Sie hat es in Windeseile an die Weltspitze geschafft
Wassersportlerin aus Bauma
Elena Lengwiler ist Quereinsteigerin und Pionierin. Die Profi-Kitesurferin aus dem Tösstal hat in der Disziplin Formula Kite bereits Olympia-Geschichte geschrieben.
Von einer Unruhe ist bei ihr zum Start der Saison nichts zu spüren. Grund dafür könnte es bei Elena Lengwiler durchaus geben. Die Tösstaler Profi-Kitesurferin schlägt sich schon geraume Zeit mit hartnäckigen Kniebeschwerden herum.
Auf eine Teilnahme an der eingeplanten internationalen Regatta Trofeo Princesa verzichtete sie deshalb diese Woche. Und dies, obwohl sie ohnehin zum Training vor Ort auf der Baleareninsel Mallorca ist.
«Es ist wichtig, dass mein Körper jetzt heilen kann und ich das Training nachhaltig aufbauen kann», sagt die in Bauma aufgewachsene Lengwiler unaufgeregt. Der Zeitpunkt ihres Comebacks ist offen. Klar ist nur: Die Weltmeisterschaften vom September in Sardinien will sie nicht verpassen.
Unheimlich rasant ist die sportliche Entwicklung von Lengwiler verlaufen. Der vorläufige Höhepunkt bis anhin: die Teilnahme an den Olympischen Spielen von Paris im letzten Jahr.
Die Disziplin Formula Kite feierte da – genauso wie sie – ihre Premiere. Die 28-Jährige zählte bei den an der französischen Südküste in Marseille ausgetragenen Wettkämpfen im Vorfeld sogar zum Kreis der Favoritinnen.
Für eine Medaille reichte es ihr an Olympia aber letztlich nicht. Die windarmen Verhältnisse hatten da auch einen Einfluss. Nur ein Bruchteil der 16 Läufe fand am Ende statt. Als Sechste holte sie trotzdem ein Diplom.
Formel 1 auf Wasser
Kitesurfen ist spektakulär. Der Sport wurde schon als «Formel 1 auf dem Wasser» bezeichnet.

Die Rennen beginnen im Massenstart, dann geht der Kampf um die besten Positionen los. Wie beim Segeln wird ein abgesteckter Kurs um Bojen absolviert. Mit gegen 70 Kilometern pro Stunde rast Lengwiler dann, gezogen von einem Lenkdrachen und auf einem Racebrett stehend, förmlich übers Wasser. Daran montiert ist das sogenannte Foil, der Tragflügel. Durch ihn entsteht die hohe Geschwindigkeit, ähnlich wie bei einem Flugzeug.
«Es braucht etwas Mut, ist aber eigentlich ungefährlich», sagt sie. Die grösste Verletzungsgefahr würde noch beim Foil bestehen, weil es so scharf sei. «Auch da gibt es mittlerweile schnittfestes Schutzmaterial, wie bei den Skifahrern», wiegelt sie ab.
Überhaupt: Im Gespräch mit ihr ist vom Draufgängerischen des Sports wenig zu spüren. Sie wählt ihre Worte mit Bedacht aus, spricht fast leise.
Dabei ist es eine aussergewöhnliche Sportgeschichte, die Lengwiler schreibt. Bei einem längeren Auslandsaufenthalt im Vietnam im Jahr 2018 versuchte sie sich erstmals im Kitesurfen. Der Grund dafür war ihr heutiger Mann Jonas Lengwiler. Er ist selbst ein ambitionierter Kitesurfer.
Ihn lernte sie tatsächlich vorher auch auf dem Wasser kennen. Allerdings beim Segeln auf dem Bodensee. Elena Bosshard, wie sie da noch hiess, brachte dort für den Verein Sailability Menschen mit einer Beeinträchtigung den Sport näher. Jonas Lengwiler engagierte sich beim Anlass als Instruktor.
Sie selbst war durch ihre Grossmutter von klein auf mit dem Segeln verbunden – und bestritt als Jugendliche sogar Wettkämpfe. «Aber nur zum Spass», wie Lengwiler betont.
Später versuchte sie sich auch im Windsurfen. Der berühmte Funke sprang aber bei ihr da nicht über. «Ich suchte etwas, das näher beim Wasser ist», sagt sie.
Die erste grosse Liebe
Zur ersten grossen Liebe wurde dann ein ganz anderer Sport – Eishockey. Schon als Sechsjährige legte sie im EHC Wetzikon los. Mit 14 folgte das Debüt bei den Frauen. Lengwiler stürmte bis 2023 für die GCK und die ZSC Lions in den beiden höchsten Ligen. Ihr Talent brachte sie auch ins Schweizer U18-Nationalteam.
Die ersten Jahre betrieb Lengwiler Kitesurfen und Eishockey parallel. Der weite Weg aus Unterterzen nach Zürich zum Training fiel ihr aber zunehmend schwer.
Nach ihrem Auslandsaufenthalt in Asien hatte sie nämlich das Tösstal verlassen und war mit ihrem Partner ans Wasser gezogen – an den Walensee.
Das Kitesurfen nahm von da an einen immer grösseren Stellenwert ein. Selbst wenn sie zugibt: «Das Eishockey habe ich zu Beginn schon stark vermisst.» Hilfreich beim Loslassen waren da die schnellen Fortschritte im Kitesurfen. Mit ihrem Partner hat sie einen privaten Coach. «Er konnte mir immer die richtigen nächsten Schritte aufzeigen», sagt Lengwiler. Noch heute unterstützt er sie bei den wichtigsten Wettkämpfen vor Ort.
Die Tösstalerin brachte allerdings auch gute Voraussetzungen mit. Ähnlich wie beim Segeln sind beim Kitesurfen strategische Fähigkeiten und das Gespür für den Wind nötig. Daneben helfen ihr die physischen Grundlagen vom Eishockey. «Es braucht Kraft – gerade in den Beinen», sagt sie.
Ein weiterer Vorteil ist zudem, dass die Formula-Kite-Klasse eine junge Disziplin ist. Die Leistungsdichte an der Spitze ist noch nicht so gross. Die Sportlerinnen und Sportler kommen aus dem Freestyle-Kiten oder dem Segeln – wie Lengwiler.
Auf eine Karte gesetzt
Bei ihrem ersten internationalen Wettkampf im Herbst 2022 konnte die Quereinsteigerin gleich mithalten. Es war für Lengwiler ein Aha-Erlebnis. Sie trainierte fortan noch gezielter – und wurde schon bald als einzige Frau ins kleine Team von Swiss Sailing aufgenommen.
Nach dem Abschluss ihres Sportmanagement-Studiums im Sommer 2023 kündigte sie ihren Nebenjob und setzte voll auf die Karte Kitesurfen. Finanzieren tut sie sich ihren Traum zunächst durch eigenes Erspartes und dank der Unterstützung durch die Eltern.

Ihr Mut wurde belohnt. Im April 2024 holte sich Lengwiler mit einem Sieg an der Last Chance Regatta in Hyères (FRA) einen Quotenplatz für die Olympischen Spiele. Nur wenige Wochen danach bestätigte sie an der WM gleichenorts ihre Leistung – mit einem sechsten Platz.
Neue Türen geöffnet
All diese schnellen Erfolge haben ihr neue Türen geöffnet. Der Verband stellt neben einem Trainer auch ein Motorboot zur Verfügung. Unterstützung erhält Lengwiler zudem mittlerweile vom Gstaad Yacht Club, der sie in sein Rennteam aufgenommen hat. Der Verein ist ihr gerade im Bereich des Materials eine wesentliche Hilfe. Es ist ein grosser Kostenfaktor.
Dazu kommen neu Zuschüsse der Stiftung Schweizer Sporthilfe und von kleineren Sponsoren. «Damit kann ich die Reisen und Unterkünfte decken», sagt Lengwiler.
Auch diese Auslagen sind nicht unerheblich. Trainiert wird schliesslich auf dem Meer. Sie verbringt deshalb durchschnittlich zweieinhalb Wochen pro Monat für Trainingsblöcke und Wettkämpfe im Ausland – zumeist auf Fuerteventura oder in Südfrankreich.
Und daran soll sich bis 2028 auch nichts ändern. Dann finden die nächsten Sommerspiele statt. Die Wettkämpfe der Kitesurfer werden am bekannten Long Beach in Los Angeles über die Bühne gehen. Es sollen im Vergleich zu den letzten Olympischen Spielen weitaus sichere Windverhältnisse herrschen. «Das tönt doch gut», sagt sie.