Abo

Politik

Weniger Autos, mehr ÖV

Hohe Ziele: Gossau nimmt sich verkehrstechnisch viel vor

Wie alle Kommunen im Oberland entwickelt sich auch Gossau stetig. Dies hat nicht nur siedlungs- sondern vor allem verkehrstechnische Folgen. Für ein Dorf mit einem grossen Anteil an Durchgangsverkehr ist ein aktualisierter Verkehrsrichtplan unabdingbar.

Bis 2040 soll es in Gossau noch mehr Durchgangsverkehr geben. Es wird mit einer Zunahme von 14 Prozent gerechnet. (Archiv)

Foto: Simon Grässle

Hohe Ziele: Gossau nimmt sich verkehrstechnisch viel vor

Wie alle Kommunen im Oberland entwickelt sich auch Gossau stetig. Dies hat nicht nur siedlungs-, sondern vor allem auch verkehrstechnische Folgen. Für ein Dorf mit einem hohen Anteil an Durchgangsverkehr ist ein aktualisierter Verkehrsrichtplan unabdingbar.

Das Vorhaben ist seit über zwei Jahren am Köcheln, nun will Gossau in puncto Verkehrsentwicklung Nägel mit Köpfen machen – das letzte Strategiepapier stammt noch aus dem Jahr 2000 und wurde nur punktuell angepasst. Mit dem neuen kommunalen Verkehrsrichtplan (kVRP) will die Gemeinde ihre Entwicklung koordinieren und über die nächsten 15 bis 20 Jahre möglichst frühzeitig steuern. Als Instrumente dazu dienten den Behörden in Absprache mit dem Kanton die Analyse der heutigen Verkehrssituation, ein Beschrieb der künftigen Mobilität sowie die Definition der Erreichung dieser Ziele.

All dies geschah unter Berücksichtigung der Interessen der Bevölkerung. Schon im letzten Sommer wurde ein erster Entwurf des kVRP an einer Informationsveranstaltung präsentiert. Dessen Entstehung war erst die Folge von Workshops, die unter der Teilnahme der Bevölkerung durchgeführt wurden. Diesen war eine erste Stichprobenumfrage zur Verkehrssituation in Gossau schon im Frühling 2023 vorausgegangen. Denn der zunehmende Verkehr und die Lärmbelästigung beschäftigen die Gossauerinnen und Gossauer. «Das Thema Verkehr bewegt enorm», unterstrich Gemeindepräsident Jörg Kündig (FDP).

Nach der Präsentation der Vorlage war klar, was der Bevölkerung in Gossau besonders wichtig ist: neue Begegnungszonen und zusätzliche Optimierungen zugunsten der Verkehrssicherheit für den Fuss- und Veloverkehr in und zwischen den Wachten. Was das mit dem Kanton abgestimmte und im Richtplan enthaltene Gesamtverkehrskonzept betrifft, so stechen die Attribute sicherheits-, orts- und umweltverträglich, die Berücksichtigung lokaler Interessen (inklusive Gewerbe und Landwirtschaft), die Einbettung in ein regionales Gesamtverkehrssystem, ein erhöhter Anteil an Fuss- und Veloverkehr sowie weniger Schwerverkehr hervor.

Wie es ist – wie es sein soll

Derzeit regiert in Gossau vornehmlich der motorisierte Individualverkehr. Die öffentlichen Verkehrsmittel werden hingegen nur wenig genutzt. Auch der Fuss- und Veloverkehr weist einen geringen Anteil auf. Im Gesamtverkehrskonzept, das Gossau gemeinsam mit dem Kanton erarbeitete, wird in den nächsten 15 Jahren mit einer Verkehrszunahme von 14 Prozent gerechnet.

Diese Zunahme soll vor allem mit dem ÖV und einem erhöhten Fuss- und Veloverkehr kompensiert werden, damit nicht noch mehr Automobile ihren Weg in und rund um Gossau nehmen. Damit dieses Ziel überhaupt realisierbar wird, müssen die Lücken im Fuss- und Velonetz sowie die eher unattraktiven ÖV-Verbindungen an das S-Bahn-Netz ergänzt werden. Ansonsten würde die schon derzeit hohe Verkehrsbelastung der Ortsdurchfahrten bis 2040 noch deutlich höher. Berechnungen gehen von bis zu 4500 zusätzlichen Personenwegen pro Werktag aus.

Ein Bus fährt durch eine grüne Landschaft.
Das noch höhere Verkehrsaufkommen soll mit besseren ÖV-Verbindungsrouten abgefedert werden. Ob dies realistisch ist, muss sich noch zeigen. (Symbol)

Auch der Kanton steckt sich sehr hohe Ziele: So soll sich der ÖV-Anteil bis 2040 auf wichtigen Verbindungsrouten von Gossau in die Stadt Zürich auf 70 Prozent und innerhalb der Region Oberland auf 25 Prozent steigern.

Im Jahr 2020 befanden sich 631 Arbeitsstätten mit total 2515 Beschäftigten in Gossau. Die Gemeinde liegt damit bei der Anzahl deutlich über dem kantonalen Durchschnitt von rund 1400 Beschäftigten. Die Arbeitsplätze konzentrieren sich primär auf das Gebiet im Westen von Gossau Dorf und das Dorfzentrum. Weitere Gebiete mit erhöhter Arbeitsplatzdichte finden sich um den Ernst-Brugger-Platz sowie im Grüt am westlichen Siedlungsrand.

2015 wurde noch prognostiziert, dass es in Gossau eine jährliche Zunahme an Beschäftigten von 0,7 Prozent geben würde, was im Jahr 2030 einer Anzahl von rund 2800 Beschäftigten entsprochen hätte. Nun wird davon ausgegangen, dass die Anzahl stabil bleibt und auch im Jahr 2040 «lediglich» 2500 Berufstätige in Gossau arbeiten werden.

Strategien und Massnahmen

In möglichst absehbarer Zeit möchte man in Gossau also das ÖV-Angebot in Form von neuen Buslinien und/oder besseren Taktungen ausbauen und Netzlücken im Fuss- und Veloverkehr schliessen. Angedacht ist beispielsweise eine neue Buslinie nach Esslingen und Wetzikon. Zudem möchte man das Fahrangebot von Gossau nach Wetzikon an Samstagen ausbauen. Auch ein Zusatzkurs nach Uster ist angedacht. Generell soll die Erreichbarkeit in der Region zwischen dem Oberland und dem Glattal und von Uster bis Meilen via Gossau erhöht werden.

Daneben soll es zu weiteren Verkehrsberuhigungen in Wohnquartieren und Temporeduktionen an kritischen Stellen wie an der Grütstrasse (derzeitige Sanierung) oder an der Grüningerstrasse kommen. Der Kanton realisiert momentan im Bereich Gossau Zentrum auf einem Teilstück eine Tempo-30-Zone. «Im Grüt ist aus Lärmschutzgründen auf der Grüningerstrasse ebenfalls eine Temporeduktion auf 30 km/h vorgesehen», sagt Gemeindeschreiber Thomas-Peter Binder.

Künftig soll die gesamte Siedlungsentwicklung stärker unter dem Aspekt der Verkehrsabstimmung vorangehen. Sogar die Überarbeitung von Parkierungsreglementen und die Förderung von autoarmen Wohnprojekten sowie die Prävention bezüglich «Elterntaxis» stehen im Fokus.

Gescheiterter Versuch

Ein Beispiel dafür, wie verkehrsberuhigende Massnahmen weder funktionieren noch auf Anklang stossen, zeigte vor rund einem Jahr die temporär erstellte Begegnungszone auf der Langweidstrasse exemplarisch. Auch auf Druck der Interessengemeinschaft (IG) Langweidstrasse, die mehr Ruhe und weniger Verkehr forderte, wurde der Durchgangsverkehr auf der Quartierstrasse mit Betonelementen massiv behindert. So wollte man den Schleichverkehr (Umfahrung Wetzikon–Hinwil) um die Hälfte eindämmen und erreichte eine Reduktion von 42 bis 46 Prozent. Lastwagen und Gefährte von Landwirten konnten die Strasse nicht mehr passieren, was für grossen Unmut sorgte. Ohnehin war der Erfolg eher gering, da der Verkehr zwar weniger, wegen der Hindernisse für Fussgänger und Velofahrer aber unsicherer wurde. Die Stimmung war oft gereizt und kippte ins Negative. Viele Autofahrer sind hupend durch die Strasse gefahren, um ihrem Ärger Luft zu verschaffen. Da bei den Verkehrsteilnehmern keine Akzeptanz aufkam und die Sicherheit zugleich schlechter wurde, beendete die Gemeinde das Projekt wieder. Selbst die Mitglieder der IG zeigten im Nachhinein Verständnis für diesen Entscheid.

Der finalisierte kommunale Richtplan Verkehr wird der Gemeindeversammlung am Montag, 8. September, zur Genehmigung vorgelegt. Bei einer Annahme würde er ab dem kommenden Jahr in Kraft treten.

Abo

Möchten Sie weiterlesen?

Liebe Leserin, lieber Leser

Nichts ist gratis im Leben, auch nicht Qualitätsjournalismus aus der Region. Wir liefern Ihnen Tag für Tag relevante Informationen aus Ihrer Region, wir wollen Ihnen die vielen Facetten des Alltagslebens zeigen und wir versuchen, Zusammenhänge und gesellschaftliche Probleme zu beleuchten. Sie können unsere Arbeit unterstützen mit einem Kauf unserer Abos. Vielen Dank!

Ihr Michael Kaspar, Chefredaktor

Sie sind bereits Abonnent? Dann melden Sie sich hier an

Digital-Abo

Mit dem Digital-Abo profitieren Sie von vielen Vorteilen und können die Inhalte auf zueriost.ch uneingeschränkt nutzen.

Sind Sie bereits angemeldet und sehen trotzdem nicht den gesamten Artikel?

Dann lösen Sie hier ein aktuelles Abo.

Fehler gefunden?

Jetzt melden.