Armee baut «überzähliges» Radar im Schmidrüti
Das Militärareal in Schmidrüti ist ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit. Während dem Kalten Krieg waren hier streng geheime «Bloodhound»-Lenkwaffen für die Flugzeugabwehr stationiert. Trotz der prominenten Lage auf einer Hügelkuppe oberhalb von Turbenthal waren die acht Meter langen Raketen durch Wald vor neugierigen Blicken geschützt. 2001 wurde das System stillgelegt und demontiert. Seither dämmert das Areal kaum genutzt vor sich hin.
Das soll sich nun ändern. Das VBS (Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport) will im nächsten Sommer soll hier einen 25 Meter hoher Radarturm bauen. Das Projekt liegt noch bis am 26. Februar im Gemeindehaus Turbenthal öffentlich auf.
Bis 1999 waren in der Schmidrüti «Bloodhound»-Lenkwaffen installiert. (Quelle: Youtube)
Radarabdeckung verbessern
«In der Schweiz besteht heute in grossen Höhen eine sehr gute Radarabdeckung», sagt Kaj-Gunnar Sievert, Mediensprecher des Bundesamts für Rüstung Armasuisse. «In niederen Höhen gibt es aber diverse Lücken aufgrund topografischer Gegebenheiten. Das gilt insbesondere für den Luftraum in der Nordostschweiz.» Skyguide hat kürzlich in diesem Gebiet drei mögliche Standorte für eine neue Radaranlage untersucht. Die Wahl fiel schliesslich auf Schmidrüti. «Mit der neuen Anlage kann eine wesentliche Verbesserung und nahezu vollständige Radarabdeckung der Nordostschweiz erreicht werden», sagt Sievert. Das werde zukünftig einen grossen Mehrwert zugunsten des militärischen und zivilen Flugverkehrsmanagements der Schweiz leisten.

Auf dem Platz wo früher das Zielradar für die Bloodhound-Lenkwaffen stand, soll nun ein neuer Radarturm gebaut werden. (Archivbild: David Kündig)
Teil eines Rüstungsprojekts
Das ist aber nur eine Seite der Geschichte. Denn ursprünglich war die Radaranlage, die nun in Turbenthal installiert wird, für einen anderen Standort gedacht. Bei dem System handelt es sich um ein sogenanntes ASR (Area Surveillance Radar), das die Armee im Rahmen des Rüstungsprojekts «MALS Plus» beschafft hat. Die Abkürzung steht für «Militärisches Anflugleitsystem Plus».
Laut dem aktuellen Projektbericht des VBS soll dieses allwettertaugliche Radarsystem die Überwachung um die Militärflugplätze Payerne, Emmen, Meiringen und Locarno verbessern und die bisher eingesetzten, veralteten Systeme ablösen. Das Parlament hatte für «MALS Plus» 2009 einen Kredit über 294 Millionen Franken bewilligt. Eigentlich hätte das System bis Ende 2016 installiert sein sollen.
Kühe als feindliche Objekte
Doch bei der Einführung von «MALS Plus» kam es zu Problemen, wie «Blick» im März 2015 berichtete. Die Zeitung zitierte in ihrem Artikel den damaligen Verteidigungsminister Ueli Mauerer (SVP). Laut einem Insider soll er vor der Sicherheitspolitischen Kommission (SIK) folgendes gesagt haben: «Offenbar funktioniert das System in der Ebene, aber wenn sich in den Bergen an den Hängen zum Beispiel eine Kuh bewegt, nimmt der Radar diese Kuh als feindliches Instrument wahr, und das stört.» Und weiter: «Der Lieferant hat grosse Mühe, das System auf unsere Verhältnisse anzupassen, und das hat zu einer Verzögerung geführt.» Laut dem Insider war die Schweiz offenbar mit ihren Problemen nicht allein. Auch Deutschland habe das System bestellt. Auch dort habe es Schwierigkeiten gegeben. In der Folge musste Maurer zusammen mit der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) «den Lieferanten ziemlich unter Druck setzen.»
«Der Lieferant hat grosse Mühe, das System auf unsere Verhältnisse anzupassen.»
Ex-Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP) im «Blick»
Ungeeignet für Locarno
Die damaligen technischen Probleme seien inzwischen gelöst, sagt Armasuisse-Sprecher Sievert. «Die MALS Plus Systeme an den Standorten Payerne, Emmen und Meiringen werden wie geplant installiert und in Betrieb genommen.» Für den Flugplatz Locarno erwies sich das System jedoch als ungeeignet. «Es besteht aber keinerlei Zusammenhang mit den im Blick-Artikel erwähnten technischen Problemen.» Stattdessen habe man im Verlaufe des Projekts erkannt, dass die Installation eines ASR in Locarno aufgrund der sehr hohen topografischen Herausforderungen sowie der umweltpolitschen Auflagen in den Tessiner Alpen, «nicht vertretbar» wäre.
Um dennoch die volle Leistung des neuen militärischen Anflugsystems im Umfeld des Flugplatzes Locarno sicherstellen zu können, musste die Armee auf ein alternatives System mit der sogenannten Multilaterations-Technologie ausweichen. «Damit können auch in Locarno Landungen nach Instrumentenflugregeln in allen Wetterlagen stattfinden», sagt Sievert. Zudem sorge das System für die lokale Überwachung sämtlicher Luftfahrzeuge in dem Gebiet.
Grenzwerte eingehalten
Das «überzählige» ASR, das für Locarno gedacht war, werde nun auf der Schmidrüti installiert, sagt Sievert. «Das VBS empfiehlt den Standort nicht nur aus militärischen, sondern auch aus zivilen Sicherheitsüberlegungen, zu realisieren.» Zur Wahrung der Souveränität über den eigenen Luftraum brauche die Schweiz eine eigenständige, möglichst vollständige Radarabdeckung.
«Das VBS empfiehlt den Standort nicht nur aus militärischen, sondern auch aus zivilen Sicherheitsüberlegungen, zu realisieren.»
Kai-Gunnar Sievert, Sprecher Armasuisse
Aus Sicht des VBS ist das Projekt gesundheitlich und ökologisch unbedenklich. Im Rahmen des Baugesuchs musste die Armee mit einer Studie nachweisen, dass die neue Radaranlage die Grenzwerte für nichtionisierende Strahlung einhält, ähnlich wie bei einer Mobilfunkantenne. Die durchgeführten Simulationen hätten ergeben, dass die Grenzwerte «mit grosser Reserve» eingehalten werden. Laut dem Bericht seien die sehr tiefen Feldstärken darauf zurückzuführen, dass das ASR auf einem relativ freistehenden Hügel zu stehen kommt, der alle umliegenden Geländepunkte deutlich überragt. «Diese Lage dürfte bereits bei der Wahl des Standorts für die Flugabwehrstellung vor etwa 50 Jahren mitbestimmend gewesen sein.»
Ufos statt Kühe auf dem Radar
Von Kühen, die an Berghängen grasen, wird das Radar in Schmidrüti wohl kaum gestört werden. Dafür könnten der Anlage möglicherweise Ufos ins Netz gehen, die den knapp 500 Meter entfernten Sitz der FIGU besuchen. Die «Freie Interessengemeinschaft für Grenz- und Geisteswissenschaften und Ufologiestudien» wurde vor gut 40 Jahren von Billy Meyer gegründet. Meyer machte in den 1970er-Jahren weltweit Schlagzeilen mit der Behauptung von Ausserirdischen besucht worden zu sein. Als Beweis publizierte er Bilder von fliegenden Untertassen, die angeblich bei Besuchen der Aliens in der Tösstal- und Bachtel-Region entstanden sein sollen. Die Fotos machten damals sogar Experten stutzig, gelten inzwischen aber als Fälschungen. Meyer behauptet bis heute mit den sogenannten «Plejadiern» in Kontakt zu stehen. Seit 1975 lebt er mit einigen Anhängern in der Hinterschmidrüti. Bleibt der Radarnachweis für seine Ufos jedoch aus, hat Billy Meyer eine Erklärung bereit. Gemäss der FIGU-Website finden seine Kontakte zu den Ausserirdischen inzwischen nämlich in telepathischer Form statt.