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Gesellschaft

Mode und Oktoberfest

Prinzessinnen-Dirndl sind out und Mann zeigt Knie

Martina Kretz weiss, wie man am Oktoberfest modisch punktet. Pünktlich zur Wiesn-Saison hat die Aargauerin in Kemptthal ihr zweites Dirndl-Geschäft eröffnet.

Martina Kretz führt seit 2011 im aargauischen Künten ihren Dirndl-Verleih. Mit ihrem neuen Zweitladen im Valley kommt sie ihrer Kundschaft aus der Region Winterthur und Oberland entgegen.

Foto: Urs Jaudas

Prinzessinnen-Dirndl sind out und Mann zeigt Knie

Mode und Oktoberfest

Martina Kretz weiss, wie man am Oktoberfest modisch punktet. Pünktlich zur Wiesn-Saison hat die Aargauerin in Kemptthal ihr zweites Dirndl-Geschäft eröffnet.

An den Kleiderstangen reiht sich ein Dirndl ans nächste, in den Regalen türmen sich die Lederhosen. An einer Türangel hängt eine Plastikbrezel, ein Plakat informiert über die korrekte Position der Dirndl-Schleife – links: noch zu haben, rechts: vergeben, mittig: Es ist kompliziert. Würde nicht soeben ein Schnellzug in Richtung Winterthur vor den Fenstern durchrauschen, könnte man sich in einem Ladenlokal im Freistaat Bayern wähnen.

«Dirndl-Verleih» heisst der Store, den Martina Kretz seit Mitte August im Valley in Kemptthal betreibt. Es ist ihr zweiter, das Original befindet sich im aargauischen Künten, auch dort auf einem ehemaligen Industrieareal. «Uns sucht und findet man übers Internet, wir sind nicht auf Laufkundschaft angewiesen», sagt sie. Viele ihrer Stammkundinnen- und -kunden kämen aus der Region Winterthur bis hinauf ins Sankt-Gallische. «Mit der Filiale kommen wir ihnen nun entgegen.»

Vor 14 Jahren daheim in der Stube gestartet

Ihr Business lanciert hat die Aargauerin 2011 daheim in der eigenen Stube – mit zehn Lederhosen und zwanzig Dirndln. «Mein Partner und seine Freunde besuchen seit Jahren die Münchner Wiesn. Und alle haben immer geklönt, dass man sich bei uns nirgends gescheit und zahlbar einkleiden kann.» So sei sie halt selber in die Hosen gestiegen. Inzwischen beschäftigt die KV- und Marketingfachfrau in der Hochsaison zehn Teilzeitangestellte im Verkauf. «Trotz des Namens ‹Dirndl-Verleih› macht die Vermietung unterdessen den kleinsten Teil aus.»

Trachtenmode in Fehraltorf und Kollbrunn

Neben dem «Dirndl-Verleih» im Valley besetzt auch «Musik & Mode Bürki» in Fehraltorf die modische Nische rund um Dirndl und Lederhosen. Claudia und Daniel Bürki verkaufen in ihrer Boutique «Alpenchic»: von Trachtenblazern und klassischen Jankern über moderne Blusen und traditionelle Hemden bis hin zu kompletten Oktoberfest-Outfits.

Während sich Claudia Bürki um die Modekollektion, Verkauf und Beratung kümmert, fertigt Daniel Bürki in der eigenen Werkstatt massgeschneiderte Musikinstrumente aus Holz an. Der gelernte Drechsler und Musiklehrer unterrichtet zudem Schwyzerörgeli und Kontrabass.

In Kollbrunn sorgt Nicole Klauser für den korrekten Auftritt am Oktoberfest: Auf 300 Quadratmetern verkauft die «Landhausmode Klauser AG» Trachtenmode und Accessoires. (sco)

Auch die Wiesn-Mode ist Trends unterworfen. «Als wir gestartet haben, konnte ein Dirndl nicht kurz genug sein. Die Ausschnitte waren so tief, dass es ‹chlöpft und tätscht› hat.» Nach einer wilden Karo-Phase noch vor Corona und den glitzrigen Prinzessinnen-Kleidchen – Kretz nennt sie «Bridgerton-Dirndl» nach der gleichnamigen Netflix-Serie – gehts nun zurück zu schlichten, traditionellen Schnitten. Das Oberteil ist oftmals aus Samt, Cord oder Tweet. Und auch die Farben sind gedeckt, die Schürzen Ton in Ton mit dem Rock.

«Aktuell verkaufe ich sehr viel dunkelgrüne Dirndl», sagt Kretz. Stark gestiegen sei auch die Nachfrage nach braunen und schwarzen Dirndln. «Mit farbigen Sneakers kombiniert, sieht das richtig fesch aus.» Bei den Blüsli geht der Trend exakt in die Gegenrichtung. «Statt klassisch-weissen Baumwollstoff sind hier durchsichtige Glitzerstoffe gefragt, gern auch in Schwarz.»

Der modische Mann zeigt Knie

Und der modische Mann? Der trägt auf der Wiesn heuer ein einfarbiges, dezentes Hemd. Mutiger gehts untenrum zu und her: Die Dreiviertelhosen sind auf maximal Knielänge geschrumpft. Als Alternative zum klassischen Braun schlägt die Fachfrau Grau und Weiss und statt Hosenträger respektive Latz einen Gurt vor. Und wer mit den Influencern mithalten will, greift zu weissen Trachten-Sneakers. Und natürlich zum Charivari, der traditionellen Schmuckkette, die über die Vorderseite des Hosenbunds gespannt wird.

Ein Bekleidungsgeschäft mit Trachtenmode, darunter Lederhosen und Hüte. Eine Schaufensterpuppe trägt eine blaue Weste und eine Lederhose.
Karohemden waren gestern: Bei den Männern wirds obenrum dezent, statt Latz halten Gürtel die Hosen an Ort und Stelle.

Bei den Hosen empfiehlt die Fachfrau Wildbock, also Ziegen- oder Springbockleder. «Es ist günstiger als das exklusive Hirschleder, aber ähnlich strapazierfähig.» Gibt es die Krachledernen auch in vegan? Die Fachfrau stutzt. Danach gefragt habe von ihren Kunden noch niemand.

Zwischen 200 und 300 Franken kostet ein Dirndl inklusive Bluse, eine Lederhose plus Hemd rund 300 Franken. Dabei kommen die Frauen vergleichsweise günstig weg: Mit den traditionellen Haferlschuhen, Trachtensocken, Charivari und allenfalls einer Weste ist die Komplettausrüstung für den Mann schnell mal bei 600 Franken. Wer lieber mieten will, zahlt für ein Dirndl und Bluse 64 Franken, für Hose und Hemd 83 Franken für 3 Tage.

Hat sie keine Angst, dass der Hype rund um die bierselige bayerische Gemütlichkeit irgendwann vorbei sein könnte? Martina Kretz winkt ab. Dirndl und Lederhosen würden inzwischen rund ums Jahr gekauft, für Geburtstagsfeiern, Hochzeiten oder auch Schlagerfestivals. «Das erste Oktoberfest nach Corona war voll krass, wir haben gedacht, mehr geht nicht. Stattdessen geht Jahr für Jahr immer noch mehr!»

Hier wird auf bayerische Art gefeiert

Die Münchner Wiesn, die Mutter alle Oktoberfeste, findet dieses Jahr vom 20. September bis 5. Oktober statt: zum 190. Mal! Doch auch im Grossraum Zürich heisst es vielerorts «O’zapft is!».

Beim Oktoberfest Wädenswil kann man sich an der neuen «Hüttengaudi-Party» bereits am 20. September warmtrinken. Am 26. und 27. September und am 4. Oktober gehts dann traditionell weiter. Die Züri Wiesn im Zürcher Hauptbahnhof eröffnet am 25. September. Austrinkete ist am 18. Oktober.

Die Silo Wiesn Woche im Kemptthaler Valley findet vom 27. September bis 5. Oktober statt. Das Oktoberfest Züri-Oberland geht vom 3. bis 18. Oktober einmal mehr in der Landihalle in Uster über die Bühne. Das Pfäffiker Oktoberfest steigt am Wochenende vom 24./25. Oktober im Chesselhuus.

Auf dem Bauschänzli in Zürich gehts ab dem 9. Oktober und bis und mit 8. November rund. Am Oktoberfest Winterthur wird ebenfalls am 9. Oktober o’zapft – dies in der Reithalle. Fertig lustig ist am 1. November. (zo)

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