Politik

Neukom verärgert Hauseigentümer mit neuen Bauvorschriften

Bäume sollen im Sommer die Städte kühlen. Der grüne Baudirektor Martin Neukom fordert eine Revision des Baugesetzes. Es ist eine Änderung mit viel Konfliktpotenzial.

Viel Grün und kühler Schatten. Die Bäume wirken in der Sportanlage Sihlhölzli wie Klimaanlagen.

Thomas Egli

Neukom verärgert Hauseigentümer mit neuen Bauvorschriften

Martin Neukom, der junge grüne Baudirektor aus Winterthur, beschleunigt seinen Kampf gegen den Klimawandel. Eben erst hat er sein Energiegesetz durch den Kantonsrat gebracht, das den Ausstieg aus den fossilen Heizenergien vorantreibt. Am Montagmorgen präsentierte er nun einen Ideenkatalog für ein grüneres Baurecht.

Konkret geht es um die Hitze im Sommer, welche den Menschen immer häufiger zu schaffen macht. Neukom räumte am Montagmorgen zwar ein, dass das Wetter für seine Offensive nicht recht mitspiele: «Man kann sich bei diesem kühlen Regenwetter kaum vorstellen, dass es hier auch heiss sein kann.»

Tatsache ist aber, dass die Zahl der Hitzetage steigt. Neukom will deshalb das Planungs- und Baugesetz ändern. Ziel ist: die Hitze besonders in stark überbauten Gebieten erträglicher zu machen. Erreichen will es der Baudirektor mit einer Dreisäulenstrategie: Bäume, Begrünung und Durchlüftung.

Kleinere Grenzabstände und Tiefgaragen

Weil Bäume nicht nur Schatten spenden, sondern auch Wasser verdunsten, bezeichnete sie Neukom am Montag als die «Klimaanlagen der Städte». Mit der Gesetzesänderung will er sie besser schützen und das Pflanzen neuer Bäume erleichtern. Neukom schlägt deshalb tiefere Grenzabstände vor. Heute darf ein Baum nicht näher als acht Meter an eine Grundstücksgrenze gepflanzt werden. Neu soll der Abstand nur noch zwei Meter betragen. Bei Strassen soll die Abstandsvorschrift von zwei Metern sogar ganz fallen.

Eingeschränkt werden soll auch der Bau von unterirdischen Bauten wie Tiefgaragen. Neukom will hier zwar keine kantonalen Vorschriften vorgeben, aber den Gemeinden die Möglichkeit geben, solche zu erlassen. Grundstücke sollen dann nicht mehr vollständig unterkellert werden dürfen. Denn so können keine tiefwurzelnden Bäume gepflanzt werden, und das Wasser kann nur bis auf die Decke der Tiefgarage absickern.

Weiter sollen Gemeinden Vorschriften zum Baumschutz erlassen und Bauherrschaften zum Pflanzen von Bäumen verpflichten dürfen.

Neukom betonte, er wolle mit seiner Gesetzesrevision möglichst wenig Zwang ausüben. Er schlägt deshalb nur «Kann-Formulierungen» vor, die es den Gemeinden erlauben, falls gewünscht kommunale Vorschriften zu verschärfen. Eine Ausnahme gibts aber, sie betrifft die Begrünung von Grundstücken. Die Gemeinden müssen Bauherrschaften dazu neue Vorschriften machen. So dürften Böden nicht mehr versiegelt werden, auch nicht Parkplätze.

Die dritte Säule des Hitzereduktionsprogramms ist die Durchlüftung der Quartiere. Es sollen keine Häuser mehr gebaut werden, die das Einfliessen von kühler Luft in die Quartiere verhindern. Gemeinden können darum die Ausrichtungen und Dimensionen von Bauten an neuralgischen Punkten vorgeben und beschränken. Wenn sie dies wollen.

Mit diesen Massnahmen könne der Klimawandel nicht gebremst werden. Aber dessen Folgen würden etwas erträglicher, sagte Neukom. Seine Vorschläge seien wichtig, um die Lebensqualität in den Städten zu erhalten, trotz steigender Temperaturen.

Wissenschaftler des Intergovernmental Panel on Climate Change rechnen in den schlimmsten Szenarien, dass die Durchschnittstemperaturen bis Ende dieses Jahrhunderts zwischen 6 und 10 Grad steigen. Selbst bei wirksamem Klimaschutz rechnen sie mit einem Anstieg von etwa einem Grad.

Linker Massnahmenkatalog

Bei den Hauseigentümern kommen Neukoms Vorschläge schlecht an. Albert Leiser, der Direktor des Zürcher Hauseigentümerverbandes (HEV), hat zwar nichts gegen Klimaschutz und begrünte Städte, aber: «Die Vorschläge sind nicht zu Ende gedacht.»

Leiser nennt dazu die Abstandsvorschriften für Bäume. Bei zwei Metern werde ein grosser Baum aufs Nachbargrundstück wurzeln. Leiser fürchtet darum viele neue Rechtsfälle, auch Mietstreitigkeiten – zum Beispiel wegen Schattenwurfs oder Ameisen in Wohnungen.

Hinter den Vorschriften für unterirdische Bauten vermutet der Stadtzürcher FDP-Gemeinderat Leiser eine linke politische Agenda: «In Zürich geht es vor allem darum, die Autos aus der Stadt zu verdrängen durch die Reduktion der Parkplatzzahl in Tiefgaragen.»

Neue Vorschriften, welche die Durchlüftung der Stadt fördern sollen, hätten zur Folge, dass Neubauten nicht mehr Richtung Abend- oder Morgensonne ausgerichtet würden. «Am Ende haben wir Häuser, die wir nicht mehr vermieten können», sagt Leiser.

Leiser will mehr Klimaanlagen

Ihn störe, dass Neukom vor allem auf die Privaten ziele. Die schlimmsten Beispiele von Versiegelungen hätten in der Stadt Zürich SP und Grüne im öffentlichen Raum zu verantworten: «Sowohl beim Sechseläutenplatz, beim Münsterhof und beim Vulkanplatz waren sie gegen eine Begrünung.»

Leiser hat andere Vorschläge zur Kühlung der Städte: «Man könnte zum Beispiel Klimaanlagen einbauen, die mit Solarstrom betrieben werden.» Auch ein Näherbaurecht sei womöglich sinnvoll: In Städten wie Rom sei die Hitze vielerorts nicht so hoch, weil die Sonne gar nicht in die engen Gassen scheine.

Neukoms Vorschlag geht nun bis Ende August in die Vernehmlassung. Bis Ende 2022 dürften sie dann im Kantonsrat beraten werden.

Autor: Daniel Schneebeli

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