Neue Alterswohnungen für Uster – aber nur für Schweizer
Fast zufällig sei er darüber gestolpert, sagt Markus Wanner. Der Ustermer SP-Gemeinderat studierte die Antwort des Stadtrats zu seiner Interpellation «Zukunft Areal Gestaltungsplan am Stadtpark» und blieb an einem Satz hängen: «Das geplante Wohnkonzept erlaubt Schweizerinnen und Schweizern aus dem Mittelstand ein schrittweises Älterwerden im vertrauten Ambiente der eigenen Wohnung.» Nur Schweizer, nur Mittelstand? – das liess den Sozialdemokraten aufhorchen.
«Wir wollten sicher nicht, dass sich an einer so zentralen Lage am Stadtpark nur Gutverdienende niederlassen und Ausländer sogar ausgeschlossen werden.»
Markus Wanner, SP-Gemeinderat
Das als Swisscom-Areal bekannte Grundstück am Stadtpark, auf dem im Sommer 2016 ein privater Gestaltungsplan festgesetzt wurde, ist seit längerem ein Sorgenkind der Linken in Uster. Der Gestaltungsplan ermöglicht es dem Bauherrn, ausserhalb der Vorgaben der Bau- und Zonenordnung zu bauen – etwa den Raum mehr auszunutzen. Im Gegenzug erhält die Stadt einen Mehrwert: in diesem Fall unter anderem öffentliche Freiflächen, die den Stadtpark erweitern sollen.
Gemeinnützige Wohnungen auf der Kippe
Nicht im Gestaltungsplan für das Areal am Stadtpark festgeschrieben wurde ein Mindestanteil gemeinnütziger und damit «kostengünstiger» Wohnungen, wie das die Ratslinke gefordert hatte. Der Besitzer – und mit ihm auch der damalige Stadtrat – verwiesen darauf, dass bereits eine schriftliche Vereinbarung mit der Genossenschaft Sunnige Hof vorliege. Diese wollte rund 30 Alterswohnungen und ein Pflegezentrum bauen. Die Mehrheit im Gemeinderat verliess sich auf die Versprechen und hiess den Gestaltungsplan ohne Vorgaben für den Wohnungsmix gut.
Doch keine Genossenschaftswohnungen am Ustermer Stadtpark
30.07.2017

Geplante Hochhäuser im Zentrum
Überraschend für alle ist die Genossenschaft Sunnige Hof aus dem Bauprojekt «Am Stadtpark» ausges Beitrag in Merkliste speichern Doch dann zog sich die Genossenschaft zurück. Und die Stadt stand ohne Garantien für günstige Wohnungen da. Umso mehr freuten sich Stadtrat und Politiker von links bis rechts, als die gemeinnützige Atlas-Stiftung das Swisscom-Areal kaufte. Die Stiftung will in Uster 80 Alterswohnungen mit Dienstleistungen wie Mittagessen und Freizeitprogramm sowie einige Pflegeplätze bauen ( siehe Box ).
Gedämpfte Freude
Aber da ist eben dieser Satz in der stadträtlichen Antwort, der die Freude zumindest der SP wieder deutlich dämpfte. Der Stiftungszweck der Atlas-Stiftung ist nämlich die «Beschaffung von Wohnungen für betagte Schweizer Bürger aus dem Mittelstand zu günstigen Bedingungen».
«Das passt nicht zu Uster.»
Markus Wanner, SP-Gemeinderat
SP-Gemeinderat Wanner sagt: «Wir sind extrem irritiert.» Zuerst sei man froh gewesen, dass die Stiftung das Grundstück gekauft habe. «Ihr Projekt scheint mir durchdacht und gut.» Doch der Stiftungszweck sei störend. «Wir wollten sicher nicht, dass sich an einer so zentralen Lage am Stadtpark nur Gutverdienende niederlassen und Ausländer sogar ausgeschlossen werden. Das passt nicht zu Uster», so Wanner. Mitten in Uster wäre eine gute Durchmischung möglich – und nötig – gewesen.
«Preiswert, aber nicht billig»
Philipp Oberli, Direktor der Atlas-Stiftung, kennt die Einwände gegen die Vermietungspraxis mit Auflagen. Man baue für eine Kundschaft aus dem Mittelstand, die finanziell abgesichert sei: «Unsere Wohnungen sind preiswert, aber nicht billig.» Menschen, die neben der AHV auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind, wohnten nicht in Atlas-Wohnungen, sagt Oberli. «Unsere Mieten übersteigen deren Möglichkeiten – gegeben durch den Standort und den Standard, den unsere Häuser haben.»
Zur Einschränkung auf Menschen mit Schweizer Pass, sagt er: «Diese ist kein politisches Statement. Sie war der Wunsch unserer Stiftungsgründer, welche Ausländer waren.» Ein britisches Ehepaar, reich geworden mit Immobilien und Bergbau, das seine letzten Lebensjahre im Wallis verbrachte und sich 1972 mit dem gestifteten Geld für die «Gastfreundschaft der Schweizer Bevölkerung» bedanken wollte. So steht es auf der Website der Stiftung.
«Die Einschränkung auf Menschen mit Schweizer Pass ist kein politisches Statement.»
Philipp Oberli, Direktor der Atlas-Stiftung
Man habe bei der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht informell abgeklärt, ob eine Änderung des Stiftungszwecks in Frage käme. Eine solche wäre aber nicht bewilligungsfähig, sagt Oberli – solange es Schweizer Bürger aus dem Mittelstand gebe. «Und die gibt es hoffentlich noch lange.» In seltenen Fällen habe man Interessenten ohne Schweizer Pass auch schon geraten, sich einbürgern zu lassen – was einige auch getan hätten.
Stiftungszweck stösst auf Verständnis
Es steckt also keine Fremdenfeindlichkeit sondern Dankbarkeit der ausländischen Stifter hinter dem Stiftungszweck. Das betone er auch stets, wenn er die Projekte der Atlas-Stiftung in den Städten vorstelle, sagt Direktor Oberli. Die Stiftung betreibt bereits je eine Residenz in Winterthur, Zürich und Basel. «Wir waren bisher überall willkommen. Wenn man den Grund für den Stiftungszweck erklärt, dann stösst das jeweils auf Verständnis», sagt er.
So auch beim Ustermer Stadtrat. Laut Bauvorstand Stefan Feldmann (SP) war der Stiftungszweck im Gespräch mit der Atlas-Stiftung kein grosses Thema. «Wir finden das Projekt sinnvoll, weil es der ursprünglichen Idee des Gestaltungsplans weitestgehend entspricht», sagt Feldmann. Als Bauvorstand stehe es ihm überdies nicht zu, sich in die Details der privatrechtlichen Vermietungspraxis einzumischen. «Als Bewilligungsbehörde haben wir letztlich nur zu beurteilen, ob die baurechtlichen Vorgaben des Gestaltungsplans eingehalten werden.»
«Einzig wenn dieser Stiftungszweck einer ausländerfeindlichen Haltung entspringen würde, hätte ich Mühe damit.»
Richard Sägesser, FDP-Gemeinderat
Von bürgerlicher Seite im Gemeinderat tönt es ähnlich: «Einzig wenn dieser Stiftungszweck einer ausländerfeindlichen Haltung entspringen würde, hätte ich Mühe damit», sagt Richard Sägesser von der FDP. Das sei aber ganz klar nicht der Fall. Grundsätzlich könne jeder private Eigentümer frei entscheiden, wem er seine Wohnungen vermieten will. «Dazu macht der Gestaltungsplan zum Glück keine Vorgaben.»
Mahnmal für die Zukunft
SP-Gemeinderat Wanner ist sich bewusst: «Beim Gestaltungsplan am Stadtpark ist nichts mehr zu machen.» Der Plan ist rechtskräftig, die Atlas-Stiftung darf auf dem Grundstück eine Residenz für den Schweizer Mittelstand bauen, sofern das konkrete Bauprojekt bewilligt wird.
Für die Ustermer SP ist die Geschichte aber eine Art Mahnmal: «Die Ausarbeitung von privaten Gestaltungsplänen ist immer ein Powerplay», ist Wanner überzeugt. Die privaten Investoren versuchten, ihre Maximalforderungen durchzubringen. «Wir Linken waren in der Vergangenheit zu kompromissbereit», so Wanner. Und: «Auf so einen Gestaltungsplan würden wir uns nie mehr einlassen.»
Zwei Türme, 80 Wohnungen, ein Restaurant
Auf dem sogenannten Swisscom-Areal zwischen Zürichstrasse und Ustermer Stadtpark sollen zwei Hochhäuser mit 52 und 47 Metern Höhe und darin rund 80 Alterswohnungen entstehen. Das Gebiet, für das es einen rechtskräftigen Gestaltungsplan gibt, gehört seit Sommer 2016 der Atlas-Stiftung. Diese hat bereits in Winterthur, Zürich und Basel Altersresidenzen gebaut und betreibt diese selbst.
Derzeit sind auf dem Areal Vorarbeiten für die Verlegung der Swisscom-Zentrale ins Untergeschoss im Gange. In den bestehenden Gebäuden sind noch vier Wohnungen bewohnt; Mitte 2020 sollen sie abgebrochen werden. Mit dem Neubau wurde das renommierte Zürcher Architekturbüro EM2N beauftragt. Neben den Wohnungen und einigen Pflegezimmern, die 2023 bezugsbereit sein sollen, wird es ein öffentliches Restaurant zum Stadtpark hin und Gewerbeflächen geben.
In einem Teil der Alterswohnungen der Atlas-Stiftung wird man ganz selbstständig leben, kann aber «à-la-carte Dienstleistungen» hinzubestellen, wie zum Beispiel Zimmerservice oder Spitex-Dienstleistungen. Die restlichen Wohnungen werden mit einem umfangreicheren Service angeboten. Im Mietpreis inbegriffen sind hier unter anderem ein tägliches Mittagessen und die Benutzung von Gemeinschaftsräumen, zum Beispiel einem Fitnessstudio.
Da man sich noch in der Vorprojektphase befinde, könnten noch keine Preise für die Mietwohnungen bekannt gegeben werden, sagt Stiftungs-Direktor Philipp Oberli. Nur so viel: «Bei der Preisgestaltung orientieren wir uns am Preisniveau von Uster für mittelständisches Wohnen.»
Ein Blick auf die Website der Atlas-Stiftung gibt einen Eindruck der Preise in den bestehenden Einrichtungen. In Winterthur zum Beispiel kostet eine Residenz-Wohnung mit zwei Zimmern und umfangreichen Dienstleistungen zwischen 4190 und 5200 Franken. Eine 3-Zimmer-Wohnung kostet zwischen 5230 und 6635 Franken. Für eine zweite Person wir dein Zuschlag von 1200 Franken pro Monat erhoben. Alterswohnungen mit weniger inklusiven Leistungen kosten mindestens 2800 Franken für zweieinhalb und 3600 Franken für dreieinhalb Zimmer. (lac)