sollen für die Jungen eine Motivation sein. Jetzt halte ich den Rekord bei den Jungschwingern und bei den Aktiven. Und mein Ziel als Trainer ist es, dass diese Rekorde gebrochen werden. Das wird wohl noch einige Jahre gehen.

Da drängt sich aber auch die Frage auf, wie viele Kränze bei Ihnen noch dazukommen könnten. Sie werden im Oktober 35. Gibt es schon Gedanken ans Aufhören?

Ich habe nach dem letzten Gang in Mollis für einen kurzen Moment überlegt, ob ich die Hose hochhalten und sofort aufhören soll. Ich hatte ein Traumfest. Es wäre auch keine Schande, jetzt zu gehen. Die Frage ist immer, welches der richtige Moment ist, um zu sagen: Es ist genug. Aber das Fieber ist schon noch da. Und nächstes Jahr ist der Kilchberg-Schwinget. Wir haben ein extrem tolles Team in der Ostschweiz, jeder geht für den anderen. Es wäre schön, mit diesem Team auch in Kilchberg Erfolg zu haben. Vielleicht würde ich dann auf der Stelle aufhören. Ich bin auch nicht der, der so etwas gross ankünden muss. Ich bin dann einfach weg.


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