«Eltern aus ‹Fundi-Kreisen› machen Lehrer oft zur Zielscheibe»
Schwulen-Dachverband fordert Konsequenzen
Roman Heggli von Pink Cross bezeichnet die Vorgänge an der Schule Pfäffikon als «Armutszeugnis». Für die nötigen Veränderungen nimmt er auch die verbleibenden Lehrpersonen in die Pflicht.
Ein schwuler Primarlehrer an der Schule in Pfäffikon ist ins Visier wertkonservativer Eltern geraten. Als Anlass für Vorwürfe nehmen sie den Sexualkundeunterricht in der 5. Klasse. Zunächst stellte sich die Schulleitung hinter ihn, dann forcierte sie im Februar seinen Abgang.
«Der Vorfall ist einfach ein Armutszeugnis», kommentiert Roman Heggli die Ereignisse. Er ist Geschäftsleiter von Pink Cross, dem nationalen Dachverband der schwulen und bisexuellen Männer.
Es komme zwar immer noch vor, dass schwule und bisexuelle Männer am Arbeitsplatz aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert würden. «Aber ein vergleichbarer Fall an einer Schule ist mir in den letzten Jahren nicht bekannt.»
Forderung nach Konsequenzen
Heggli geht vor allem mit den Verantwortlichen der Schule Pfäffikon hart ins Gericht. «Dass die Schulleitung den Lehrer einfach fallen gelassen hat, ist stossend.» Es wäre ihre Aufgabe gewesen, ihn vor den ungerechtfertigten Angriffen einiger Eltern zu schützen. Stattdessen seien sie eingeknickt.
Auf dem Papier kam es zwar zu einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. «Sie haben ihm offensichtlich keine Wahl gelassen», meint der Geschäftsleiter.
Für Heggli steht fest, dass die sexuelle Orientierung des Lehrers der ausschlaggebende Grund dafür war. «Und leider gibt es in der Schweiz immer noch keinen Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund der sexuellen Orientierung», erläutert Heggli.
Er fordert nun, dass das Verhalten der Schulführung Konsequenzen hat. «Es ist wichtig, dass der Fall nicht einfach ad acta gelegt wird, nur weil der Lehrer nicht mehr an der Schule unterrichtet.»
Ob der Vorfall auch personelle Konsequenzen hat, ist aber noch offen. Schulpräsident Hanspeter Hugentobler (EVP) will die geschehenen Ereignisse mit externer Begleitung zuerst analysieren.
Zusätzliche Vorurteile gegen Schwule
Eine besondere Stellung im Fall nehmen auch die verbleibenden Lehrpersonen an der Schule Obermatt ein. Diese haben sich in einem Schreiben an die Schulführung Anfang Februar für ihren in der Zwischenzeit ehemaligen Kollegen eingesetzt.
«Wir verurteilen diese Diskriminierung und die Haltung dieser Eltern und stellen uns zu 100 Prozent auf die Seite unseres Kollegen», schrieben sie darin. Heggli hofft, dass es nicht bei dieser einmaligen Aktion bleibt und sie sich weiterhin für eine Veränderung an der Schule einsetzen. «Die Lehrpersonen haben einen grossen Einfluss auf die Schulführung», ist er überzeugt.
Dass die Eltern den Sexualkundeunterricht des Lehrers als Anlass für die Kritik nahmen, überrascht Heggli nicht. «Wir wissen, dass es überall Eltern aus ‹Fundi-Kreisen› gibt, die sich generell gegen den Sexualkundeunterricht aussprechen», erklärt er. «Wenn eine Lehrperson dann besonders bemüht ist und ihre Sache gut machen will, wird sie oft zur Zielscheibe.»

Bei einem schwulen Lehrer könnten zusätzlich noch weitere Vorurteile mitschwingen: «Leider gibt es immer noch viele Menschen, die davon ausgehen, dass schwul gleich pädophil bedeutet.»
So wurde in Pfäffikon der Vorwurf erhoben, der Lehrer habe den Kindern die Hausaufgabe erteilt, zu Hause zu onanieren. Basis für die Behauptungen waren angebliche Aussagen der Kinder. «Es ist stossend, dass Kinder von ihren Eltern instrumentalisiert werden, sich gegen ihren Lehrer zu stellen», sagt Heggli.
Im Kanton Zürich ist der Sexualkundeunterricht obligatorisch, so will es der Lehrplan 21. «Wenn man sich dagegen wehren will, muss man das auf dem politischen Weg tun», so der Geschäftsleiter von Pink Cross. Leidtragende seien die Schulkinder: «Der Sexualkundeunterricht soll sie stärken und selbstsicherer machen.»
Schule soll Akzeptanz fördern
Er wünscht sich generell, dass das Klima gegenüber LGBTIQ+-Personen an Schulen offener und akzeptierender wird, nicht nur für Lehrpersonen, sondern auch für Schülerinnen und Schüler.
Dazu verweist er auf eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Bern und der Pädagogischen Hochschulen Zürich und Bern. Diese zeigt, dass sich über die Hälfte der lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans, nicht-binären und queeren Jugendlichen in der Schule unwohl und unsicher fühlt.
Pink Cross will sich zusammen mit weiteren Organisationen aktiv für eine Veränderung einsetzen. «Wir haben das Projekt ‹Lehrplan Q› gestartet, in dem wir Lehrpersonen und Schulen dabei unterstützen», so Heggli. Es strebt an, sensibilisierte Sexualaufklärung auf allen relevanten Ebenen zu verankern.
Er ist überzeugt: «Die Schule kann einen Beitrag zur Förderung der Akzeptanz und zu einem diskriminierungsfreien Umgang mit LGBTIQ+-Personen leisten.»
Bei einem Fall von Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund der sexuellen Orientierung rät Roman Heggli Betroffenen, sich rasch Hilfe zu suchen. «Eine erste Anlaufstelle kann die Fachstelle für Gleichstellung des Kantons oder, falls vorhanden, der Stadt sein», sagt er.
Pink Cross bietet für schwule und bisexuelle Männer ebenfalls Beratung an: www.pinkcross.ch/de/beratung/, Telefon 031 372 33 00.
Hier gibt es weitere Unterstützung:
LGBTIQ-Helpline: 0800 133 133, www.lgbtiq-helpline.ch.
Lesbenorganisation Schweiz (LOS): Telefon 079 727 40 37, E-Mail info@los.ch.
HAZ – Queer Zürich: www.haz.ch, E-Mail info@haz.ch. (bes)