Netto-Null bis 2040? SP und SVP streiten in Gossau über Machbarkeit
Ende September stimmt der Kanton Zürich über das Energiegesetz ab. Am Podium in Gossau diskutierten je ein Vertreter von SVP und SP darüber, ob Netto-Null bereits 2040 realistisch ist – oder ob der Kanton damit überfordert wäre.
Ende September stimmt der Kanton Zürich unter anderem über das Energiegesetz ab: Sollen die Treibhausgasemissionen bis 2040 auf netto null gesenkt werden, oder soll man damit bis 2050 warten?
Am Mittwochabend lud die SVP Gossau zu einem kontradiktorischen Podium ein, um über die Stimmvorlage des Energiegesetzes zu diskutieren. Dabei traten die beiden Oberländer Kantonsräte Daniel Wäfler (SVP) und Harry Brandenberger (SP) in eine Debatte – moderiert wurde die Veranstaltung von ZO/AvU-Redaktor Luca Da Rugna.
2040 – realistisch oder utopisch?
Während die SVP das Ziel bis 2040 als utopisch ansieht, ist die SP zuversichtlich, dass nicht nur 2040, sondern auch das Zwischenziel, das der Regierungsrat anstrebt, möglich ist: Bis 2030 sollen nur noch halb so viele Treibhausgase ausgestossen werden wie im Jahr 1990.
Daniel Wäfler argumentiert, dass der Bund ohnehin 2050 klimaneutral werden will. Würde der Kanton Zürich voreilig 2040 anpeilen, schadete das dem Wirtschaftsstandort. Unternehmen müssten früher in neue Technologien investieren, was zusätzliche Kosten und Anpassungen erzwinge.
Harry Brandenberger sieht darin auch eine Chance für Innovationen in Technologie, Wirtschaft und Forschung. «Wir haben früher schon viele Entwicklungen geschafft – wieso sollten wir es heute nicht schaffen?»
Erneuerbare Energien noch nicht perfekt
Darauf verweist Wäfler auf eine andere Hürde: Bei der Umstrukturierung von Strom zu Energie könnte es zu Engpässen kommen. «Bis 2050 könnten wir Energie nachproduzieren, aber 2040 oder sogar 2030?» Vor allem werde künftig noch mehr Strom gebraucht. Und das sei nicht nur wegen der Einwanderung.
Dass Strom schon im letzten Jahr Mangelware gewesen ist und deshalb viel teurer wurde, ist ein Argument, das auch aus dem Publikum aufgegriffen wird. Beispielsweise durch René Schweizer – den Voland-Chef, Bezirksparteipräsidenten der SVP und Fischenthaler Gemeindepräsidenten. Ein solcher Zustand mache es nicht nur für Unternehmen schwierig, sondern auf Dauer auch für Privatpersonen.
Eine Sorge, die der SP-Kantonsrat ernst nimmt. «Wir werden am Anfang nicht nachkommen, das ist so. Aber genau deswegen müssen wir das Thema jetzt angehen.» Die 16 geplanten Wasserwerke seien eine gute Methode, einem Engpass entgegenzuwirken. Und je mehr erneuerbare Energien entstünden, desto günstiger würden diese mit der Zeit. Solaranlagen seien auch noch nicht perfektioniert, deshalb sei es wichtig, gerade solche Projekte weiter voranzutreiben.
Konkrete Massnahmen
Ein Gast aus dem Publikum bleibt skeptisch: «Ich höre immer, dass wir an den Dingen arbeiten müssen. Aber was heisst das konkret?» Das sei eine gute Frage, findet Brandenberger: «Wir sprechen von Zielen, aber die effektive Umsetzung wird bereits gemacht.» Als Beispiele nennt er etwa die Isolierung von Gebäuden, die Förderung bei Wärmepumpen, das Errichten von Ladestationen für die E-Mobilität und auch die nachhaltige Sanierung von Gebäuden aus den 1950er und 1960er Jahren.
Das sind plausible Massnahmen für den SVP-Kantonsrat Wäfler. Trotzdem hat er Bedenken. «Wir haben unseren Wohlstand und unsere Gewohnheiten», sagt er. «Wir fliegen, wir fahren Auto und importieren. Wollen wir das Netto-Null-Ziel wirklich 2040 erreichen, dann müssen wir unsere Lebensart radikal ändern.»
Hier hakt der Moderator konkret nach. «Schauen wir auf die SVP-Kampagne», sagt Da Rugna und zeigt auf das aufgehängte Plakat mit dem durchgestrichenen Flugzeug. «Sie sprechen vom Flugverbot und vom Ende des Grillplauschs, aber ist da etwas dran?»
Wäfler gibt sich ambivalent. Denn zum einen bestätigt er, dass der Flugverkehr aus dem Energiegesetz ausgeschlossen ist. Auch sei es nicht das Ende des Grillplauschs. «Aber es ist doch so, dass der Flugbetrieb eine CO2-Schleuder ist und wir früher oder später mit Restriktionen zu kämpfen haben werden.»

Während der SP-Kantonsrat die Kampagne als unehrlich ansieht, versteht Wäfler diese als Warnung. Dass keine restriktiveren Massnahmen folgen werden, glaubt er jedenfalls nicht. «Der Kanton kann die Welt nicht retten.»
Mögliche Hindernisse
Ein Argument, das Brandenberger so nicht akzeptieren will. «Wir haben eine Vorbildfunktion.» Es sei sicher einfach, nach China und in die Vereinigten Staaten zu schauen und dann zu finden, dass «man eh nichts machen kann». Doch es gebe auch Länder, die dies anders handhaben würden, wie etwa Norwegen, wo der äussere bürgerliche Rand ebenfalls nach Lösungen für den Klimawandel suche.
Doch in der Schweiz gebe es eben ein grosses Hindernis, bemerkt ein Gast aus dem Publikum, und das sei die Bürokratie. «Wissen Sie, wie lange es ging, bis meine Erdbodensonde genehmigt wurde? Und auch der Windräderpark ist erst eine Wunschvorstellung. Bewilligt wurde noch gar nichts.» Hier kann Brandenberger dem Gast nur recht geben. Die Bürokratie müsste schneller vorangehen und viel einfacher sein.
Argumente für oder gegen das Energiegesetz gibt es eine Menge. Doch was ist denn am Ende eigentlich der Knackpunkt: etwa die Zeit? Das will auch Brandenberger wissen. «Darf ich Dich beim Wort nehmen?», fragt er den SVPler. «Bis 2050 soll die Schweiz klimaneutral sein?» Wäfler entgegnet: «Solange die Restriktionen nicht zu eingreifend sind.»