Sie bemalt Bettwäsche, die in alle Welt verkauft wird
Schlossberg in Turbenthal
Die Textilfirma aus dem Tösstal setzt auf handgemalte Motive. Susanne Krebs entwickelt dafür neue Muster. Inspiration findet sie in der Natur – und beim Malen.
Susanne Krebs taucht den Pinsel in ein Wasserglas und streicht danach mit hellgrüner Farbe über ein weisses Blatt. Die Schlossberg-Designerin lässt darauf ein feingliedriges Farn entstehen. Die Pflanze ist ein mögliches Motiv für die Frühlingskollektion 2025 und wird damit vielleicht Bettwäsche zieren, die dereinst in über 30 Ländern verkauft wird.
Mit ihrem fünfköpfigen Team entwickelt Susanne Krebs jedes Jahr zwei neue Kollektionen in den Bereichen Bettwäsche, Bad und Living – alle hochwertig und im oberen Preissegment angesiedelt. Schlossberg bietet ausserdem viele Sonderanfertigungen an. Sogar die Clintons oder bekannte Musik- und Sportstars sollen schon in Turbenthaler Bettwäsche geschlafen haben, wie der «Tages-Anzeiger» 2007 berichtete.

«Das Zeichnen neuer Motive braucht Musse und Zeit», sagt die Chefdesignerin, während sie an einem grossen Tisch in ihrem Atelier sitzt. «Es ist aber auch harte Arbeit und setzt eine genaue Analyse voraus.» Die Räume im ehemaligen Fabrikgebäude in Turbenthal unterstützen den Prozess. Sie sind hoch, die Fenster lassen viel Licht hinein.
Von der Fabrik zum Atelier
Die lange Tradition der Firma spielt beim Design neuer Kollektionen auch aus anderen Gründen eine wichtige Rolle, insbesondere bei Blumen- und Pflanzensujets.
Die Marke Schlossberg wurde zwar «erst» im Jahr 1959 gegründet. Die Geschichte des Familienunternehmens reicht aber viel weiter zurück, bis in die Zeit der Industrialisierung. Den Grundstein legte Johann Kaspar Winkler im Jahr 1833, als er an der Töss eine Baumwollspinnerei bauen liess. Jakob Boller gründete im Jahr 1878 eine kleine Gewebe-Manufaktur. 1903 fanden die beiden Unternehmen durch eine Heirat zwischen Helene Winkler und Johann Kaspar Boller zusammen.
Anders als viele Textilfirmen, die damals im Tösstal florierten, ist die Boller Winkler AG bis heute mit der Marke Schlossberg in der Branche tätig – und das erfolgreich.
Rund 60 Personen arbeiten für Schlossberg Switzerland in Turbenthal, wo sämtliche Produkte entwickelt werden. Weitere 40 Personen sind in eigenen Boutiquen und Outlets angestellt. Verkauft wird die edle Bettwäsche auch über Fachhändler und in berühmten Luxus-Warenhäusern wie Harrods und Bloomingdales.
Ein Outlet befindet sich in Turbenthal. Der Laden befindet sich direkt gegenüber dem Atelier auf der anderen Seite der Tösstalstrasse und ist ebenfalls in einem ehemaligen Fabrikgebäude einquartiert. Das typische gezackte Dach erinnert dabei genauso an die industrielle Firmengeschichte wie das kleine Museum und die Näherei, die sich darin befinden.
Die Idee mit der Rose
Schlossberg ist in der Branche mehrmals mit neuen Ideen aufgefallen: 1964 stellte die Turbenthaler Firma als erste überhaupt bedruckte Bettwäsche her, mit einer roten Rose als Motiv. Nächstes Jahr soll das 60-Jahr-Jubiläum dieser Innovation gefeiert werden. Ein regelrechter Coup gelang Schlossberg im Jahr 1979, als sie das erste Fixleintuch auf den Markt brachte.
Seit dem Rose-Motiv haben sich handgemalte Muster mit floralen Bezügen zur Identität der Firma entwickelt. Auch die aktuelle Winterkollektion dominieren Fundstücke aus der Natur. Tannenzapfen, Hagebutten oder Mistelzweige sind auf Satinstoff abgebildet. Susanne Krebs und ihr Team wollen mit der Bettwäsche namens «Hazel» den Zauber eines Winterwalds ins Schlafzimmer bringen – und eine Art Wintermärchen erzählen.

«Mein Ziel ist es, aus einem Alltagsmoment einen persönlichen Wohlfühlmoment zu machen», sagt Krebs. «Über Muster und ihre Geschichten versuchen wir, Emotionen zu wecken.»
Am Anfang jeder Kollektion stehe eine längere Analyse: Welche Motive sind auf den Märkten in verschiedenen Ländern gefragt? Was fehlt noch in den Schlossberg-Kollektionen? Wichtig ist Susanne Krebs, dass die Muster über längere Zeit funktionieren, auf kurzfristige Modetrends wie beispielsweise knallige Flamingos würden sie nicht aufspringen.
Derzeit sieht sie vor allem einen grösseren Trend in der Branche: das Thema Nachhaltigkeit, und das Einbeziehen von Naturtönen. Das Schlafzimmer sei als persönlicher Rückzugsraum zudem wichtiger geworden, es werde mehr und mehr auch als Aufenthaltsraum genutzt.
Schlossberg achtet gemäss Website auf faire Arbeitsbedingungen in der Lieferkette und bietet Produkte aus Bio-Baumwolle an. Als Familienunternehmen lege man Wert darauf, möglichst mit anderen Familienunternehmen und ausschliesslich aus Europa zusammenzuarbeiten. Und: Bei der Leinenbettwäsche fänden alle Produktionsschritte in Europa statt.
Für Aussenstehende sind Lieferketten in der Textilbranche kaum überprüfbar, da sie vom Anbau über Spinnereien und Webereien komplex und weitverzweigt sind. Auch Schlossberg weist diese auf der Website nicht detailliert aus.
Schnipsel sammeln
Für Susanne Krebs beginnt nach der Marktanalyse der kreative Prozess. Die Schlossberg-Designerinnen lassen sich auf Spaziergängen oder auch sonst im Alltag inspirieren. Sie sammeln Bilder von Landschaften, entdecken Muster im Botanischen Garten oder auf Kunstausstellungen. Schliesslich werden die Schnipsel zusammengeführt und im Team diskutiert.

Ein wichtiger Teil der Arbeit ist schliesslich das Zeichnen und Malen im Atelier. «Ich finde oft durchs Machen zu neuen Mustern», sagt Susanne Krebs. Die ehemalige Primarlehrerin hat an der Kunsthochschule in Luzern Textildesign studiert und arbeitet inzwischen seit 13 Jahren für Schlossberg. Ihr gefällt an ihrem Beruf das Gestalterische, das Haptische, dass sie die fertigen Stoffe spüren kann. Doch nun geht es zuerst weiter, mit Pinselstrichen auf weissem Papier.