Oberländer Nationalräte blicken auf die laufende Legislatur zurück
Zweite Halbzeit in Bundesbern
Rückschritte, neue Vorschläge und ein unerwarteter Verlust: Wie haben die bisherigen Oberländer Nationalräte die erste Hälfte der Legislaturperiode erlebt? Wir haben sie gefragt.
Mit Yvonne Bürgin (Die Mitte) und Erich Vontobel (EDU) haben es bei den letzten eidgenössischen Wahlen 2023 zwei «neue» Politiker aus dem Zürcher Oberland nach Bern geschafft. Während die Neulinge zurzeit ihre Profile schärfen, ist auch der Blick auf die Oberländer Routiniers interessant.
Es sind dies Marionna Schlatter (Grüne, seit 2019), Bruno Walliser (SVP, seit 2015), Martin Bäumle (GLP, seit 2003) und Meret Schneider, die von 2019 bis 2023 im Nationalrat sass und im vergangenen Jahr ihr Comeback feierte, als sie für den Parteikollegen Bastien Girod nachrückte. Hier blicken sie auf die erste Hälfte der laufenden Legislatur zurück.
Meret Schneider, Grüne, Uster

Wie blicken Sie auf die erste Hälfte der aktuell laufenden Legislatur zurück?
Es war eine ausserordentlich spannende Legislaturhälfte, insbesondere auch, was die aussenpolitischen Entwicklungen und die Reaktion der Schweiz darauf betrifft. Persönlich hat es mich von Herzen gefreut, dass der Nationalrat ein Importverbot für tierquälerische Pelzerzeugnisse beschlossen hat und nicht auf den Verwässerungsvorschlag der Kommission eingetreten ist. Dafür habe ich mich stark eingesetzt, und es war echt schön, dass sich die Arbeit gelohnt hat.
Welcher politische Vorstoss ist Ihnen am wichtigsten und weshalb?
Von meinen noch nicht behandelten Vorstössen ist mir jener für das Verbot der Hochleistungs-Masthuhnrasse Ross 308 am wichtigsten. Dies, weil diese hocheffizienten Hühner so schnell gemästet werden und an Gewicht zulegen, dass ihnen oft die Beinchen brechen und Glieder deformiert werden unter dem Gewicht, was enormes Tierleid bedeutet. Wir schlachten in der Schweiz jährlich 82 Millionen Hühner, da sollten wir doch dafür sorgen, dass sie möglichst artgerecht gehalten werden.
Welche Themen liegen Ihnen in der Wintersession besonders am Herzen?
In der Wintersession ist natürlich das Budget sehr wichtig, da dort die wegweisenden Entscheide gefällt werden. Ausserdem kommen zwei Geschäfte, die Cybermobbing und Cybergrooming (Anm. d. Red.: Wenn sich Erwachsene online als Jugendliche ausgeben, um solche sexuell auszunutzen) unter Strafe stellen wollen, was mir persönlich ein grosses Anliegen ist.
Bruno Walliser, SVP, Volketswil

Wie blicken Sie auf die erste Hälfte der aktuell laufenden Legislatur zurück?
Der unerwartete Tod von Nationalratskollege Fredi Heer hat mich tief getroffen. Wir waren die letzten Jahre Sitznachbarn im Nationalratsaal. Es zeigt mir deutlich, dass im Leben die Politik nicht immer an erster Stelle stehen kann und darf.
Welcher politische Vorstoss ist Ihnen am wichtigsten und weshalb?
Die Beratung der Initiative «Keine 10-Millionen-Schweiz!» im letzten Herbst hat mir deutlich gezeigt, dass eine Mehrheit im Parlament die Sorgen und Ängste der Bevölkerung nicht ernst nimmt. Zum Glück wird das Stimmvolk das letzte Wort haben.
Welche Themen liegen Ihnen in der Wintersession besonders am Herzen?
Das Kriegsmaterialgesetz muss, gemäss Antrag der Sicherheitspolitischen Kommission, in der ich Mitglied ich bin, im Nationalrat ohne Abänderungen eine Mehrheit finden. In der heutigen geopolitischen Weltlage ist es wichtig, dass wir in der Schweiz eine funktionierende Rüstungsindustrie haben. Die Corona-Zeit hat gezeigt, dass in einer Krise jeder Staat zuerst für sich schaut.
Marionna Schlatter, Grüne, Hinwil

Wie blicken Sie auf die erste Hälfte der aktuell laufenden Legislatur zurück?
Für die Umwelt, die mir besonders am Herzen liegt, ist diese Legislatur geprägt von Rückschritten: sei es im Gewässerschutz, bei der Biodiversität oder im Klimaschutz.
Welcher politische Vorstoss ist Ihnen am wichtigsten und weshalb?
Besonders eingesetzt habe ich mich zum Thema PFAS, den Ewigkeitschemikalien. Mit einem Vorstoss habe ich versucht zu erreichen, dass eine Abgabe an der Quelle, eine sozusagen «vorgezogene Recyclinggebühr», eingeführt wird, damit die immensen Sanierungskosten, die auf die Gemeinden zukommen, bezahlt werden können. Leider wurde dieser Vorstoss nicht überwiesen.
Welche Themen liegen Ihnen in der Wintersession besonders am Herzen?
In der grossen Budgetdebatte ist für mich insbesondere der Beitrag für Tox Info Suisse «lebenswichtig». Ohne den zusätzlichen Beitrag des Bunds kann Tox Info Suisse den Giftnotruf nicht weiterführen, das darf nicht passieren.
Martin Bäumle, GLP, Dübendorf

Wie blicken Sie auf die erste Hälfte der aktuell laufenden Legislatur zurück?
Vorsichtig positiv. Es erfordert viel Engagement, gerade für die Grünliberalen, in der laufenden Legislatur unseren Lösungsvorschlägen zu Mehrheiten zu verhelfen. Es gelingt aber immer wieder – gerade in der Klima- und Energiepolitik –, Lösungen zu erarbeiten, die die grünliberale Handschrift tragen. Auch in anderen Themen wie zum Beispiel der Altersvorsorge spielen die Grünliberalen oft das Zünglein an der Waage für gute Lösungen.
Welcher politische Vorstoss ist Ihnen am wichtigsten und weshalb?
Ich fokussiere mich mehr auf die Arbeit in der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie und im Hintergrund mit anderen Fraktionen, um Lösungen zu erarbeiten, als mich mit Vorstössen zu profilieren. Zudem habe ich mich vor allem im Hintergrund auf vielen Ebenen und mit eigenen Ansätzen seit dem 24. Februar 2022 dafür eingesetzt, dass die Schweiz ihre Rolle als neutrale Vermittlerin nicht verliert und so auch zum Ende des sinnlosen Kriegs mehr beitragen könnte.
Welche Themen liegen Ihnen in der Wintersession besonders am Herzen?
Eine zentrale Vorlage für mich ist der Netzexpress. Dabei ist es das Ziel, dass die notwendigen Stromnetzausbauten schneller vorankommen. Diese Vorlage ist eine zentrale Ergänzung der Energiestrategie mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, dem Solar- und dem Windexpress und der Beschleunigung der Verfahren zum Ausbau vor allem auch der Wind- und Wasserkraft.