Mitte und EDU sorgen für Wahl-Überraschung im Oberland
Wahlen aus Oberländer Sicht
Eine Welle an Kandidatinnen und Kandidaten rollte an diesem Wahlsonntag übers Land. Auch Politiker aus dem Oberland trugen dazu bei. Zwei Oberländer Kantonsräte sorgten indes für eine Überraschung.
Eine Rekordzahl an Oberländern liebäugelte an diesem Wahlsonntag mit dem Einzug ins Parlament. 111 Frauen und 145 Männer aus der Region haben kandidiert. Stärkste Kraft wird wie erwartet die SVP, sowohl national als auch kantonsweit.
Sie setzt auf ihr bewährtes Programm und scheint damit einen Nerv zu treffen. 27,4 Prozent der Stimmen holt sich die Partei mit dem Sünneli-Signet. Für einen Sitzgewinn reicht der Zuwachs von 0,7 Prozent aber nicht: Die SVP behält 10 Sitze. Im Oberland siegt sie dennoch in allen Gemeinden.
Aus der Region schaffen vor allem die erfahrenen Nationalräte den (Wieder-)Einzug ins Bundeshaus. Es sind dies Bruno Walliser und Benjamin Fischer, beide aus Volketswil und der SVP, sowie Martin Bäumle (GLP) aus Dübendorf.
Wie erwartet erleiden die Grünen einen Wahlverlust: Sie müssen einen Sitz abgeben. Während es für die Hinwilerin Marionna Schlatter auf Listenplatz 2 reicht, muss Meret Schneider aus Uster ihren Sitz in Bern räumen.
Ja Freunde, ich bin abgewählt. Das ist brutal schmerzhaft und im Moment möchte ich einfach nur im Boden versinken. Ich habe mein Allerbestes gegeben, danke trotzdem von Herzen für jede Stimme❤️ pic.twitter.com/VVeODTUtPQ
— Meret Schneider (@Schneimere) October 22, 2023
Für Überraschungen sorgt hingegen Die Mitte. Sie verzeichnet den grössten Zuwachs im Kanton. Sie legt um 2,1 Prozent zu und sichert sich damit zwei zusätzliche Sitze.
Das freut vor allem die Rütner Gemeindepräsidentin Yvonne Bürgin, die einigermassen unerwartet in den Nationalrat einzieht. «Natürlich hofft man immer auf eine Wahl, aber damit gerechnet habe ich nicht.»
Rütner Gemeindepräsidentin fährt nach Bern
Seit 10 Jahren sitzt sie im Kantonsrat, präsidiert dort die Mitte-Fraktion. Politisch tätig ist sie gar seit 20 Jahren. «Ich habe die klassische politische Ochsentour hinter mir», sagt Bürgin.
Ihr Amt als Gemeindepräsidentin und die Erfahrung im Kantonsparlament hätten ihr sicherlich geholfen. «Zumindest haben mir das meine Wähler gesagt.» Es genüge eben nicht, wenn man gut schwatzen könne, betont sie, denn: «Politik ist Knochenarbeit.»

Es brauche darüber hinaus ein gutes Netzwerk, ständigen Einsatz und Verständnis für den Parlamentsbetrieb. Ersteres bringt die Rütner Gemeindepräsidentin zweifellos mit. «Ich kenne praktisch die gesamte Zürcher Delegation im Nationalrat und werde mich sicher schnell zurechtfinden.»
Als Vizepräsidentin der nationalen Mitte-Partei kennt sie das Bundeshaus bereits von innen. Aller Erfahrung zum Trotz: Ohne Wahlkampf geht es auch für Bürgin nicht. «Ich betreibe Wahlkampf stets auf verschiedenen Ebenen, vom Plakat bis zu Flyern auf der Strasse.»
Kantonsratsamt wohl bald passé
Doch man müsse auch Taten sprechen lassen. Bürgin betont, sie verstehe sich als stille Schafferin. «Meine Wahl zeigt, dass eben nicht nur die lauten, provokativen Politiker eine Chance haben, nach Bern zu kommen, sondern auch die leiseren.»
Im Parlament will Bürgin lösungsorientierte Politik betreiben, die allen Generationen gerecht wird. «Wir müssen in Bern jetzt vorwärtsmachen, damit wir die Altersvorsorge unserer Kinder sicherstellen können.» Auch die Themen Gesundheit und Sport stehen weit oben auf ihrer Prioritätenliste.
Mit ihrer Wahl in den Nationalrat tanzt Bürgin auf drei Hochzeiten. Deshalb ist für sie klar: «Ich werde mein Kantonsratsmandat abgeben und mich auf die beiden anderen Ämter konzentrieren.» Zürich wird also zum blossen Umsteigepunkt auf Bürgins künftiger Pendelstrecke Rüti–Bern.
Für die Autobahn, gegen Abtreibung
Für die zweite Überraschung des Wahlsonntags sorgt die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU). Die christlich geprägte Partei holt sich anderthalb Prozent Wähleranteil und gewinnt damit einen Sitz im Nationalrat.
Jubeln darf dabei ein Oberländer: Dank rund 9400 Stimmen darf Erich Vontobel aus Wolfhausen einen Sitz im Nationalratssaal für sich pachten. Auch Vontobel bringt Erfahrung aus dem kantonalen Parlament mit – seit elf Jahren hat er dort einen Sitz.

Dort hat er sich unter anderem für den raschen Bau der Oberlandautobahn stark gemacht. Vontobel fokussiert sich politisch auf die Themen Gender, Corona-Massnahmen und Abtreibung und trat etwa bereits als Redner am kontroversen «Marsch fürs Läbe» in Erscheinung. Diesen Themen hat er bereits mehrere Vorstösse und Anfragen gewidmet – vor zwei Jahren forderte er etwa Klarheit über die Gefährlichkeit von Schutzmasken.
Gerne hätte diese Redaktion auch Erich Vontobel zu seinem Wahlerfolg befragt. Er war bis Redaktionsschluss jedoch nicht erreichbar.