Nicht mehr en vogue – das Indian Land Museum in Gossau schliesst
Das Indian Land Museum würdigt die Geschichte der Ureinwohner von Nord- und Mittelamerika. Inzwischen scheint das Interesse am Museum und an Indianern überhaupt so geschwunden, dass die einst beliebte Kulturstätte schliessen muss.
Bei diesem Gebäude im Zentrum von Gossau deutet von aussen nichts auf die längst vergangene Epoche hin. Dabei wird hier auf der Etage oberhalb der Migros-Filiale seit rund drei Jahrzehnten die indianische Kultur auf visuelle Art konserviert.
Einst von nordamerikanischen Indigenen getragene Mokassins aus dem Jahr 1820, originale Winchester-Gewehre, die in Schlachten verwendet wurden, prächtiger Federschmuck, farbenfrohe Tragtaschen, ein Kindertipi und noch heute einsatzbereite Friedenspfeifen oder Kanus. Das Indian Land Museum in Gossau ist das wohl grösste Indianermuseum der Schweiz, und doch muss es per Ende Jahr schliessen.
Vincent Escriba, den leidenschaftlichen Sammler und Gründer des Museums, trifft das Ende seiner selbst erschaffenen Welt nach 30 intensiven Jahren ziemlich schwer. Der 67-Jährige meint, dass sowohl für ihn und sein Museum als auch für die Geschichte der amerikanischen Ureinwohner (nochmals) eine Ära endet.
«Noch vor nicht allzu langer Zeit kamen bei uns 190 Schulklassen pro Jahr zu Besuch, zuletzt waren es noch deren vier», muss Escriba resümieren. Anscheinend habe sich das Interesse an Indianern über die letzten Jahre rapid verflüchtigt oder sei gar im Keim erstickt worden. Insgesamt zog das Museum noch höchstens 2000 Besucher im Jahr an.
Einen Hauptgrund dafür sieht der ehemalige Aufnahmeleiter des Schweizer Fernsehens, der seit über 40 Jahren Relikte von Indianern sammelt und über 50-mal nach Amerika reiste, in der kulturellen Aneignung, die es mittlerweile auch Kindern «verbietet», sich an der Fasnacht als Indianer zu verkleiden. «Dabei ist unser Museum einer der wenigen Orte, wo die Geschichte der Indianer tatsächlich faktenbasiert wiedergegeben und am Leben erhalten wird.»
Definition der kulturellen Aneignung
Kulturelle Aneignung von Indianersymbolen wie Federschmuck oder Kriegsbemalung gilt inzwischen als problematisch, da sie die vielfältigen Kulturen indigener Völker Amerikas auf stereotype und oft diskriminierende Weise reduziert, die durch koloniale Fremdzuschreibungen entstanden ist. Kulturelle Aneignung fördert Stereotypen und trägt zur Marginalisierung von Minderheiten bei, weshalb ein sensibler Umgang und die Beachtung des kulturellen Kontexts bei der Übernahme kultureller Elemente wichtig sind.
Corona und Bauarbeiten
Das Ende des Museums allein dem kulturellen Zeitgeist zuzuschreiben, wäre für Escriba dann doch etwas zu einseitig. Weitere Gründe sieht er im letzten Umbau des Gebäudes, der von 2016 bis 2018 vonstattenging. «Nach zwei Jahren geht man schnell vergessen.»
Die später folgende Pandemie und die seit Anfang dieses Jahrs begonnenen Bauarbeiten an der Grütstrasse, die direkt zum Indian Land Museum führe, hätten diesem den Rest gegeben. «Wir haben nie Gewinne verzeichnet, und das Personal arbeitete stets ehrenamtlich.» Dennoch habe es für eine «schwarze Null» nie gereicht.
In den letzten Jahren habe das Museum jedoch nur noch gelitten. Und obwohl er eine gute Beziehung zur Gemeinde pflegt, die ihn jährlich mit einem Kulturbeitrag unterstützte, müsste er mit seinem Privatvermögen die finanziellen Löcher in der Museumskasse stopfen. «Als Rentner kann und möchte ich das nicht mehr.» Traurig, aber überzeugt meint der Sammler, dass das Museum wohl schon im neuen Jahr vergessen sein werde.
Alles für die Sammlung
Was für das Museum gilt, soll um keinen Preis für die unzähligen Artefakte gelten. Sie sollten «weiterleben», ihre Geschichte dürfe nicht zu Ende gehen. «Wir sprechen hier von einer Sammlung mit einem Wert im Bereich von Millionensummen, die sich heute so nicht mehr zusammenstellen liesse.»
Escriba hat viele Objekte von verstorbenen Sammlern übernommen oder von Übersee in die Schweiz gebracht. Gewisse Objekte, die er von Sammlern ergattern konnte, würden den Weg in die Schweiz heute gar nicht mehr finden. «Inzwischen kann man kaum mehr eine Schraube einer alten Pistole importieren, so streng sind die Regulierungen», sagt Escriba.
Damit die Objekte aus dem Indian Land Museum in die richtigen Hände übergehen, hat dessen Gründer bereits einiges in Gang gesetzt. Inzwischen sei schon eine Delegation von Indigenen aus Manitoba (Kanada) in Gossau für einen Augenschein vor Ort vorbeigekommen.
Diese hätten konkrete Pläne für ein Museum, dessen Realisation allerdings noch in den Kinderschuhen stecke. «Ich kann nicht vier bis fünf Jahre warten.» Das Nordamerika Native Museum (Nonam) aus Zürich habe zwar grosses Interesse bekundet, aber eine Übernahme sei wenig realistisch. «Denn auf einen grösseren Förderbetrag der Stadt können die auch nicht mehr zählen», ist sich Escriba sicher.
Ein reicher Westernfan?
Nun hoffen Escriba und seine treuen Helferinnen und Helfer auf einen vermögenden Liebhaber, der die Objekte für seine Privatsammlung übernimmt. «Reiche Leute und Westernfans gibt es hierzulande genug, daher geben wir die Hoffnung nicht auf.»
Auf die Frage, wer denn sein Lieblingsindianer sei oder ob er den wohl bekanntesten Häuptling Sitting Bull besonders bewundere, meint Escriba mit unverkennbarem Bezug auf sich selbst: «Den letzten Mohikaner.» Es sei schade, dass alles zu Ende gehe und das Oberland eine grosse Kulturstätte verliere.
Das Indian Land Museum im Zentrum 1 in Gossau hat noch bis zum 31. Dezember 2025 jeweils am Mittwoch, Samstag und Sonntag von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Weitere Informationen unter www.indianland.ch.