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Kultur

Klassisches Konzert der anderen Art

Sie lassen in Hinwil Feuerwerk aus einem Flügel herausschiessen

Klassik kann auch spektakulär sein. Zumindest, wenn man einen Flügel mit Pyrotechnik vollstopft und die Musik durch Funken und Rauch untermalt, wie ein Konzert in Hinwil bald beweist.

Sie bringen einen Flügel zum Funken und Leuchten: der Klavierbauer Josias Sigrist (links) und der Pyrotechniker Janosch Bär.

Foto: Jan Gubser

Sie lassen in Hinwil Feuerwerk aus einem Flügel herausschiessen

Klassisches Konzert der anderen Art

Klassik kann auch spektakulär sein. Zumindest, wenn man einen Flügel mit Pyrotechnik vollstopft und die Musik durch Funken und Rauch untermalt, wie ein Konzert in Hinwil bald beweist.

Während das Publikum gespannt den Melodien und Rhythmen der Musik zuhört, wird es plötzlich hell. An mehreren Orten auf der Bühne schiesst Feuerwerk in die Höhe. Ein Hauch von verkokeltem Rauch liegt in der Luft.

Eine solche Szene würde man wohl eher bei einem Rockkonzert erwarten. Aber: Am 14. September um 17 Uhr veranstalten zwei Oberländer und ein Zürcher auf dem Areal im Tobel in Hinwil ein besonderes Konzert. Als Höhepunkt der Feuererlebnistage, die über jenes Wochenende stattfinden, lassen sie bei einem klassischen Konzert «Piano on fire» Feuerwerk aus einem Flügel schiessen.

Am Wochenende vom 12. bis 14. September dreht sich auf dem Areal «im Tobel» in Hinwil alles rund ums Thema Feuer. Zu entdecken gibt es diverse Angebote: Singen am Lagerfeuer, Geschichten hören, einen Feuerwehr-Posten, Feuerbohren und Konzerte. Der Höhepunkt der Feuererlebnistage bildet am Sonntagabend das klassische Konzert «Piano on fire», bei dem Feuerwerk direkt aus einem Flügel schiessen wird. (jgu)

Dafür statten sie das Tasteninstrument inklusive Hocker vollumfänglich mit Pyrotechnik aus. Zwischen 40 und 50 Effekte sollen es werden. Während des Konzerts wird sich das Publikum also nicht nur ab der Musik erfreuen können, sondern sich auch von Feuerwerk überraschen lassen. Eine Weltpremiere.

«Erst wollten wir den Flügel anzünden»

Die Idee für das Konzert hatte Josias Sigrist, Klavierbauer und Geschäftsführer von Piano Sigrist in Hinwil. «Erst wollten wir den Flügel anzünden», erklärt er schmunzelnd. Währenddessen hätte ein Pianist so lange wie möglich auf dem Flügel gespielt. Doch das Instrument wäre danach nicht nur einen Haufen Asche gewesen, auch das Gesetz durchkreuzte das Vorhaben. Denn Abfall darf man nicht verbrennen. Also musste eine Alternative her.

Er war gleich Feuer und Flamme.

Josias Sigrist, Geschäftsführer Piano Sigrist in Hinwil

Aus dem Umfeld wird Sigrist auf die Idee gebracht, anstatt richtiges Feuer auf Pyrotechnik zu setzen. Er vermittelte auch gleich den Kontakt zu Janosch Bär, Pyrotechniker aus Uster. «Janosch war sofort Feuer und Flamme für die Idee», scherzt Sigrist.

Es ist Pyrotechnik in einem Test zu sehen.
Josias Sigrist (links) musste praktisch keine Überzeugungsarbeit leisten. Janosch Bär war gleich «Feuer und Flamme».

Auch bei einem Besuch in der Werkstatt des Klavierbauers ist die Vorfreude bei beiden spürbar. «Wir wollen beim Konzert alle Sinne ansprechen», sagt Sigrist, «also nicht nur das Gehör, sondern auch das Auge und den Geruchssinn.» Das fehle ihm bei den gewöhnlichen klassischen Konzerten.

Janosch Bär ergänzt: «Es wird spannend, zu sehen, ob letztlich alles funktioniert, wie wir es uns vorgestellt haben.» Draussen auf dem Firmenareal testen sie gleich die ersten Pyro-Effekte. Bär zählt von drei herunter. «3, 2, 1», bei null drückt er auf den Fernauslöser, ein kurzes Zischen ist zu hören. Innert eines Bruchteils einer Sekunde schnellen Funken und leichter Rauch nach oben. Im Hintergrund beobachten der Pyrotechniker und der Klavierbauer gespannt den Vorgang – wie zwei Buben, die sich endlich ihren Kindheitstraum erfüllen.

Der Pianist

Während sich Bär und Sigrist auf die technischen Komponenten konzentrieren, hält das Konzert für ihn eine andere Herausforderung bereit: Ivan Horvatic, Pianist aus Zürich. Einen solchen Auftritt hatte der professionelle Musiker in seiner langjährigen Karriere auch noch nicht erlebt. Als er von Sigrist angefragt wurde, sagte er trotzdem direkt zu. «Ich mag es, wenn ich in einem anderen Rahmen spielen darf. Das Konzert wird für mich sicher etwas Spezielles.»

Dass ihn das Feuerwerk beim Auftritt rundherum ablenken könnte, macht ihm keine Sorgen. «Wegen meiner unzählig gespielten Konzerte weiss ich, dass ich mich sehr gut fokussieren kann.» Vor dem Auftritt wird bei Horvatic aber trotzdem Nervosität aufkommen. «Wenn es dann losgeht, wandelt sich die Nervosität aber meist in ein positives Gefühl.»

Für das 30- bis 40-minütige Konzert hat Horvatic neben Stücken von bekannten Namen wie Mozart oder Händel auch solche von spanischen, französischen, türkischen und kroatischen Komponisten ausgewählt. Stilistisch unterscheiden sich die Stücke aber voneinander: «Manche sind virtuos und laut, andere eher sanft und ruhig.» Und wie es der Zufall wollte, trägt das letzte Stück gar den Namen «Ritueller Feuertanz».

Gefährlich oder harmlos?

Damit aber nicht der Musiker selbst in einem Feuertanz endet, gilt es einiges zu beachten. Denn das Feuerwerk wird aus allen Ecken des Flügels schiessen, während Horvatic nur wenige Zentimeter entfernt leidenschaftlich in die Tasten drückt. «Angst habe ich keine», sagt der Pianist, «ich vertraue darauf, dass ich sicher bin.»

Janosch Bär bestätigt, dass es für den Pianisten nicht gefährlich wird. So wird kein klassisches Feuerwerk, sondern Pyrotechnik verwendet – wie sie auch bei Film, Fernsehen oder eben Konzerten zum Einsatz kommt. Diese Effekte werden einerseits weniger heiss, andererseits brennen sie auch schneller ab.

Während des Konzerts behält Bär zudem die volle Kontrolle über das Feuerwerk; jede Zündung erfolgt einzeln und live. «So kann ich spontan reagieren und auf Effekte verzichten, sollte es heikel werden.» Dies kann beispielsweise bei starkem Wind der Fall sein.

Sicherheitstechnisch sind sie also gut vorbereitet. Herausfordernd wird für den Pyrotechniker dabei eher, die Effekte im richtigen Moment zu zünden. Damit das Zusammenspiel zwischen Feuerwerk und Klavierspiel überhaupt seine volle Wirkung entfaltet, bedingt es seinerseits deshalb viel Taktgefühl.

Die Stücke kennt Bär mittlerweile gut, zumal er sich schon bei der Wahl der Pyro-Effekte vertieft mit der Musik auseinandersetzen musste. «Die Stücke gaben mir einen Rahmen – mit all ihren Akzenten und Höhen. Es ist etwas wie Malen auf einer Leinwand.» So nahm der Ustermer in einem gewissen Sinne selbst die Rolle eines Komponisten ein.

Anfertigungen für historischen Flügel

Das Konzert rückt Tag für Tag näher. Die Umbauten am Flügel waren aufwendig, sind aber schon fast abgeschlossen. Da der Konzertflügel aus dem Jahr 1933 die letzten sieben Jahre nicht mehr bespielt wurde, mussten unter anderem die Hämmer wieder in Schuss gebracht werden. Diese schlagen auf die Saiten und sind somit für den Klang elementar.

Ausserdem produzierten die zwei Oberländer auch Sonderanfertigungen wie Halterungen für die Pyrotechnik. Die Stütze für den Deckel des Flügels wurde ersetzt und mit Pyro-Effekten ausgerüstet. Der Wert des Flügels liegt nun bei gut 8000 bis 10’000 Franken.

Das gesamte Projekt ist kostspielig, weshalb die Veranstalter ein Crowdfunding initiiert hatten. Über einen Monat kamen gut 2200 Franken zusammen. Die Spenden flossen hauptsächlich in die Pyro-Effekte.

Der Klavierbauer, der Pyrotechniker und der Pianist hoffen nun auf den grossen Hype auf sozialen Plattformen, wo sie Videos und Fotos vom Konzert hochladen werden. Geht es nach den drei Veranstaltern, soll der Flügel dann auch auf anderen Bühnen wieder zum Einsatz kommen. Der Flügel ist zumindest so ausgestattet, dass ihn das Feuerwerk nicht beschädigen sollte. Die Feuertaufe steht aber am Sonntag noch bevor.

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