Diese Fällanderin grüsst Geissen und mäht mit der Sense
Ihre Ferien verbringt Josefine Gerarts aus Fällanden im urnerischen Isenthal, um einer Bergbauernfamilie auszuhelfen. Ein Blick in ihren Alltag.
Normalerweise beginnt Josefine Gerarts ihre Arbeit mit dem Checken von E-Mails und dem Beantworten von technischen Fragen der Kunden im Büro. Diese Woche sieht der Alltag der 39-jährigen Bauleiterin aber etwas anders aus.
Um 5.30 Uhr steht sie auf und macht ihr Bett in ihrem ungeheizten Zimmer in einer kleinen Alphütte auf rund 1700 Metern über Meer. Anschliessend macht sie Feuer im Holzherd, bereitet das Zmorge für die Älplerfamilie vor, macht den Abwasch sowie die Wäsche und mistet den Stall aus.
Gerarts, die 15 Jahre in Dübendorf wohnte und heute in Fällanden lebt, absolviert gerade einen einwöchigen freiwilligen Caritas-Bergeinsatz. Gegen Kost und Logis unterstützt sie die Bergbauernfamilie Herger, ein älteres Ehepaar, bei alltäglichen Arbeiten auf dem «Alpeli». Das befindet sich einige Wanderminuten von der Musenalp entfernt im Isenthal im Kanton Uri. Rita Herger produziert dort ihren eigenen Geissenkäse. Sepp Herger lässt die Milch seiner Kühe auf der Musenalp zu Halbhartkäse verarbeiten.
Ihr Schindelhaus liegt zusammen mit zwei kleinen Ställen für die 12 Kühe, 17 Rinder und 19 Geissen auf einem kleinen Bergvorsprung. Vor der Hütte hat es einen kleinen Garten, in dem der flauschige Alphund Prince liegt.
Ist die Arbeit im Haus erledigt, geht Gerarts in den Stall und lässt die Geissen auf die steilen Alpwiesen rundherum. Von dort haben sie einen Ausblick auf einen mächtigen Bergkessel, dessen steinige Wände vor ihnen aufragen. Wegen des regnerischen Wetters hängen die Wolken so tief, dass sie an den Felsen hängen bleiben.
Käsen nur für Fortgeschrittene
Nach der Morgenroutine im Büro würde sich Gerarts jetzt eigentlich in Sitzungen befinden und Protokolle schreiben. Nicht so auf der Alp. Je nach Bedarf mistet sie den Stall aus, mäht Gras, jätet Unkraut oder bringt das Heu ins Trockene.
Heute arbeitet sie zusammen mit Sepp Herger, dessen Tochter und einigen Ferienkindern auf einer steilen Wiese über dem Haus. Mit ihrer Sense klettert sie den Hang zwischen widerkäuenden Kühen rauf und runter und macht dem Unkraut den Garaus.
Als es zu regnen beginnt, begibt sich die Fällanderin mit Rita Herger in die Käserei neben dem Kuhstall. Elektrisches Licht hat es im kleinen, niedrigen Raum keines. Nur einmal am Tag gibt es Strom, wenn der Generator zum Melken angestellt wird. Herger und Gerarts kümmern sich um die Geissenkäselaibe, die täglich gewendet werden müssen.
«Josefine ist unser Goldei», sagt Rita Herger. «Da sie schon seit sechs Jahren immer wieder für ein bis drei Wochen aushilft, muss ich sie nicht jedes Mal neu anlernen.» Aus diesem Grund dürfe Gerarts ihr auch beim Käsen helfen.
Die Familie Herger erhält seit 16 Jahren während der gesamten Alpsaison von Juni bis Mitte September Hilfe von verschiedenen Caritas-Freiwilligen. Die Bergeinsätze auf ihrer Alp seien meistens ausgebucht. «Wir schätzen diese Hilfe sehr, da wir uns keinen Knecht leisten können», erklärt Rita Herger.
Auch Ziegen werden gegrüsst
Nach dem Jäten macht sich Gerarts zusammen mit den Ferienkindern auf, die Ziegen und die Kühe in den Stall zu holen. «Ich mag die Natur und die Tiere auf der Alp. Wenn ich die Ziegen am Morgen rauslasse, sage ich ihnen ‹guten Morgen›», erklärt sie und lacht.
«Die Arbeit auf der Alp ist intensiv, aber schön. Ich komme sehr gut mit den Leuten hier aus, und mir gefällt das Repetitive.» Ihre Arbeit als Bauleiterin sei ihr abwechslungsreich genug. «Mein Job braucht beinahe rund um die Uhr meine Aufmerksamkeit. Die Arbeit ist manchmal strapaziös, und vieles ist schnelllebig.»
Der Alpeinsatz hingegen entspanne sie. «Eine Woche auf der Alp reicht, dass ich aus dem Arbeitsalltag herauskomme und abschalten kann. Wenn ich nach Hause zurückkehre, bin ich ausgeglichener und ruhiger», sagt sie. «Und ein bisschen trainierter – vom Rauf- und Runterklettern am Berg», ergänzt sie und schmunzelt.
Während Rita Herger die Ziegen und Sepp Herger die Kühe melken, macht Gerarts eine Pause. Danach wird sie – statt Baustellenrundgänge zu machen oder Kostenverhandlungen mit Kunden im Büro zu führen – das Abendessen für die Älplerfamilie vorbereiten. Aber zuerst trinkt sie einen Sirup mit Blick auf die Berge, und wenn sich die Wolken verziehen, erhascht sie mit etwas Glück zwischen den Steilwänden einen Blick auf den Vierwaldstättersee.
Offene Einsatzplätze
Die Caritas vermittelt Freiwillige an Bergbauernfamilien, die in belastenden Situationen Hilfe benötigen. Für diesen Sommer und Herbst sind noch immer rund 150 Einsatzplätze verfügbar. Auf der Website www.bergeinsatz.ch sind alle Bergbauernbetriebe aufgelistet, die auf Unterstützung angewiesen sind. Interessierte können ihren Einsatz direkt und unkompliziert online buchen.